Brenner-Nordzulauf:Bahn reicht Anliegern die Hand

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Die Gegner einer Neubaustrecke haben ihrem Ärger bereits bei mehreren Demonstrationen Luft gemacht. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

In der Debatte um die Neubaustrecke südlich von Grafing fordert der Schienenkonzern eine Rückkehr an den Gesprächstisch. Den Boykott der Trassen-Gegner halte man für "kontraproduktiv".

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Gespräche haben bekanntermaßen die Eigenschaft, dass mehrere Parteien daran teilnehmen. Was die Deutsche Bahn in diesen Tagen aber zum Thema Brenner-Nordzulauf zu sagen hat, gleicht vielmehr einem Monolog. Denn ein Großteil der Teilnehmer an den Dialogforen zur möglichen Ausbaustrecke südlich von Grafing hat seinen Worten in dieser Woche Taten folgen lassen und das Gesprächsformat boykottiert - sehr zum Unverständnis der Bahn-Verantwortlichen. Damit herrscht nun vorerst Funkstille zwischen den beiden Parteien. Beim Schienenkonzern allerdings hofft man, dass alle Beteiligten schon bald wieder zueinander finden.

Mit dem Vorwurf, die Bahn sei nicht dazu bereit, Kompromisse einzugehen, haben sich vergangene Woche mehrere Teilnehmer der seit dem Jahr 2020 regelmäßig stattfindenden Dialogforen vorerst aus den Gesprächen zum Trassenverlauf verabschiedet. Unterzeichnet haben den offenen Brief neben Landrat Robert Niedergesäß (CSU) auch mehrere Bürgermeister der betroffenen Gemeinden, Vertreter von Bürgerinitiativen und Bauernverband, sowie die vier Ebersberger Parlamentarier Doris Rauscher (SPD), Thomas Huber, Andreas Lenz und Angelika Niebler (alle CSU).

Die meisten Vertreter aus Ebersberg boykottieren das Dialogforum

Und offenbar haben die meisten der Unterzeichner Wort gehalten. Aus dem Landkreis Ebersberg hätten in der jüngsten Gesprächsrunde lediglich zwei Personen teilgenommen, wie die Bahn im Rahmen eines Pressegesprächs am Donnerstag mitteilt. Die Vertreter des Schienenkonzerns reagieren auf das Fernbleiben mit Unverständnis. So eine Haltung sei kontraproduktiv, sagt Christian Tradler, Projektleiter für den Brenner-Nordzulauf. "Den Boykott-Aufruf finden wir falsch." Tradlers Kollege Dieter Müller geht sogar noch einen Schritt weiter und spricht von "Bahn-Bashing". Man fühle sich zu unrecht in die Ecke der Verweigerer gedrängt.

Die beiden Planer können die Haltung der Dialogpartner nicht wirklich nachvollziehen, habe man doch von Anfang an mit offenen Karten gespielt. "Alle Fragen wurden beantwortet", sagt Christian Tradler. Darunter seien eben auch solche gewesen, deren Antwort den Teilnehmern nicht gefalle. Der größte Streitpunkt bei der Planung der neuen Zugstrecke zwischen Grafing-Bahnhof und der Landesgrenze zu Österreich ist deren genauer Verlauf. Die Bahn hat im Dezember vergangenen Jahres vier Varianten vorgestellt, die jedoch abseits der bereits bestehenden Gleise verlaufen würden. Die Anliegergemeinden fordern dagegen, lieber die Bestandsstrecke für den Güter- und Personenverkehr zum Brenner-Basistunnel nutzbar zu machen.

Dieses hartnäckige Beharren auf einen Ausbau ist es, was bei der Bahn für Kopfschütteln sorgt. "Es ist ein Trugschluss, wenn man glaubt, ein Ausbau an der Bestandsstrecke hat weniger Betroffenheit zur Folge", sagt Christian Tradler. Er und sein Kollege Dieter Müller verweisen auf die teils dichte Besiedlung entlang der Zugstrecke, deren Bewohner durch eine viergleisige Erweiterung mit einer erheblichen Lärmbelastung zu rechnen hätten. Als konkretes Beispiel gegen einen Ausbau der bestehenden Trasse nennen die Planer den Soldatenfriedhof bei Oberelkofen. Dieser müsse "platt gemacht werden", sollte die Bahnstrecke künftig viergleisig verlaufen, heißt es von den Bahn-Verantwortlichen.

Doch ganz unabhängig davon sei eine Erweiterung der bestehenden Zugstrecke auch rechtlich gar nicht haltbar. Man habe als Bahn die Ziele aus dem Bundesverkehrswegeplan zu erfüllen, die da lauten: Eine zweigleisige Neubaustrecke, die einen Mischverkehr von Güter- und Personenzügen sowie Geschwindigkeiten von bis zu 230 Kilometer pro Stunde ermöglicht. Unter diesen Bedingungen gelte es nun, den bestmöglichen Trassenverlauf im Planungsbereich zu finden. "An der Aufgabenstellung hat die Bahn nichts zu drehen", sagt Tradler. Mit dem Ausbau der Bestandstrecke seien die Kriterien des Bundes schlicht nicht zu erfüllen.

Nun muss ein Streckenverlauf gefunden werden, mit dem sich einerseits die Planvorgaben umsetzen lassen, andererseits aber auch bestmöglich auf Mensch und Natur Rücksicht genommen wird. Die Bahn-Vertreter sind davon überzeugt, dass dieses Vorhaben nur im Gespräch mit den Betroffenen gelingen kann. "Wir appellieren, den Dialog gemeinsam fortzusetzen", sagt Christian Tradler. Als Zeichen ihrer Bereitschaft hat die Bahn einen umfassenden Fragenkatalog der Anlieger beantwortet, dessen Ergebnisse noch diese Woche vorliegen und beim nächsten Dialogforum diskutiert werden sollen.

Ein Bürgermeister kehrt an den Verhandlungstisch zurück

Diese Ankündigung zeigt offenbar schon erste Wirkung. Noch am Donnerstag meldete sich Bürgermeister Hans Fent (parteilos) aus Aßling in einem offenen Brief zu Wort, in dem er seine Bereitschaft signalisiert, weiterhin mit der Bahn im Gespräch zu bleiben. Fent bringt darin in gewisser Weise sogar Verständnis für den Schienenkonzern zum Ausdruck, der den Planungsauftrag des Bundes an der Bestandsstrecke schlicht nicht realisieren könne. "Der Gemeinde Aßling, sowie den weiteren Anrainergemeinden, bleibt in dieser Situation nur noch die Möglichkeit im Planungsverfahren auf die vorgeschlagenen Varianten einzugehen und einen größtmöglichen Tunnelanteil zu erwirken", schreibt der Bürgermeister, der dadurch die Handhabe der Kommunen als "bedauerlicherweise sehr begrenzt" sieht. "Dieser Realität müssen wir uns als Kommunalpolitiker vor Ort stellen."

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