Kritik an CSU:Reischl: "Ich kämpfe gegen diesen Schmarrn an"

Lesezeit: 3 min

Der Hebertshausener Bürgermeister Richard Reischl hadert mit der CSU-Spitze - mal wieder. Auslöser dieses Mal: Der Streit um die Beschaffung der Luftreiniger für Schulen. Aus der Partei austreten will er aber vorerst nicht

Von Horst Kramer, Hebertshausen

Richard Reischl ist nicht nur verärgert. Er ist empört, daran lässt er keinen Zweifel. So empört, dass er ernsthaft über seinen Austritt aus der CSU nachdenkt. Es geht um die Ankündigung der Staatsregierung, die Beschaffung von Luftreinigungsgeräten für Schulen zu rund fünfzig Prozent zu finanzieren - den Rest sollen die Kommunen tragen. Eine Aktion, die nicht nur im Landkreis, sondern im ganzen Freistaat auf Ablehnung bei Kommunalpolitikern stößt. Reischl spricht von einer "Scheinsicherheit", die verunsicherten Eltern kurz vor den Ferien und im Zuge des Bundestagswahl suggeriert werden solle.

Für die Kommunen sei es eine weitere "Mogelpackung" der Staatsregierung. Denn klamme Gemeinden wie die seine seien schon mit der Finanzierung der restlichen Summe überfordert, von den Folgekosten ganz zu schweigen. Für die rund siebzig Unterrichts- und Aufenthaltsräume in der Hebertshausener Grund- und Mittelschule sowie in den Kinderhäusern rechnet Reischl mit Anschaffungskosten von mindestens 280 000 Euro, also 140 000 Euro für seine Gemeinde. Stromkosten und Wartung nicht gerechnet. Hebertshausen konnte schon im vergangenen Jahr keine Überschüsse im Verwaltungshaushalt ausweisen, heuer wird es nicht besser. "Wo soll ich das Geld hernehmen?", fragt der Rathauschef. "Und was soll ich den Feuerwehren sagen, wenn die ebenfalls Raumlüfter fordern?" Was Reischl besonders ärgert, ist die schiere "Sinnlosigkeit" der Maßnahme: "Das Bundesumweltamt hat schon im Februar die Wirkungslosigkeit solcher Geräte konstatiert!" Er wirft der Staatsregierung "Ahnungslosigkeit" und "Effekthascherei" vor und fährt fort: "Ich bin als Bürgermeister doch verpflichtet, sorgsam mit den öffentlichen Geldern umzugehen!"

Doch es geht Reischl um mehr. "Um die Ankündigungspolitik dieser Staatsregierung, auf der dann keine Taten folgen oder für die wir Kommunen in Haftung genommen werden." Etwa um das Versprechen des Ministerpräsidenten aus dem Sommer 2019, 30 Millionen Bäume pflanzen zu wollen. Oder um die Home-Office-Laptops für sechzig Prozent der Lehrerinnen und Lehrer, für die der Freistaat im vergangenen Jahr Mittel locker machte und die Kommunen in die Situation trieb, für die restlichen vierzig Prozent Geräte auf eigene Kosten zu besorgen. Seinem Unmut hat er nicht nur gegenüber der Presse kundgetan, er hat Mittwoch auch ein Statement auf Facebook veröffentlicht. Darin wirft er unter anderem "Superman Söder" vor, mit der Angst der Menschen Politik zu machen. Der Beitrag hat, Stand Donnerstag, mehr als 200 Likes.

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Im Hintergrund schwebt freilich noch ein alter Konflikt: Im Jahr 2018 hatte der Hebertshausener CSU-Bürgermeister bundesweit für Aufsehen mit einem "Brandbrief" gesorgt, in dem er die Parteispitze daran erinnerte, dass das "C" in der CSU für "christlich" und das "S" für "sozial" stünde. "Wir behandeln Menschen wie Dreck", mahnte er damals. Söder trat kurz darauf in Hebertshausen bei einem Jubiläum des dortigen Katholischen Burschen- und Mädchenvereins auf und erntete Jubelstürme. Reischl saß in der ersten Reihe und zeigte sich beeindruckt. Auch "von der Offenheit des Ministerpräsidenten", wie der Hebertshausener damals bekannte.

Inzwischen ist viel passiert. So viel, dass Reischl über seinen Parteiaustritt schon mit dem CSU-Kreisvorsitzenden, dem Landtagsabgeordneten Bernhard Seidenath, und Landrat Stefan Löwl gesprochen hat. Vizelandrat Helmut Zech (CSU) hat ihn angerufen. Klar, dass die lokale CSU-Spitze ihn halten will. Reischl selbst scheint unschlüssig, was er tun soll. "Meiner Meinung nach muss man ,Innen' sein, um etwas bewirken zu können", argumentiert er mit sich selber. Deswegen sei er ja CSU-Mitglied geworden. "Wenn ich jetzt austrete, schädige ich vor allem meinen Ortsverband und den Kreisverband. Beide haben mit den Problemen aber nichts zu tun", fährt er fort. Also doch kein Austritt? "Meine Überlegungen sind noch nicht abgeschlossen", lautet seine kryptische Antwort.

Dann baut er eine neue Argumentationskette auf. "Wir Kommunalpolitiker sind es doch, die der CSU ein sympathisches Gesicht geben." Er erinnert daran, dass er der einzige CSU-Bürgermeister im Dachauer Land ist, der mit einer absoluten CSU-Mehrheit regieren kann. Eine Konstellation, die es nicht einmal in Zechs tiefschwarzem Pfaffenhofen an der Glonn gibt, wo die CSU eine Liste mit Parteifreien bilden musste, um die Plätze füllen zu können. Reischls Gedanke lautet: Wie kann es mit der CSU weitergehen, wenn schon Bürgermeister wie er so frustriert sind, dass sie ans Aufhören denken. Dabei ist Reischl ein leidenschaftlicher Kommunalpolitiker, der auf einen langen Diskussionsprozess im Gemeinderat und möglichst einmütige Entscheidungen setzt.

Der Rathauschef steckt voller Pläne und Ideen, auf die er immer und gerne zu sprechen kommt. So will der Bürgermeister seinem Gremium einen Umweltrat vorschlagen oder auch ein Naturschutzteam ins Leben rufen. Zumindest vorerst will Reischl deshalb auch Parteimitglied bleiben, wie er auf Facebook schreibt: "Ich bleibe aber in der CSU, weil ich nicht gehe, wenn es schwierig wird, sondern ich mich auf die Hinterfüße stelle und gegen diesen Schmarrn ankämpfe, bis sich etwas ändert oder ich irgendwann wirklich nicht mehr kann!"

© SZ vom 09.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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