Vorausgesetzt, Enzo macht keinen Stress. Er ist in Thalhausen der Zuchthengst und hat schon so manchen Nachwuchs gezeugt. Als die Wanderer die Tiere noch gar nicht kennengelernt haben, schlendert er plötzlich unaufgeregt um die Ecke. Enzo wird von den anderen Tieren isoliert, es sei denn, man braucht seine Dienste. Der Hang und das kleine Wäldchen neben der Mühle sind sein Revier, auf dem er frei herumstreunen darf.
Im Stall werden Elvis, Alois, Fee und wie sie alle heißen an die acht erwachsenen Teilnehmer samt Leine und Halfter verteilt. Eines vorweg: Alpakas sind keine Kuscheltiere und werden besonders an Kopf und Ohren ganz und gar nicht gerne gestreichelt. Sie sind eher die treuherzigen Gefährten, die stundenlang neben einem Menschen herspazieren und bestimmt auch zuhören würden, wenn sie denn unsere Sprache verstünden. Angenehme, unaufgeregte Zeitgenossen. Mit dieser Einstellung setzen sich die Gefährten dann auch in Bewegung, angeführt vom mallorquinischen Hirtenhund Lotti.
Vorsicht Enzo: Der Zuchthengst streift frei durch das Wäldchen neben der Weilachmühle und lauert auf Weibchen.
(Foto: Niels P. Joergensen)Doch jetzt kommt Enzo ins Spiel. Er wartet schon auf diesen Moment. Sobald die frisch gebackenen Pärchen das Gartentor verlassen, setzt der Hengst zu wilden Attacken an. Im ersten Moment denkt man sich: "Oh Gott, wäre ich doch daheim geblieben." Dann begreift man aber, dass Enzo großen Respekt vor Züchter Tesch hat, der sich entspannt in den Weg stellt. Die Reise geht weiter.
In der nächsten Viertelstunde lernen sich Mensch und Tier näher kennen, "sie bauen eine Verbindung auf", wie Tesch es nennt. Elena, die ihrer Ehefrau Sarah die Wanderung zu Weihnachten geschenkt hat, wird feststellen, dass ihr gut aussehender Alois eher gemütlich unterwegs ist und sich am liebsten mit einigen Metern Abstand am Ende des Zuges aufhält, was sie wiederum von ihrer Ehefrau trennt.
Die kleine Fee hat ein Herz für Charlie und will partout in seiner Nähe laufen. Der 29-jährige Fabian aus Augsburg, der Charlie führt und eigentlich mit seiner Freundin da ist, kommt so automatisch mit der Münchnerin Klara ins Gespräch, die ihrerseits mit Fee unterwegs ist. Die Reihenfolge der Herde legen die Alpakas fest.
So sind auch bei den Menschen soziale Fähigkeiten gefragt. Und Standfestigkeit. Die Tage vor der Wanderung hat es in Strömen geregnet. Jetzt läuft man durch ein frisch gepflügtes Feld, das mehr Sumpf als Acker ist. Der Hinweis, unbedingt wetterfeste Schuhe zu tragen, wird einem jetzt völlig klar. Der Spaziergang führt entlang der Weilach über Wiesen und Felder, durch einen Wald und vorbei an einem Jägerstand und kleinen Bächen. Der Biber hat einige davon in kleine Seenlandschaften verwandelt und eine große Roteibe über Nacht derart angenagt, dass man befürchten muss, sie könnte bald umfallen.
Am Himmel, darauf weist Tesch hin, kreist ein Fischreiher, der angeblich "Egon, der Fischtöter" heißt und hier sein Revier aufgeschlagen hat. Bei einem steilen Anstieg am Ende des Waldes, an dem es seitlich heftig bergab geht, zeigt sich, wie gut Tier und Mensch inzwischen harmonieren. So oder so ähnlich muss es sich wohl in den Anden anfühlen. Am Ende des Anstiegs wartet jedenfalls eine saftig grüne Wiese auf die Alpakas, auf der sie ausgiebig grasen dürfen. "Für sie ist das wie Schnitzel", erklärt Tesch.
Zurück an der Weilachmühle fehlt von Enzo zum Glück jede Spur. Im Stall dürfen die Erwachsenen den Alpakas noch ein Leckerli geben, bevor es Abschied nehmen heißt. Die meisten aber wollen im Sommer oder Herbst schon wieder kommen. Der 38-jährige Nicolai aus Kasachstan sagt: "Das war echt wunderschön. Das hätte ich nicht gedacht."