Karlsfeld:Gegen den Lärm am Himmel

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Tiefer, öfter, lauter: Die Karlsfelder protestieren gegen den zunehmenden Fluglärm. Bürgermeister Stefan Kolbe teilt die Kritik und sucht nun Hilfe bei einem einflussreichen Parteikollegen aus der Bundesregierung.

Gregor Schiegl

Bei Schönwetterlage fliegen die Flugzeuge manchmal im Minutentakt über die Köpfe der Karlsfelder hinweg - und nicht nur die Bürger haben den Eindruck, dass die Maschinen immer tiefer hereinkommen. "So weit unten wie jetzt waren die vor ein paar Monaten noch nicht", glaubt auch Bürgermeister Stefan Kolbe. Im Juni will er mit Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer über Möglichkeiten reden, wie seine Gemeinde vom Fluglärm entlastet werden kann.

Symbolbild: Die Tonfigur eines Schlafwandlers steht auf dem Dachfirst eines Hauses in Raunheim in der Einflugschneise des Flughafens von Frankfurt am Main. Darüber ist ein Flugzeug im Landeanflug zu sehen. Die Karlsfelder, die in der Einflugschneise des Münchner Flughafens wohnen, fühlen sich ähnlich. (Foto: dpa)

Am Mittwoch startete die Abteilung Umweltschutz des Flughafens München auf Wunsch der Gemeinde eine Fluglärmmessung in Karlsfeld, und zwar auf dem Gelände der gemeindlichen Pumpstation am Ende der Fliederstraße. Nach den Flugspuraufzeichnungen gibt es in diesem Gemeindebereich eine besonders hohe Dichte an Flugbewegungen. Die Flughöhe, ein zentraler Kritikpunkt der Bürger, wird dabei allerdings nicht gemessen.

Nach den Flugspurdaten liegen die Flughöhen über Karlsfeld bei rund 1300 bis 1600 Meter. Es soll über die Gemeinde, so behaupten Anwohner, aber auch schon Flüge auf 800 bis 1200 Metern Höhe gegeben haben. Günther Kasparek, Anwohner der besonders stark betroffenen Siedlung am Drosselanger, glaubt, dass die Piloten Karlsfeld "als visuellen Anflugpunkt" für den Flughafen München nutzen. Er fordert eine Flughöhe von 2000 bis 2300 Metern sowie eine Verlegung der Flugrouten um einen halben bis ganzen Kilometer - außerhalb des besiedelten Gemeindegebiets. "Meines Erachtens gibt es Alternativen."

Längst sind dies nicht mehr nur Überlegungen eines einzelnen genervten Privatmanns. Etwa 90 weitere lärmgeplagte Nachbarn haben sich seinen Forderungen mit ihren Unterschriften angeschlossen. Der Bürgermeister und die drei Rathausfraktionen haben das Schreiben erhalten, in dem es heißt: "In den letzten Jahren hat der Fluglärm über Karlsfeld derart zugenommen, dass er inzwischen für viele nicht nur unerträglich ist, sondern auch erheblichen Stress bedeutet."

Sogar nachts werde Karlsfeld mittlerweile überflogen, drei bis viermal.

Meine kleine Tochter wird regelmäßig aus dem Schlaf gerissen", klagt ein Anwohner der Münchner Straße auf dem Online-Gästebuch der Gemeinde. "Die ganze Nacht ist ein schweres, langes und sehr lautes Anfliegen von Flugzeugen zu hören." Er fragt, ob es sein könne, "dass die Flugzeuge nachts noch tiefer fliegen als tagsüber". Eine Anwohnerin des Sperberwegs, die Kaspareks Forderungen unterschrieben hat, sagt, sie hoffe, damit wenigstens verhindern zu können, dass es noch schlimmer wird mit dem Fluglärm. Doch groß, sagt sie, seien ihre Hoffnungen nicht.

Ein anderer Unterzeichner, ein italienischer Rentner, hat sich 1989 ein Häuschen an der Hochstraße gekauft; "ganz ruhig" sei es damals gewesen. "Das Leben heute ist natürlich anders als vor 20, 25 Jahren", sagt er. Doch dass nun alle ein bis zwei Minuten eine Maschine über sein Hausdach fliege, müsse auch nicht sein. Eine Frau berichtet, dass sie vor Jahren extra aus Perlach nach Karlsfeld gezogen sei, um dem Fluglärm zu entkommen. Nun hole sie der Lärm am Himmel hier wieder ein. Und natürlich fragten sich viele, wie das alles werden soll, wenn am Münchner Flughafen auch noch wie geplant eine dritte Start- und Landebahn gebaut wird - mit noch mehr Flugverkehr.

Initiator Günter Kasparek will indes Fluglärm und dritte Startbahn ausdrücklich nicht vermengen. "Mir geht es nur um eine Verringerung des Fluglärms." Die diplomatische Note dürfte wohl auch nicht dabei schaden, Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer als Verbündeten zu gewinnen. ( München)

© SZ vom 27.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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