Unangemeldete Demos:Die Politik lässt die Polizei im Stich

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Die Polizei zog die Rollerfahrer aus dem Verkehr. (Foto: Uwe Anspach/dpa)

Wer von der Polizei verlangt, auf unangemeldeten Demonstrationen wie in Dachau Präsenz zu zeigen und die Regeln durchzusetzen, muss ihr auch die Mittel dazu geben. Das heißt vor allem genügend Beamte

Kommentar von Helmut Zeller

Man stelle sich vor: Es gibt eine AfD - und keiner kennt sie, die Weidel, den Höcke und den Gauland, ihre antidemokratische Hetze und ihre Corona-Leugnung, einfach deshalb weil Politik und Presse sie totschweigen, auch nicht darüber berichten, dass ein AfD-Politiker wie Markus Kellerer, im Dachauer Stadtrat macht er ohnehin eine eher blasse Figur, an der Demonstration gegen die Corona-Politik in Markt Indersdorf teilnahm. Ein verlockender Gedanke - aber einer, der sich verbietet, weil er antidemokratisch ist. Nicht deshalb, weil die AfD demokratisch gewählt wurde, das beweist noch nicht ihre Demokratiefähigkeit, die manche ihrer Spitzenfunktionäre durch ihre Äußerungen selbst in Frage stellen, sondern weil Demokratie vom Streit der Meinungen lebt, von der Meinungs- und Versammlungsfreiheit, aus gutem Grund, aus der schrecklichen Erfahrung der Nazidiktatur.

Aber wie begegnet man den rechtsextremen Gruppierungen und Parteien, die sich schon längst nicht mehr an die Corona-Proteste anhängen, sondern wie nun auch in Dachau sie organisieren oder initiieren - mit dem eigentlichen Ziel, die Demokratie abzuschaffen? Seit Jahren hat die Politik, vor allem die CSU, den Kopf in den Sand gesteckt. Wann immer über die Gefahr von Rechts gesprochen wurde, verwiesen konservative Politiker auf die Gefahr von Links. Jetzt aber ist es fünf nach zwölf: Die bayerische Staatsregierung jedoch tut nichts - und lässt die Sicherheitsbehörden im Stich. Seit Jahren klagt die Dachauer Polizei zum Beispiel über personelle Unterbesetzung, die Beamtinnen und Beamten sammeln immense Überstunden an. So ist die Situation: Nur acht Polizeibeamte sind bei dem Montagsspaziergang der Corona-Demonstranten im Einsatz, sie haben schon alle Hände damit zu tun, allein die Verkehrssicherheit der Teilnehmer zu gewährleisten. Das kann nicht so sein. Dachauer Kommunalpolitiker, allen voran Landrat Stefan Löwl (CSU), müssen darauf drängen, dass die Polizei in die Lage versetzt wird, adäquat nicht nur zu reagieren, sondern zu agieren. Im aktuellen Fall erfuhr die Polizei eine Stunde im Vorfeld von der als Spaziergang getarnten Demo von einem Außenstehenden. Konkret heißt das: Mehr Personal, an dem es schon vor Corona gefehlt hat, ist notwendig, um zum Beispiel die Posts und Strategien der Corona-Leugner im Internet verfolgen zu können.

Gerade auch in der Pandemie leistet die Dachauer Polizei einen überragenden guten Job. Sie ist tagtäglich aggressiven Corona-Leugnern ausgesetzt - und riskiert die eigene Gesundheit. Außer billigen Dankesworten sollte, und zwar rasch, die Politik endlich reagieren.

© SZ vom 15.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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