Amtsgericht Ebersberg:Der Schein trügt

Lesezeit: 3 min

Eine Familie fälscht haufenweise Unterlagen, um sich Mietverträge für Häuser zu ergaunern. Neben einer hohen Geldstrafe muss einer der Beteiligten dafür nun sogar ins Gefängnis.

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Im Münchner Umland ist Wohnraum ein knappes Gut - und die Anzahl an Bewerbern für die wenigen freien Immobilien entsprechend hoch. Wohl dem, der seinem potenziellen Vermieter da eine saubere Vita präsentieren kann. Ganz so wie eine ursprünglich aus Berlin stammende Familie, die sich im Jahr 2018 für eine Doppelhaushälfte im südlichen Landkreis Ebersberg interessiert und dafür allerhand gut klingender Dokumente vorgelegt hat. Die Familie bekam den Zuschlag - und die Vermieter hatten den Ärger. Denn wie sich bald herausstellte, waren sämtliche Unterlagen gefälscht und auch die Mietzahlungen blieben aus. Dafür mussten sich die Vier - die beiden Eltern, deren 34 Jahre alter Sohn und dessen ebenfalls 34-jährige Ehefrau - nun vor dem Ebersberger Amtsgericht verantworten.

Das Gericht um Vorsitzenden Markus Nikol wich für die Verhandlung Corona-bedingt in den Saal der ehemaligen Kreissparkasse aus, waren doch neben den vier Angeklagten auch fünf Verteidiger, zwei Schöffen und eine Staatsanwältin an dem Prozess beteiligt. Letztere erhob in ihrer Anklageschrift durchaus schwere Vorwürfe gegen die Beschuldigten. Demnach sollen sie neben dem Vorfall in Glonn, bei dem sie das Vermieter-Ehepaar um insgesamt rund 7500 Euro geprellt hatten, mit der gleichen Masche Ende 2019 noch ein weiteres Haus im Landkreis Miesbach angemietet haben.

Auf den ersten Blick erscheinen die Papiere einwandfrei

Auch dort schienen die vorgelegten Dokumente auf den ersten Blick einwandfrei zu sein. Eine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung, die Schufa-Auskünfte, eine betriebswirtschaftliche Auswertung des vermeintlich eigenen Unternehmens und eine Bürgschaftsurkunde wiesen keine Auffälligkeiten auf - doch alle Dokumente waren von der Familie selbst gefälscht worden. Die vier Angeklagten wollten die Vermieter über Zahlungsfähigkeit täuschen, sagte die Staatsanwältin. Die Miete nämlich - beim Haus im Landkreis Miesbach 2190 Euro im Monat, im Landkreis Ebersberg 2095 Euro - hätte sich die Familie wohl gar nicht leisten können. Und so sammelten die Vier auch in Miesbach über mehrere Monate hinweg Mietschulden in Höhe von über 15 000 Euro an.

Doch damit nicht genug: Um sich die Kosten für ihren nächsten Umzug innerhalb des Landkreises Miesbach zu erschleichen und keine Kaution für die neue Wohnung zahlen zu müssen, legte das arbeitslose Ehepaar dem zuständigen Jobcenter einen gefälschten Mietvertrag vor. Eigentlich hätte die Höhe der Miete den genehmigungsfähigen Rahmen überstiegen, um aber doch an die rund 9100 Euro zu kommen, "korrigierten" sie den Betrag kurzerhand selbständig herunter. In der Behörde fiel der Schwindel erst auf, als sich der Vermieter dort wegen der zu geringen Kautionszahlung erkundigte.

Der Familie wurde der Mietvertrag fristlos gekündigt

Die Angeklagten hätten in allen Fällen mit voller Absicht gehandelt und seien deshalb wegen Betrugs und Urkundenfälschung zu verurteilen, so die Staatsanwältin. Die Beschuldigten selbst wollten sich zunächst nicht zu der Sache äußern. Aufschluss gab aber das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Miesbach, wo es um die Frage ging, ob die fristlose Kündigung durch die Vermieter in Ordnung war. Das Gericht gab den geschädigten Klägern damals recht, wegen der vermeintlichen Urkundenfälschung und der ausstehenden Mietzahlungen bestehe keine Vertrauensgrundlage mehr, hieß es damals. Die Angeklagten, bei denen zwischenzeitlich noch zwei weitere Erwachsene sowie die fünf kleinen Kinder des jungen Ehepaares gewohnt haben, mussten das Haus räumen.

Nun ging es in Ebersberg um die strafrechtliche Relevanz der Vorfälle - und die kam vor allem dem Vater der fünf Kinder teuer zu stehen, den das Gericht als treibende Kraft hinter den ganzen Betrügereien identifizierte - und dafür ins Gefängnis schickte. Der 34-Jährige hatte bereits bei der Verhandlung in Miesbach zugegeben, dass er die Dokumente gefälscht habe. "Das hätten wir nicht machen sollen. Aber wir haben für unsere Familie eine Unterkunft gebraucht", sagte er damals laut Protokoll. In Ebersberg schwieg er zwar zu den Tatvorwürfen, in einem Rechtsgespräch konnten die beteiligten Juristen allerdings eine Einigung erzielen.

Einer der Angeklagten muss ins Gefängnis

Diese sah vor, das Verfahren der beiden 53 und 55 Jahre alten Eltern gegen eine Schadenswiedergutmachung von 2000 Euro einzustellen. Die 34-jährige Frau des Hauptbeschuldigten erwischte es dagegen schon härter. Sie muss, nachdem sie die Taten durch ihren Verteidiger einräumen ließ, eine Geldstrafe über insgesamt 3400 Euro zahlen und zusammen mit ihrem Mann Wertersatz über 4540 Euro leisten. Den 34-Jährigen, der ebenso wie seine Frau bereits vielfach einschlägig wegen Betrugsdelikten vorbestraft war und dafür auch schon in Haft gesessen hatte, verurteile Richter Markus Nikol zu einer erneuten Gefängnisstrafe über ein Jahr und acht Monate. Der Mann sei "erheblich vorbelastet", so Nikol. "Seine Sozialprognose ist denkbar ungünstig." Immerhin haben dem Mann die Betrügereien nun doch noch eine kostenlose Unterkunft beschert.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: