Vortrag über den Urzustand des Flusses:Die Glonn und ihre Geschichte

Lesezeit: 3 min

In der Neuzeit, als sich am mäandernden Gewässer zahlreiche Mühlen ansiedelten, versumpfte das Uferland. Doch die Begradigung des Flusses brachte noch mehr Nachteile mit sich

Von Horst Kramer, Petershausen

Es ist noch gar nicht so lange her, da war die Glonn ein breiter Bach mit vielen Seiten- und Altarmen, der sich gemächlich durch das Dachauer Land in Richtung Amper bewegte. Lydia Thiel, langjähriges Mitglied beim Bund Naturschutz (BN) und Grünen-Gemeinderätin in Petershausen, zeigte beim jüngsten Treffen der Petershausener Naturschützer historische Fotos aus den 1920er-Jahren, die den Zustand des 50 Kilometer langen Flüsschens vor der Begradigung der Glonn dokumentieren. Doch wer meinte, dies wäre der "Urzustand" der Glonn gewesen, wurde im Laufe des Abends eines Besseren belehrt.

Thiel und Ralf Schüpferling, der neu gewählte Erste Vorstand der Petershausener BN-Gruppe, erzählten den interessierten Zuhörern "Warum es hier ausschaut, wie es ausschaut". Gemeint war nicht die Ortsentwicklung Petershausens, sondern das Landschaftsbild entlang der Glonn. Schüpferling referierte dabei über die erdgeschichtlichen Entwicklungen, Thiel über die Auswirkungen der Besiedlung.

Schüpferling stieg im Tertiär ein, als sich vor 50 bis 30 Millionen Jahren die Alpen auffalteten und zu ihren Füßen die Reste des Ur-Meeres Thetys allmählich zurückzogen. Eine lange Periode, in der hierzulande "vier Meter große Hauerelefanten und Säbelzahnkatzen durch eine Landschaft mit Zimtbäumen und Sumpfzypressen streiften", zitierte der Petershausener die kürzlich zu Ende gegangene Ausstellung "Molassic Park" des Münchner Museums Mensch & Natur. Interessantes Detail: Vor rund zehn Millionen Jahren wuchsen hier schon Buchen, aber auch Ginkgo-Bäume.

Vor rund 100 Jahren war die Glonn so flach, dass die Landwirte mit Pferdekarren hineinfahren konnten, um Kies herauszuschaufeln. (Foto: Wasserwirtschaftsamt)

Den "Feinschliff" erhielt das Alpenvorland durch die letzte Eiszeit, so Schüpferling, die vor rund 125 000 Jahren einsetzte und gegen 10 000 v. Chr. langsam ausklang. Der BN-Fachmann berichtete von Gletschern, die Geröll ins Voralpenland schoben - die Ursache für die große Münchner Schotterebene. Das Wasser der abschmelzenden Gletscher speiste wohl nicht nur Iller, Lech, Isar und Inn, sondern auch die Glonn, die vor 10 000 Jahren deutlich mächtiger war als heutzutage - wie an der Breite des Glonntals zu erkennen ist.

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Anhand von Luftbildern und Karten wies Schüpferling nach, dass auch die kleinen Seitenbäche der Glonn - wie der Kollbach - eine landschaftsformende Kraft hatten. "Die potenzielle natürliche Vegetation" am Ende der Eiszeit setzte sich wohl aus großen Buchenwäldern, Hainbuchen- und Stieleichenwäldern zusammen. An den Flussufern hatten sich Schwarzerlen- und Zitterpappelauwälder gebildet - übrigens nicht nur an der Glonn, sondern auch an Amper und Iller, so Schüpferling.

Heute ist die Glonn zumindest bei Asbach grün und zugewachsen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

"Die ersten Menschen siedelten sich in der Jungsteinzeit vor rund 5000 Jahren an der Glonn an", erzählte Lydia Thiel. Einen großen ökologischen Einfluss hätten sie wohl nicht gehabt, dazu seien es einfach zu wenige gewesen. Doch das änderte sich langsam in der Bronzezeit, also etwa 2200 bis 1200 v. Chr. Damals begannen die Bewohner mit Rodungen, das Land nutzbar zu machen. Vor allem die Kelten, die von 800 v. Chr. an an der Glonn lebten, hatten laut Thiel maßgeblichen Einfluss auf die Landschaft. "Damals lebten hier vermutlich fast so viele Menschen wie heute", spekulierte die Lehrerin. Menschen, deren wichtigstes Material Holz war. Deshalb holzten sie große Bereiche ab. Bekannt ist das "Oppidum Manching", eine keltische Siedlung für rund 10 000 Einwohner, die auf 380 Hektar lebten. Die Römer hinterließen zwar auch einige Spuren, vornehmlich entlang ihrer Straßen, doch die Glonn schien für sie keine Bedeutung gehabt zu haben, so Thiel.

Die Glonn war ein mäandernder Fluss. In der Neuzeit veränderte sich ihr Charakter jedoch erheblich. Der Grund: Zahlreichen Mühlen siedelten sich entlang des Wasserlaufs an. Zu Beginn des vorigen Jahrhunderts seien es 24 gewesen, berichtete Thiel. Sie nutzen die Wasserkraft zum Getreidemahlen und zum Holzsägen. Das Probelm: Vor den Mühlen staute sich das Wasser, Überschwemmungen waren die Folge. Das Uferland versumpfte und war nicht mehr landwirtschaftlich nutzbar, so die Grünen-Gemeinderätin. Dies führte zum radikalsten Eingriff, den die Glonn in ihrer Historie erfahren hat: die Begradigung in den 1920er-Jahren. "Eine gigantische Maßnahme", sagte Thiel. Zigtausende Menschen hätten daran mitgearbeitet.

Es entstand eine Art Kanal, der immer wieder von Staustufen unterbrochen war, zahlreiche Lebensräume für Tiere und Pflanzen verschwanden. Die Wasserqualität wurde immer schlechter. "Der Tiefpunkt war vor rund 30 Jahren erreicht", sekundierte der BN-Kreisgruppenchef Roderich Zauscher, mit dem Thiel zahlreiche Renaturierungsmaßnahmen in den vergangenen Jahrzehnten angestoßen hat. "Seitdem wird es langsam besser", fuhr Thiel fort. Allerdings bliebe noch viel zu tun.

© SZ vom 11.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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