Brenner-Nordzulauf:Vom Fordern überfordert

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Der Brenner-Nordzulauf im Landkreis Ebersberg soll ein Teilstück einer großen Güterverkehrsachse quer durch Europa werden. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Bis Ende Januar muss der Landkreis Ebersberg seine Kernforderungen zum Brenner-Nordzulauf formuliert haben. Das dürfte schwierig werden, denn es gibt zu viele verschiedene Meinungen, um sie in einem gemeinsamen Papier unterzubringen.

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Kaum ein Thema wird in der Region so heiß diskutiert wie die Zulaufstrecke zum Brenner-Basistunnel. Eine solche Pluralität von Meinungen ist zwar grundsätzlich begrüßenswert, wird für den Landkreis Ebersberg nun aber zu einem ernsthaften Problem. Bis Ende Januar nächsten Jahres muss das Landratsamt seine Kernforderungen zur Zugtrasse ausformuliert haben, die schließlich in die Bundestagsdebatte 2025 einfließen sollen. Die Ebersberger Kreisräte stehen deshalb nun vor der schier unmöglichen Aufgabe, alle unterschiedlichen Befindlichkeiten in ein gemeinsames Papier zu gießen. Und die Zeit drängt: Mitte Dezember will der Kreistag die finale Version seiner Kernforderungen beschließen.

Wenig Diskussionen wird es dann um den sogenannten Planungsabschnitt 0 geben, also der bereits bestehenden Zugstrecke zwischen Grafing und Trudering. "Da sprechen alle mit einer Zunge, das ist politisch unstrittig", sagte Landrat Robert Niedergesäß (CSU) in der jüngsten Sitzung des Kreis-Verkehrsausschusses. Die Kernforderungen beschränken sich in diesem Bereich im Wesentlichen auf zwei Punkte: Weil sich der Verkehr auf den bestehenden Gleisen durch die Güterzüge deutlich erhöhen wird, muss die Bahn für einen Lärm- sowie Erschütterungsschutz nach Neubaustandard sorgen. Auf diese Beschlussempfehlung an den Kreistag konnten sich die Ausschussmitglieder einstimmig verständigen.

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Deutlich schwieriger ist die Frage, welche Forderungen man den Bundestagsabgeordneten für den Planungsabschnitt 1 an die Hand geben will - denn hier gehen die Meinungen weit auseinander. Das zeigt sich schon allein am Beispiel der Gemeinde Aßling, die neben der Stadt Grafing am meisten von der neu zu bauenden Zugstrecke betroffen ist. Hatte sich der dortige Gemeinderat im vergangenen Sommer noch auf einen Ausbau entlang der bestehenden Trasse verständigt, schwenkte das Gremium in seiner Sitzung Ende November um: Nun soll eher die von der Bahn präferierte Variante mit dem Namen "Limone" optimiert werden, die abseits der jetzigen Strecke durch bisher unbebaute Natur verläuft. Die Aßlinger Gemeinderäte wünschen sich deshalb eine "maximal mögliche Untertunnelung" der Trasse.

Dieser Beschluss deckt sich in weiten Teilen mit den Forderungen der Bürgerinitiative "Schützt Aßling und das Atteltal". Dem gegenüber steht jedoch eine andere Gruppierung aus der Gemeinde, die "Bürgerinitiative Brennernordzulauf Landkreis Ebersberg", die der Bahn immer wieder "massive Fehler" bei der Planung der Strecke vorwirft und sich klar für einen bestandsnahen Verlauf der Gleise ausspricht. Wie die Gemeinde Aßling hat auch die Bürgerinitiative ihre Kernforderungen beim Landratsamt hinterlegt, damit diese in das gemeinsame Landkreispapier einfließen sollen.

Theoretisch kann jeder Bürger im Landkreis seine eigenen Kernforderungen aufstellen

Als wäre die Sache dadurch nicht schon kompliziert genug, stehen auch noch die Beschlüsse der Stadt Grafing und der Gemeinde Bruck aus, die ebenfalls von den Planungen betroffen sind. Als Sebastian Hallmann, der Mobilitätsbeauftragte am Landratsamt, den bisherigen Entwurf der Kernforderung im Gremium vorstellte, sprach er deshalb von einem "lebenden Dokument". Bis zur finalen Version, die der Kreistag in seiner Sitzung am 18. Dezember beschließen soll, könne sich also noch viel daran ändern. "Wir bemühen uns, alle Meinungen so zu bündeln, dass wir als Landkreis mit einer Stimme sprechen", sagte Hallmann. Wie schwer dieses Unterfangen ist, zeigt allein die Tatsache, dass theoretisch jeder Bürger seine eigenen Kernforderungen formulieren kann.

Einer, der von diesem Recht Gebrauch gemacht hat, ist CSU-Kreisrat Martin Lechner. Auch er reichte ein Schreiben beim Landratsamt ein, in dem er sich für den Schutz des Trinkwassers als oberste Priorität starkmacht. Wasserschutzgebiete dürften beim Bau des Brenner-Nordzulaufs grundsätzlich nicht überplant werden, so Lechner. Zudem müsse die Bahn garantieren, dass die örtliche Trinkwasserversorgung weder in ihrer Funktion gefährdet noch beeinträchtigt wird. Es ist davon auszugehen, dass es Lechners Anliegen auch in die finale Version der Kernforderungen schafft, denn von den Kreisräten gab es dafür breite Zustimmung.

Wie wichtig ein starkes und möglichst auch einheitliches Meinungsbild aus dem Landkreis wäre, machte derweil Robert Niedergesäß klar. "Die Bahn hat sich auf Limone versteift", so der Landrat. Das sei jene Arroganz des Schienenunternehmens, die man auch aus anderen Vorhaben kenne - und der man mit einem gesunden Selbstbewusstsein begegnen müsse. Für ihn persönlich sei der durch die Trasse "Limone" verursachte Flächenverbrauch eine "Katastrophe für die Landschaft". Selbstverständlich müsse man als Kreistag aber auch das Votum eines anderen Gremiums würdigen, wie der Landrat mit Blick auf den Beschluss aus Aßling sagte - und damit das Dilemma der Kreis-Politiker auf den Punkt brachte.

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