Klimaschutz:"Wir merken ein spürbares Interesse der Gemeinden am Windenergieausbau"

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Photovoltaikanlagen auf gewerblichen Dächern sollen einen Schub bei der Energiewende bringen. (Foto: Jens Büttner/dpa)

Benjamin Hahn von der Energieagentur Ebersberg-München hofft, dass die Energiewende unter der neuen Bundesregierung Fahrt aufnimmt.

Von Anna Lea Jakobs, Ebersberg

Die Energieagentur Ebersberg-München kümmert sich in den beiden Nachbarlandkreisen um den Klimaschutz und berät Bürger, Unternehmen und Kommunen in Energiefragen. Benjamin Hahn arbeitet seit Anfang 2019 in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Einrichtung. Im Interview erzählt der 36-Jährige von den Erwartungen an die neue Regierung, dem neu gegründeten Unternehmensbündnis "Die Klimaneutralen" und erklärt, wie es um die Energiewende im Landkreis steht.

SZ: Für die nächsten vier Jahre trägt die Bundesregierung die Farben Rot, Gelb und Grün. Was erhoffen Sie sich von dem Machtwechsel?

Benjamin Hahn: Das ist eine komplexe Frage. Wir erhoffen uns eine stärkere Förderung im Bereich der alternativen Mobilität. Damit meine ich Fahrradinfrastruktur, ÖPNV. Wer in und um München wohnt, der kennt das Problem, dass die S-Bahn ständig zusammenbricht. Da hilft Ihnen auch kein E-Auto, denn das steht auch im Stau. Auch eine Beibehaltung der aktuell sehr guten Fördermöglichkeiten für Sanierungen muss beibehalten werden, insbesondere auch für Haushalte, die wirtschaftlich nicht stark dastehen, sodass auch sie die Möglichkeit haben, sich entsprechend einzurichten, ihre Heizung umzustellen oder sich vielleicht selbst eine Photovoltaik-Anlage aufs Dach zu bauen. Und wir erhoffen uns einen Ausbau der erneuerbaren Energien grundsätzlich.

Es gibt also viel zu tun. Was ist denn bezüglich des Energieausbaus geplant im Landkreis Ebersberg?

Wir merken ein spürbares Interesse der Gemeinden am Windenergieausbau - auch weil das Jahr 2030, bis zu dem der Landkreis frei sein will von fossilen und anderen endlichen Energieträgern, immer näher rückt. Es wäre peinlich, ein Ziel, das man sich selbst vor 16 Jahren gesteckt hat und das damals realistisch war und immer noch machbar ist, zu verfehlen. Deshalb unterstützt die Energieagentur alle Gemeinden, die jetzt in eine ernsthafte Planung einsteigen. Was im privaten Bereich geplant ist, können wir tatsächlich schlecht einschätzen. Wir sehen aber, dass die Menschen sehr interessiert sind an Photovoltaik-Anlagen auf dem eigenen Hausdach. Es gibt seitens der neuen Bundesregierung die Absicht, eine PV-Pflicht für gewerbliche Neubauten einzuführen. Da hat sich tatsächlich der Freistaat Bayern bereits unter Druck setzen lassen und nimmt das in sein eigenes Klimaschutzgesetz mit auf. Deshalb gehen wir davon aus, dass das für einen großen Schwung im Bereich Photovoltaik sorgen wird.

Benjamin Hahn ist Pressesprecher bei der Energieagentur Ebersberg-München. (Foto: privat/oh)

Gegen den Ausbau der Windenergie gab es aber auch Widerstand im Landkreis.

Ja, das stimmt. Das konstruktive Miteinander muss das Ziel bleiben, auch wenn das knappe Ergebnis des Bürgerentscheids der Energiewende Aufwind verschafft hat. Wir sind nach wie vor zu Gesprächen bereit, denn das ist der beste Weg, um berechtigte Sorgen ernst zu nehmen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.

Es scheint, als ob die Windkraft ein Imageproblem hätte in Bayern.

Ich glaube nicht, dass es ein Imageproblem ist. Es ist eher ein Gewöhnungsproblem. Hier war auch historisch gesehen die Windkraft nie besonders stark vertreten. Wenn sie sich mal anschauen, welche historischen Mühlen es gibt, sind das in Bayern in der Regel Wassermühlen, aber keine Windmühlen. Dass heutzutage Windenergie-Anlagen in diesem Ausmaß möglich sind in Bayern, liegt einfach daran, dass sich die Technik in den letzten Jahren sehr stark weiterentwickelt hat. Insofern ist es ein Thema, das erst in der jüngsten Vergangenheit aufgekommen ist.

In welchem Zeitraum würden die Windräder denn gebaut werden?

Wann die Windräder im gesamten Landkreis stehen, können wir perspektivisch schlecht sagen. Auch zum Projekt im Forst können wir uns nicht äußern, da wir mit Planung und Betrieb nichts zu tun haben. Da wollen wir auch ganz ehrlich sein und weder irgendwelche Ängste noch Vorfreude schüren. Aber uns ist allen klar, dass bis 2030 ein deutlicher Ausbau stattgefunden haben muss. Wenn wir das nicht schaffen, sieht es für die Klimaziele doch sehr düster aus.

Die neue Bundesregierung hat erklärt, dass bis 2030 80 Prozent des Strombedarfs mit erneuerbaren Energien gedeckt werden soll.

Der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch lag im Landkreis Ebersberg im Jahr 2018 bei 27,9 Prozent. Das ist kein schlechter Ausgangswert, um die 80 Prozent zu schaffen. Dieser Wert ist aber nicht das Ziel des Landkreises. Das liegt bei 100 Prozent und geht damit deutlich über die Vorgaben der Bundesregierung hinaus. Wir sind und bleiben optimistisch, dass es mit den ganzen Maßnahmen, die jetzt noch geplant sind und werden, tatsächlich möglich ist. Gerade die Photovoltaik-Pflicht auf gewerblichen Neubauten wird einen großen Anteil dazu beitragen, dass sich auch etwas im industriellen Bereich tut. Und wenn wir dieses Ziel erreichen und als oberbayerischer Landkreis eine rot-grün-gelbe Koalition überholen, dann können wir wirklich stolz auf uns sein.

Die Industrie ist der größte Treibhausgas-Emissionstreiber im Landkreis Ebersberg mit 2,54 Tonnen pro Einwohner im Jahr 2018.

Ja, deshalb haben wir auch das Unternehmensbündnis "Die Klimaneutralen" gegründet. Darin können sich Unternehmen zusammenschließen und sich freiwillig dazu verpflichten, bis 2030 klimaneutral zu werden. Wir erstellen dann zusammen mit dem Unternehmen einen Fahrplan, der Schritte aufzeigt, durch die die Reduktion erfolgen kann.

Wie sieht dieser Fahrplan im neuen Jahr konkret aus?

Das sind einerseits technische Maßnahmen, wie beispielsweise Umstellung von Prozessen im Betrieb oder Nutzung von erneuerbaren Energien. Aber auch tatsächlich die Umstrukturierung von Dienstreisen, bessere Angebote für die Mitarbeitenden, um den ÖPNV zu nutzen. Das Unternehmensbündnis bietet dann auch die Möglichkeit, durch Klima-Zertifikate auszugleichen.

Dieser Emissionshandel wurde sehr kritisch diskutiert, da sich Firmen, die die Ressourcen haben, ein grünes Gewissen kaufen können.

Davor haben wir in dem Fall keine Angst. Wir achten schon sehr genau darauf, dass alle Unternehmen, die bei diesem Bündnis mitmachen, die Grundlage erfüllen, dass sie alle anderen Maßnahmen ausgenutzt haben müssen, bevor sie sich für den Zertifikatshandel entscheiden, den wir dann auch kontrollieren und vermitteln.

Wenn ich Sie im nächsten Winter sprechen würde, was müsste dann passiert sein, damit Sie sagen: Das war ein gutes Jahr?

Das Unternehmensbündnis sollte mindestens dreimal so groß geworden sein. Die Anzahl der PV-Anlagen im Landkreis sollte mindestens um zehn Prozent gestiegen sein und es sollten die ganz konkreten Standorte für mindestens zehn weitere Windräder feststehen.

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