Plagiat im Karlsfelder Gemeinderat:Einfach abgekupfert

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Der Passus über die römische Latrinensteuer war zu verlockend: Karlsfelds SPD-Fraktionschef gab sich im Gemeinderat als Experte für kommunale Finanzen. Doch nicht alle seiner Gedanken stammen von ihm.

Gregor Schiegl

CSU-Shooting Star Doktor Karl Theodor zu Guttenberg verlor über die Plagiatsaffäre Amt und akademischen Titel. Auch die Vorzeigefrau der FDP, Silvana Koch-Mehrin, Vizepräsidentin des Europaparlaments, soll für ihre Doktorarbeit abgekupfert haben.

Nun gibt es auch im Karlsfelder Rathaus eine kleine Plagiatsaffäre: Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Gemeinderat kupferte in seiner Haushaltsrede ab. (Foto: www.joergensen.com)

Und jetzt ist auch ein SPD-Politiker des schnöden Kopierens überführt: Karlsfelds Fraktionssprecher Reinhard Pobel hat sich in seiner Haushaltsrede großzügig aus einem Aufsatz der Zeitschrift des Bayerischen Gemeindetags bedient - ohne Erwähnung der Quelle.

Die Fragen der SZ zu dem Vorgang findet der Berufsschullehrer mit SPD-Parteibuch "sehr unersprießlich". Den Sachverhalt räumt er aber unumwunden ein, der Fall ist offensichtlich. Pobel hatte einen eineinhalbseitigen Exkurs seiner sechsseitigen Haushaltsrede mit den Worten eingeleitet: "Gestatten Sie mir ein paar grundsätzliche Gedanken zum Thema kommunale Selbstverwaltung und Finanzen."

Was dann kam, waren allerdings nicht Reinhard Pobels Gedanken, sondern die von Berthold Krist. Der Kommunalpolitiker aus Künzelsau und Mitglied eines unabhängigen Bürgerblocks hatte in der März-Ausgabe des Gemeindetagsblatts einen Aufsatz unter dem Titel "Was man über Kommunalfinanzen wissen sollte..." veröffentlicht.

Darin heißt es beispielsweise: "Die Erträge fließen je nach Steuerart ihm (dem Bund; Anm. d. Red.), den Bundesländern oder den Kommunen zu. Bei der Lohn- und Einkommensteuer sowie der Umsatzsteuer gilt ein Quotensystem. Alle drei föderalen Ebenen erhalten dabei jeweils einen bestimmten Anteil der Einnahmen."Und in Pobels Rede: "Die Steuererträge fließen somit dem Bund, den Bundesländern und den Gemeinden zu. Bei Lohn- und Einkommensteuer gilt dabei ein Quotensystem, nach dem die drei Ebenen, Bund, Länder und Kommunen jeweils einen gewissen Anteil der Einnahmen erhalten."

Sieben Abschnitte sind nach dieser Fasson eingearbeitet worden. Selbst den etwas kuriosen Bezug zu einer Latrinensteuer, die der römische Kaiser Vespasian zur Aufbesserung seiner Haushaltskasse erfand, taucht in Pobels Rede auf.

Das sei der eigentliche Grund gewesen, warum er den Text aufgegriffen habe, sagt Pobel. "Die Haushaltsthematik ist ja so schon trocken genug." Er habe sich gedacht, der Aufsatz sei sicherlich auch informativ für die Kollegen im Gemeinderat. Weil er den Aufsatz nicht wortwörtlich, nur sinngemäß wiedergegeben habe, will Pobel auch nicht von einem "Plagiat" sprechen.

Und überhaupt: "Ich habe ja nie den Anspruch auf die geistige Urheberschaft erhoben." Quellenhinweise wirkten in einer Rede doch sehr seltsam, sagt Pobel, in einem offiziellen Schriftstück wäre das freilich etwas anderes gewesen.

Was die Angelegenheit dann fast doch zu einer Affäre macht, ist der Umstand, dass keinem der 24 anderen Gemeinderäte etwas bekannt vorkam an der Haushaltsrede. - Anscheinend interessiert sich in Karlsfeld keiner außer Pobel für die Zeitschrift des Bayerischen Gemeindetags.

© SZ vom 28.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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