Corona, Borkenkäfer und Co.:"Wir sind seit fünf Jahren im Krisenmodus"

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Die stillgelegten Sägewerke stellen Bayerns Forstbetriebe auch vor massive Herausforderungen. Zu Coronazeiten ist im Vorteil, wer vorsorgt: So wie in Ebersberg.

Von Korbinian Eisenberger

Es ist wie bei einer vermeintlichen Waldfee, die sich als Hexe entpuppt. Nur, dass diese Geschichte wahrhaftig ist - und hier das Weibchen in die Falle tappen soll. Genauer: In zwei Käferfallen, die im Ebersberger Forst aufgebaut sind. Schwarze Kästen, die das Pheromon des Borkenkäfer-Männchens absondern. Die Fallen sollen auf Käferweibchen so wirken wie eine Rammelkammer. Also wie ein Liebesnest unter der Fichtenborke, wo der Gatte sich paarungswillig in Stellung begeben hat. Sobald das Borkenkäfer-Weibchen die Lust packt, schnappt die Falle zu.

In Bayerns Wäldern hat der Kampf gegen den Käfer begonnen. In den Kästen werden die eingefangenen Weibchen gezählt - eine Stichprobe, die Anhaltspunkte über die Ausbreitung in einem bestimmten Gebiet geben soll. Die Förster arbeiten mittlerweile mit einer App, über die befallene Bäume auf einer digitalen Karte markiert werden. Diese müssen möglichst schnell gefällt, abtransportiert und in Sägewerke gebracht werden. Das Problem: Wegen der Coronakrise sind die Sägewerke in Bayern und Österreich (50 Prozent der bayerischen Hölzer gehen in der Regel ins Nachbarland) derzeit geschlossen. Das stellt die Forstbetriebe vor massive Herausforderungen.

Klimawandel
:Prognose: Fichten im Ebersberger Forst nicht mehr zu retten

Es ist ein Szenario, das auch anderen Wäldern Bayerns bevorstehen könnte: Der Temperaturanstieg lässt heimische Bäume verschwinden, und zwar schon bald.

Von Korbinian Eisenberger

Es sei denn, man hat vorgesorgt. Der für weite Teile des Ebersberger Forsts zuständige Forstbetrieb Wasserburg hätte es vom Timing her kaum besser erwischen können. Vor einem Jahr haben die Förster dort erstmals ein sogenanntes Nasslager eröffnet. Also ein Areal, auf dem großflächig Bäume gelagert und bewässert werden können. Mithilfe von Sprinkleranlagen betreiben die Förster dort ein Feuchtgebiet frei von Rammelkammern. Borkenkäfer sind nämlich wasserscheu.

Das Nasslager im Ebersberger Forst wurde im März 2019 auf einer freigeschlagenen Fläche unweit des Forstinninger Ortsteils Schwaberwegen geschaffen und ist eines von 30 in ganz Bayern. Dass es wegen der Viruskrise schon 2020 so wertvoll wird, war nicht abzusehen. "Damit kommen wir durch dieses Jahr", sagt Heinz Utschig, der Forstbetriebsleiter. Investiert, auch mit staatlichen Fördermitteln, wurde jedoch langfristig - das Nasslager kostete eine halbe Millionen Euro. Grund dafür: Sturmschäden, wie zuletzt durch Orkan Sabine, wurden seit 2015 immer mehr, die Aufräumarbeiten umfangreicher. Laut Forstchef Utschig ist der Druck im Holz durch den Klimawandel zuletzt massiv gestiegen: "Wir Forstbetriebe sind seit fünf Jahren im Krisenmodus."

Um Borkenkäferbefall schneller zu erkennen, testen die Förster Drohnen

Im Ebersberger Forst sind dies die ruhigen Wochen vor dem Ansturm des Schädlings. Noch haben die Förster in ihren Zähl- Fallen keinen Fang gemacht. Anders als in weiten Teilen Niederbayerns und im südlichen Oberbayern, wo bereits Tausende gezählt wurden. "Wir rechnen damit, dass er sich in den nächsten zwei Wochen berappelt", sagt Utschig. "Anfang Mai werden wir mit der Suche beginnen müssen."

Die Niederschläge im Februar und Anfang März sind hier nicht restlos versiegt, noch ist der Wald stabil, heißt es vom Forstbetrieb. Für die großen Nadelbäume reiche die Feuchtigkeit noch aus, so Utschig, die Jungbäume leiden aber bereits unter der anhaltenden Trockenheit. Seit Anfang April fliegen die Luftbeobachter aus Erding über die Region, mittlerweile hat die Waldbrandgefahr im Ebersberger Forst Stufe vier von fünf erreicht. Wie vielerorts erhebliche Gefahr also, weswegen Georg Kasberger, Leiter des Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Ebersberg, am Mittwoch die bayernweite Warnung von Forstministerin Michaela Kaniber bekräftigt: In Ebersbergs Wäldern gilt striktes Rauch- und Lagerfeuerverbot.

Frühjahrsstürme, Borkenkäfer und Trockenperioden - hinzu kommt ein Holzpreis, der so niedrig ist wie lange nicht. Der Wasserburger Forstbetrieb steht hier an der Seite der Gewerkschaft BDF (Bund Deutscher Forstleute). Der gemeinsame Aufruf: Baut mehr Holzhäuser, auch das hilft der Natur. Holz bindet das umweltschädliche CO₂ - anders als Beton - und zwar auch in verbautem Zustand. Nicht aber, wenn es verrottet.

Um dem Klimawandel die Stirn zu bieten, ist auch der Waldumbau von reinen Fichtenmonokulturen zurück zu den einstigen Mischwäldern wichtig. Hier haben die Forstbetriebe Bayerns in zwei Jahrzehnte einiges bewegt. Und doch ist es ein Wettlauf, bei dem der Borkenkäfer immer wieder enteilt. Die Bayerischen Staatsforsten arbeiten deswegen an neuen Strategien im Kampf gegen den Schädling.

Etwa durch den Einsatz von Drohnen, die den Wald nach befallenen Bäumen absuchen. Vergangenen Sommer testete die Behörde in Wasserburg - mit dem Ergebnis: Die Drohne erkennt den Befall nach drei bis vier Wochen, ein Käfersucher ist doppelt so schnell. Um besser zu werden als die 15 Spezialisten, die demnächst wieder mit Handyapp durch den Ebersberger Forst streifen, "muss das System noch ausgereifter werden", sagt Utschig. Der nächste Versuch findet heuer in Altötting statt.

Das drei Hektar große Nasslager, so die Prognose Utschigs, wird bei einem mittelschweren Käferszenario 2020 halb bedeckt werden. Genaueres wird er sagen können, wenn im Mai die ersten Käferweibchen in die Falle gehen. Bei 3000 Buchdrucker-Käfern pro Kasten - die halbe Füllhöhe eines 150 Milliliter-Glases - sind die Rammelkammern bereits im Kuschelmodus. Ist das Glas voll, wird es für Heinz Utschig und seine Leute ungemütlich.

© SZ vom 24.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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