Prozess:27-Jähriger gesteht Mord an Rentnerin

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  • Der 27-Jährige Arvid K. hat vor Gericht gestanden, eine 76-jährige Rentnerin getötet zu haben.
  • Als die Frau ihn mit ihrer EC-Karte erwischte, griff K. zu einem Messer und stach auf die Frau ein.
  • Sein Verteidiger argumentiert, der 27-Jährige sei im Affekt "komplett ausgerastet".

Von Benjamin Emonts, München/Dachau

Bereits nach dem ersten Prozesstag im Erdweger Mordfall besteht kein Zweifel mehr, dass der 27-jährige Arvid K. eine 76-jährige Rentnerin auf grausame Weise getötet hat. Der Anwalt des Angeklagten räumte am Landgericht München II die Tat in einer ausführlichen Stellungnahme ein.

Demnach hatte Arvid K. sein Opfer mehrfach mit einem Messer ins Gesicht und in den Hals gestochen. Den in der Anklage erhobenen Vorwurf, dass sein Mandant das Opfer gefoltert habe, um die Pin einer entwendeten EC-Karte zu erpressen, wies der Verteidiger zurück. Seine Strategie zielte darauf ab, die psychischen und sozialen Umstände zu beleuchten, unter denen Arvid K. sein Leben lang gelitten haben soll.

Dabei ging der Verteidiger detailliert auf die schwierige Jugend seines Mandanten sowie die unmittelbaren Umstände ein, die zur Tat führten. Demzufolge war Arvid K. bereits in der Grundschule ein Außenseiter, der wegen seines Übergewichts gehänselt wurde. Der soziale Abstieg verlief rasant. Zuletzt lebte der schwer drogenabhängige Mann in einem Container nahe der Erdweger Kläranlage. "Der Tiefpunkt war erreicht", so der Anwalt.

Was das Motiv sein könnte

In dieser Zeit lernte Arvid K. seine schwer alkohol- und drogenabhängige Freundin kennen. An diesem Punkt des Vortrags zeigte Arvid K. erstmals Regung, er weinte, vergrub den Kopf in seinen Armen. Zum Prozessauftakt ließ sich die Frau aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig entschuldigen. In der Liebe zur Freundin sieht der Verteidiger ein zentrales Motiv für die Tat.

Als die inzwischen schwangere Frau am 17. Oktober vergangenen Jahres wegen einer nicht beglichenen Strafe in Höhe von 1350 Euro ins Frauengefängnis Aichach gebracht wurde, "war das für meinen Mandanten eine Tragödie", führte die Verteidigung aus. Sämtlich Versuche scheiterten, den Betrag bei Eltern oder Verwandtschaft zu erbetteln.

Dann folgte der Nachmittag des 28. Oktobers. Er klingelte bei der ihm bekannten Rentnerin im Erdweger Ortsteil Großberghofen unter dem Vorwand, telefonieren zu müssen. Sie bot ihm einen Kaffee an, begleitete ihn auf Schritt und Tritt, sogar vor die Toilette. Als sie ihn doch kurz verließ, nahm er im Esszimmer das Portemonnaie aus der Tasche und entwendete eine EC-Karte.

Wie die Tat ablief

Die Rentnerin ertappte ihn und sagte: "Du Teufel, gib das her." K. nahm nun ein Messer vom Esszimmertisch und stach auf das Gesicht und den Hals der Rentnerin ein. Wie der Verteidiger weiter ausführte, habe sein Mandant mit dem Angriff nicht, wie in der Anklage behauptet, die Pin der EC-Karte erpressen wollen. Die Ziffern hätten auf der Karte geklebt. Der Angeklagte sei vielmehr im Affekt "komplett ausgerastet. Seine sämtliche Wut über die Verhaftung seiner Freundin hat sich entladen."

In der Anklageschrift wird die Tat weitaus grausamer und detaillierter geschildert. Um die Pin zu erpressen, soll Arvid K. ein Mauskabel aus einem Computer gerissen und sein Opfer damit von hinten gewürgt haben. Als die Erdwegerin durch die Gewalteinwirkung zu Boden ging, versetzte er ihr mehrere Faustschläge. Die Frau aber kam der Forderung nicht nach - bis der Angeklagte ihr mit einem mitgebrachten Messer einen Schnitt quer über das Gesicht zufügte.

Obwohl er die Pin nun wusste, kniete sich der Angreifer mit seinem gesamten Körpergewicht von 100 Kilo auf den Hals der 76-Jährigen und versetzte ihr mit dem Messer mehrere Stiche in Hals- und Gesicht. Die Frau konnte sich schwerst verletzt noch bis in den Flur retten. Dort stach der Mann dann weitere Male zu, insgesamt 14 Mal. Die Rentnerin, so heißt es in der Anklageschrift, starb letztlich am massiven Blutverlust in Kombination mit der Drosselungswirkung.

Wie Arvid K. vor Gericht wirkt

Während der Verlesung der Anklageschrift zeigte Arvid K. kaum Regung und stierte Richtung Staatsanwalt. Als eine deutlich ältere, ehemalige Nachbarin vor Gericht erzählte, der Angeklagte habe ihr ab und an Avancen gemacht, grinste Arvid K. und blickte der Frau zutraulich ins Gesicht. Er wirkte weitaus wacher, präsenter als noch vor etwa einem Jahr am Dachauer Amtsgericht.

Damals musste sich der siebenfach Vorbestrafte wegen des Besitzes von Cannabis, Sachbeschädigung und der Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige verantworten. Arvid K. machte da einen völlig abwesenden Eindruck. Sein Anwalt musste ihn wachrütteln.

Der zuständige Amtsrichter verurteilte ihn zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten. "Wenn Sie die Drogen in den Griff bekommen, ist das Gericht zuversichtlich, dass sie die Kurve kriegen", sagte der Richter. Sieben Tage später tötete der 27-jährige die Rentnerin. Der Prozess wird an diesem Freitag fortgesetzt.

© SZ vom 23.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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