München/Dachau:SPD kritisiert geplante MVV-Tarifreform

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Die große Auswahl am MVV-Fahrkartenautomaten erzeugt bei manchen Kunden auch große Ratlosigkeit. (Foto: Toni Heigl)

Für die Neuausrichtung des Nahverkehrssystems fordern die Genossen Flatrate-Tickets, eine Stadt-Umland-Bahn und ein einfacheres Zonensystem.

Von Wolfgang Eitler und Stefan Galler, München/Dachau

Der Münchner Verkehrsverbund (MVV) plant eine Strukturreform zum Tarifsystem, die im Jahr 2018 vorliegen soll. Vergangene Woche verwies der Lenkungsausschuss die Vorschläge der Arbeitskreise samt Korrekturen wieder an sie zurück. Entsprechend zurückhaltend fallen die Aussagen von offizieller Seite aus. Die SPD des Ballungsraums München will Bewegung in die Beratungen bringen und fordert ein strikt vereinfachtes Tarifsystem als "großen Wurf". Aber der Dachauer Landrat Stefan Löwl glaubt nicht, dass diese Idee funktioniert. Vor allem erachtet er sie als sozial ungerecht. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im Kreistag, Hubert Böck, kontert: "Vollständige Gerechtigkeit ist nie zu erreichen."

Die SPD-Fraktionen der Kreistage München, Dachau, Ebersberg, Erding, Fürstenfeldbruck und Starnberg schlagen Alarm: "Das, was wir bisher über die Tarifreform erfahren haben, entsetzt uns." Es sei lediglich eine Modernisierung beschlossen. "Wenn wir den öffentlichen Personennahverkehr als Vehikel für den Klimaschutz nutzen wollen, dann muss hier ein großer Wurf her", sagt beispielsweise Ingrid Lenz-Aktas, Vorsitzende der SPD-Kreistagsfraktion im Landkreis München.

Zwei Zonen: ein Innenraum, ein Außenraum

Die SPD-Politiker fordern ein Flatrate-Ticket, das schon aufgrund der Infrastruktur in München zwar nicht so günstig sein könne wie in Wien, aber doch attraktiv genug, um Menschen von der Straße auf die Schiene zu bekommen. Idealerweise soll der Landkreis München mit der Landeshauptstadt eine Tarifzone Innenraum bilden, die umliegenden Landkreise sollten die Tarifzone Außenraum darstellen. Für den Innenraum schlägt die SPD als Diskussionsgrundlage ein Jahresabonnement für 500 Euro vor. "In Wien betrifft das 365-Euro-Ticket nur die Stadt, bei uns wäre der Landkreis mit dabei." Auch "ein Preis für das ganze Jahr wäre auf alle Fälle gut".

Darüber hinaus mahnen die Sozialdemokraten an, dass man den Ausbau von Tangentialen, vor allem im Münchner Norden, nicht aus den Augen verlieren dürfe und auch eine Stadt-Umland-Bahn, die kreisförmig um die Landeshauptstadt herumführt, dringend noch einmal prüfen müsse. Deshalb sagt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Dachauer Kreistag, Hubert Böck aus Markt Indersdorf: "Neben einem einfacheren Tarifsystem benötigen wir den Ausbau des Netzes mit einem S-Bahn-Nordring und eine Taktverdichtung auf dem S-Bahn-Ast nach Altomünster." Die Grundsatzkritik lautet: "Unser Ziel, mehr Menschen in den MVV zu bringen, werden wir mit den Maßnahmen, die diskutiert werden, nicht erreichen."

Innerhalb der MVV-Arbeitskreis und auch des Lenkungsausschusses ist mittlerweile klar, dass viele Aspekte, die in den vergangenen Jahren von Fahrgastverbänden moniert wurden, nicht Teil der MVV-Tarifreform werden. So wird das bisherige System mit Ringen, Zonen, Streifen- und Einzelfahrkarten zwar modifiziert, aber in seinem Kern beibehalten werden. Münchens Oberbürgermeister Reiter hatte schon im November erklärt, eine Tarifreform ähnele der Quadratur des Kreises, sie sei "entweder einfach oder gerecht".

Paris als Vorbild

Dabei lagen Ideen und Modelle vor, die sich beispielsweise Paris zum Vorbild nahmen: Dort orientiert sich der Fahrpreis exakt an der zurückgelegten Strecke. Auch eine "Flatrate", die sich am Wiener Modell ausrichtet, wo man 365 Euro im Jahr bezahlt und die städtischen Verkehrsmittel nach Lust und Laune benutzen kann, wird in München nicht umgesetzt, so viel steht fest. Als zentrales Ziel ist nur geblieben, einheitliche Zeitkartenzonen innerhalb einer Stadt, beziehungsweise einer Gemeinde des jeweiligen Landkreises zuschaffen. Es soll nicht mehr - wie in Dachau der Fall - vorkommen, dass man zusätzliche Streifen für eine Fahrt benötigt, wenn man innerhalb einer Gemeinde ein Stück weiter von der Stadtmitte entfernt wohnt. Auch Busfahrten zu einem Bahnhof sollen günstiger werden, indem Zusatztarifzonen für Linienbusse abgeschafft werden.

Landrat Stefan Löwl (CSU) hält den SPD-Vorschlag auf ein vereinfachtes Zwei-Zonen-Tarifsystem für sozial nicht ausgewogen. Denn: "Die einfachste Lösung ist auch die ungerechteste." Bei nur zwei Tarifen müsste die SPD erst noch darlegen, wie sie beispielsweise Schüler, Studenten, Rentner oder Familien berücksichtigen wolle. Außerdem seien die Systeme der Großstädte nicht vergleichbar. In Paris etwa seien die Busse in den Verbund der U-Bahnen nicht integriert. "Aber eine Vereinfachung des Tarifsystems ist auf jeden Fall gerechter als das bisherige", sagt Hubert Böck, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD im Dachauer Kreistag. Rhetorisch fragt er: "Oder ist es gerecht, wenn ein Fahrgast im Münchner Innenraum einen einzigen Tarif hat und jemand aus Markt Indersdorf gleich zehn Zonen zahlen muss?"

© SZ vom 08.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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