Radweg zwischen Grafing und Glonn:Tour de Farce

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Bereits jetzt nutzen Radfahrer regelmäßig den ehemaligen Bahndamm bei Glonn - obwohl das eigentlich verboten ist. Auf dieses "Gewohnheitsrecht" beruft man sich nun im Landratsamt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Jüngst sah es noch so aus, als könne auf dem ehemaligen Glonner Bahndamm doch kein Fahrradweg eingerichtet werden. Das stimmt wohl auch - geradelt werden soll dort aber trotzdem. Dafür will sich das Ebersberger Landratsamt eines kleinen Tricks bedienen.

Von Andreas Junkmann, Glonn

Ständige Führungswechsel sind bei der Tour de France an der Tagesordnung. Meist sind es aber nicht die Tempomacher, die am Ende auf dem Siegertreppchen ganz oben stehen, sondern die taktisch klugen Rennradler, die ihre Kräfte maßvoll einsetzen. Ein dauerndes Hin und Her gibt es im Landkreis Ebersberg dieser Tage auch was einen möglichen Radweg auf dem ehemaligen Bahndamm zwischen Grafing und Glonn angeht. Sah es zuletzt so aus, als hätte sich das Projekt endgültig einen Platten eingefahren, gibt es nun die nächste Wendung: Aller Bedenken aus dem Bayerischen Umweltministerium zum Trotz will der Landkreis an dem Vorhaben festhalten - das sich langsam aber sicher zu einer "Tour de Farce" entwickelt.

Erst vergangene Woche preschte Kreisrat Manfred Schmidt (AfD) nach vorne und setzte sich - um in der Radrennsportsprache zu bleiben - an den Tête de la course, also die Spitze des Fahrerfeldes. Dort hingekommen war er mit einem an ihn adressierten Schreiben aus genanntem Ministerium, das dem geplanten Radweg keine große Zukunft vorhersagte - im Gegenteil: Wie aus einer fach- und rechtsaufsichtlichen Prüfung hervorgeht, soll eine Freigabe des Schutzgebiets für den Radverkehr nicht länger angestrebt werden. Hintergrund ist, dass sich die 1971 stillgelegte Bahnstrecke von Grafing nach Glonn nach Ansicht vieler Umweltschützer in den vergangenen Jahren zu einem einzigartigen Biotop entwickelt hat, das seit fast 30 Jahren einen entsprechenden Schutzstatus genießt.

Der Landrat sieht das Gesamtprojekt eines Radwegs von Grafing nach Glonn nicht in Gefahr

Durch eben jenes Schutzgebiet soll künftig ein Radweg verlaufen, der von der Stadt Grafing nach Glonn führt. Seit zehn Jahren ist dieses Projekt bereits im Gespräch und zum Teil auch schon umgesetzt. Fertiggestellt ist etwa der Abschnitt durch das Gewerbegebiet Taglaching, die Trasse zwischen Gutterstätt und dem Bahnhof Moosach oder das Schlussstück von Doblberg nach Glonn. Von diesen insgesamt zehn Teilabschnitten sollen zwei auch über den ehemaligen Bahndamm führen, was im Kreistag vor allem CSU, FDP und Freie Wähler befürworten. Aus den anderen Fraktionen gibt es zu den Plänen durchaus immer wieder kritische Stimmen.

Dennoch will der Landkreis daran festhalten. "Wir sehen das Gesamtprojekt nicht in Gefahr", sagte Landrat Robert Niedergesäß (CSU) in der jüngsten Sitzung des Kreis-Umweltausschusses. Dort hatte Manfred Schmidt mit Verweis auf die Einschätzung des Ministeriums den Antrag gestellt, alle Planungen, die die Abschnitte auf dem alten Bahndamm betreffen, ersatzlos einzustellen. Doch der AfD-Mann konnte sich für diesen Vorstoß nicht das gelbe Trikot überziehen, sondern wurde vom Hauptfeld recht schnell wieder einkassiert.

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:Platten auf den letzten Metern

Der ehemalige Bahndamm zwischen Grafing und Glonn wird wohl doch nicht zu einem Radweg umgestaltet. Das Umweltministerium jedenfalls hat sich nun klar positioniert.

Von Andreas Junkmann

Dafür will sich die Landkreis-Verwaltung eines kleinen Tricks bedienen, wie Niedergesäß erklärte: "Der Bahndamm sollte nicht offiziell als Radweg ausgewiesen werden, aber Radfahren sollte dort toleriert werden." Der Landrat verwies darauf, dass es auf manchen Abschnitten sogar erlaubt sei, den Bahndamm mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen zu befahren. "Warum also nicht auch mit Fahrrädern?", fragte er. Außerdem werde dort bisher ja auch schon geradelt, es liege also in gewisser Weise ein Gewohnheitsrecht vor. Ein weiteres Argument lieferte das Landratsamt in einer Stellungnahme: Die Nutzung des Bahndammes zu Fuß sei nicht eingeschränkt, was auch Spaziergänger beinhalte, die ihr Rad schieben würden. Dass darauf zu fahren aber verboten sein soll, nennt die Verwaltung eine "weltfremde Sichtweise".

Eine solche wiederum warf Manfred Schmidt dem kompletten Umweltausschuss vor, der sich diesmal geschlossen hinter das Projekt stellte und den AfD-Antrag ablehnte. "Die entgegenstehende Rechtslage und die Entscheidung des Umweltministeriums werden unbekümmert ignoriert", schimpfte Schmidt, der ebenfalls kritisierte, dass am Bahndamm zum Zwecke der geplanten Fahrradnutzung bereits größere Umbauarbeiten durchgeführt worden seien.

Die Natur soll für den Menschen "erlebbar und spürbar" gemacht werden

Dass dem nicht so ist, erklärte Frank Burkhardt, Leiter der Unteren Naturschutzbehörde, in der Sitzung: Es seien nach Absprache mit den Bayerischen Staatsforsten lediglich einige Bäume entlang der Bahndammböschung entnommen worden, um für mehr Licht für die darunterliegenden Pflanzen zu sorgen. Außerdem habe man den ehemaligen Schotterkörper wieder etwas freigeräumt - allerdings nicht, um das Fahrradfahren angenehmer zu machen, sondern um der dortigen Tierwelt wieder mehr Lebensraum zu verschaffen. Das Landratsamt schreibt dazu: "Wir sehen es als wichtig an, die Natur in Teilbereichen des Bahndamms für den Menschen erlebbar und spürbar zu machen und den kulturhistorisch schützenswerten Bahndamm hierfür zu erhalten."

Für den Moment wirkt es also so, als habe das Landratsamt im Rennen um den Radweg den längeren Atem. Man stehe derzeit im Austausch mit den Behörden und suche nach praktikablen Lösungen für die beiden Abschnitte, die den alten Bahndamm betreffen, sagte Niedergesäß. Bis jene Lösungen gefunden sind, haben Landrat und Kreistag die Ziellinie dieser "Tour de Farce" allerdings noch nicht erreicht - und ein weiterer Führungswechsel scheint hier jederzeit denkbar.

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