Gutscheinsystem für örtlichen Handel:Die Kaufkraft soll in Dachau bleiben

Lesezeit: 4 min

Ralf Weimer (rechts) ist Geschäftsführer der neuen Gmbh. Unterstützung sagt ihm Wirtschaftsförderer Robert Danzer zu. (Foto: Toni Heigl; Privat)

Gewerbetreibende der Stadt haben eine eigene GmbH gegründet, um ein lokales Gutschein- und Jobkartensystem aufzubauen. Das Projekt erfährt breite Unterstützung

Von Jacqueline Lang, Dachau

Angefangen hat alles vor gut eineinhalb Jahren, mit dem Beginn Pandemie. Zunächst ging es lediglich darum, ein Informationsportal zu schaffen, auf dem Dachauer Händler sich und ihr auf die jeweilige Situation angepasstes Angebot präsentieren und Kunden schnell herausfinden konnten, ob ihr Lieblingsrestaurant liefert und wann es geöffnet hat. Ziemlich schnell entwickelte der landkreisweite Gewerbeverein "Dachau handelt" sich aber weiter: der Einkaufsgutschein, der Online-Christkindlmarkt oder das Crowdfundingprojekt "Spotlight on DAHoam" waren nur einige Ideen, um den Unternehmern durch diese wirtschaftlich schwierige Zeit zu helfen.

Nun, da die Zeichen auf Lockerung stehen und wieder ein Stückchen Normalität zurückkehrt ist, denkt der Verein keineswegs ans Aufhören. Im Gegenteil, er ist sogar noch einen Schritt weitergegangen und hat eine Tochterfirma gegründet. Wie von den Vereinsmitgliedern kürzlich einstimmig beschlossen, soll die "Dachau handelt GmbH" sich fortan um ein eigens für den Landkreis entwickeltes Gutschein- und Jobkartensystem kümmern.

Dem neuen Geschäftsführer Ralf Weimer, der bereits im Vorstand des Vereins sitzt, ist wichtig zu betonen, dass es sich nicht um ein Projekt handelt, dass auf Zuschüsse angewiesen ist, sondern eines, dass sich langfristig selbst tragen soll. Allein für die Gründung der GmbH - kurz für Gesellschaft mit beschränkter Haftung - hat der Verein Unterstützung sowohl von der Sparkasse sowie der Volksbank, dem Landkreis und der Stadt Dachau erhalten.

Newsletter abonnieren
:SZ Gerne draußen!

Land und Leute rund um München erkunden: Jeden Donnerstag mit den besten Freizeittipps fürs Wochenende. Kostenlos anmelden.

"Ein kommerzielles Projekt mit der Größenordnung eines Gutschein- und Jobkartensystems lässt sich wirtschaftlich und steuerrechtlich mit einer Gesellschaft viel einfacher umsetzen als mit einem Verein. Zudem schützen wir mit der Auslagerung in eine GmbH die Mitglieder und ihre Mitgliedsbeiträge", so Weimer zur Begründung für diesen Schritt. Die gemeinnützige Arbeit des Vereins solle die Gründung der GmbH aber nicht beeinträchtigen. Ohnehin kann man wohl von einer engen Zusammenarbeit ausgehen: Neben Weimer wurden Isabel Seeber und Marco Reichlmayr ebenfalls einstimmig als Prokuristen der neuen Gesellschaft bestätigt. Seeber ist die Erste Vorstandsvorsitzende des Vereins.

Die neue Gutschein- sowie die Jobkarte sollen noch in diesem Jahr an den Start gehen, Weimer rechnet damit im August oder spätestens September. Erstes könne man sich vorstellen wie ein klassisches Gutscheinsystem. Ander als der Gutschein, den es bereits zu Weihnachten zu kaufen gegeben habe, solle er aber wie ein tatsächlicher Gutschein fungieren, den man an allen teilnehmenden Akzeptanzstellen einlösen kann. Wenn auf der Karte beispielsweise 50 Euro gutgeschrieben seien, könne man also den gesamten Betrag in jedem teilnehmenden Geschäften beliebig zum Bezahlen verwenden. Den Restbetrag bekomme man nicht ausbezahlt, er verbleibe auf der Karte.

Die Jobkarte funktioniert nach demselben Prinzip - mit dem Unterschied, dass es sic h bei dem eingezahlten Geld auf der Karte um die 44 Euro steuerfreien Sachbezug handelt, die Unternehmen ihren Angestellten zukommen lassen dürfen. Der Vorteil, den die Jobkarte aus Sicht von Weimer für Unternehmer wie den gesamten Landkreis mit sich bringt: "Auf diese Weise können wir die Wertschöpfungskette im Landkreis halten." Geld, das im Landkreis erwirtschaftet wird, wird im Idealfall in Zukunft also auch wieder im Landkreis ausgegeben. Bei bereits gut 700 Arbeitnehmern von zwölf Unternehmen aus dem Landkreis, die Interesse bekundet haben, das System bereits zu Beginn zu nutzen, kommt Weimer jährlich schon jetzt auf eine Summe von einer halben Million Euro. "Ich denke, die Zahlen sprechen schon jetzt für sich."

Damit die beiden Karten möglichst attraktiv für Kunden wie Unternehmen sind, müssen möglichst viele Akzeptanzstellen gewonnen werden, in denen man mit dem Gutschein bezahlen kann. Das können lokale Einzelhändler, Gastronomen oder Dienstleister sein. "Mit jedem Arbeitgeber und mit jeder Akzeptanzstelle wird die Dachau-handelt-Karte attraktiver und die Kaufkraft, die wir im Landkreis halten können mehr", so Weimer. Er rechnet damit, dass es zum Start im Herbst 50 bis 70 Stellen geben werde. Mit Blick auf Weihnachten hofft er aber auf weitaus mehr. Allerdings gibt er zu bedenken, dass solch ein "Mammutprojekt" eben auch seine Zeit brauche. So wird es die Karten frühestens von 2022 an in digitaler Form geben. Die haptische Karte hat allerdings für Firmen den Vorteil, dass sie diese ganz nach ihren Wünschen designen können. Für teilnehmende Unternehmen, die aktive Mitglieder des Vereins sind, ist die Installationsgebühr kostenlos, allein die Materialkosten für die Karte werden dann fällig. Auch das Finanzierungsmodell für die Gesellschaft selbst ist laut Weimer denkbar einfach und vergleichbar mit der einer Kreditkarte: Für jede Transaktion würden Gebühren fällig, die zum einen an den Systembetreiber, zum anderen eben an die GmbH entrichtet würden.

Die Frage ist natürlich etwas müßig, trotzdem drängt sie sich auf: Wären all diese Steine auch ohne die Coronakrise ins Rollen gekommen? Davon ist Weimer grundsätzlich überzeugt, trotzdem sieht er zwei wichtige Faktoren für den Erfolg von Dachau handelt. Zum einen die Solidarität, die vor allem zu Beginn der Pandemie unter allen Gewerbetreibenden geherrscht habe. "Wir haben gemerkt: Wir müssen zusammenhalten - es bringt nichts, wenn jeder sein eigenes Süppchen kocht", sagt Weimer. Krisenbedingt hätten außerdem plötzlich Parteien gemeinsam an einem Tisch gesessen, die so vielleicht sonst nicht zusammengekommen wären. Ein zweiter wichtiger Faktor sei die Geschwindigkeit. Seitens des Landkreises und der Großen Kreisstadt sei einiges plötzlich auf dem "schnellen Dienstweg" erledigt worden, was zuvor womöglich Monate gedauert hätte.

Tatsächlich scheint die Begeisterung für die Arbeit des Vereins und der neu gegründeten GmbH ungebrochen: Das Ziel, mittelfristig rund eine Millionen Euro an Kaufkraft zu binden, begrüße man, heißt es auf Nachfrage von Seiten des Landratsamts. Vor allem wenn dies mit einer "professionellen, nachhaltigen Lösung" wie der GmbH-Gründung gelinge. Auch der neue Dachauer Wirtschaftsförderer Robert Danzer ist voll des Lobes: Vergleichbare Initiativen gebe es deutschlandweit in vielen Städten bereits seit Längerem, "sie stärken vor allem über Citymarketing den Einzelhandel und die Innenstädte". Wichtig dabei sei immer, dass die Eigeninitiative wie im Fall von Dachau handelt von den Gewerbetreibenden selbst komme. Die Wirtschaftsförderung unterstütze schließlich lediglich "organisatorisch, finanziell und konzeptionell".

Bleibt nur noch eine letzte Frage: Hat der Verein, ohne den ja letztlich auch die GmbH nicht zu denken ist, tatsächlich über die Krise hinaus einen Mehrwert für Mitglieder wie potenzielle Kunden? "Unser Portal wird nicht bleiben wie es jetzt ist", sagt Weimer. Vielmehr werde man in den kommenden Wochen und Monaten den Fokus verlagern: weg von einem reinen Informationsportal hin zu einem digitalen Marktplatz, auf dem sich Firmen - auch jene, die "mit der Digitalisierung noch hinten dran sind" - sich im Netz optimal präsentieren könnten. Die Wirtschaftsförderer seien in diesen Prozess mit eingebunden, bestätigt Danzer. Eine "Dachau-handelt-Plattform 2.0" ist also längst in Planung - ganz unabhängig vom Pandemiegeschehen.

© SZ vom 24.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusIsraelische Generalkonsulin
:"Jeder Deutsche sollte Israel besuchen"

Generalkonsulin Sandra Simovich verlässt Deutschland. Ein Gespräch über erstarkenden Antisemitismus, den Umgang mit der Meinungsfreiheit und Schüler, die die Politik Israels mit der des NS-Regimes vergleichen.

Interview von Helmut Zeller und Thomas Radlmaier

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: