Verkehr:"Straßenbau löst unsere Probleme nicht"

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Der Verkehr im Landkreis Dachau wird auch in Zukunft zunehmen. Eine Entspannung bringen weder neue Straßen noch der Ausbau bestehender Achsen. Die Frage ist: Wie kann die Belastung einigermaßen erträglich werden?

Von Jacqueline Lang, Dachau

Das Thema Verkehr ist ein politischer Dauerbrenner. Ein Gesamtverkehrskonzept für den Landkreis Dachau sowie ein interkommunales Verkehrskonzept für den gesamten Raum München Nord sollen dabei helfen, den Verkehr besser zu lenken und das am besten umweltverträglich. Es dürfte Jahre dauern, bis auch nur ein Teil der im Verkehrs-, Umweltausschuss und Kreisausschuss vorgestellten Ideen umgesetzt werden wird. Fraktionsübergreifend drängen die Kreisrätinnen und Kreisräte deshalb darauf, zumindest so schnell wie möglich in die konkrete Planung überzugehen.

Ulrich Rückert vom Münchner Beratungsunternehmen Intraplan Consult stellte den Kreisräten zunächst die Ergebnisse des Konzepts zum motorisierten Individualverkehr, kurz MIV-Konzept, vor. Mit dessen Erarbeitung war Intraplan im Herbst 2017 beauftragt worden. In der Zwischenzeit wurden unter anderem auf Grundlage eines Bürgerdialogs verschiedene Maßnahmen ausgearbeitet, die den Pkw-Verkehr im Landkreis besser steuern und die Ortszentren entlasten sollen. Das Ergebnis ist ernüchternd: "Als Fazit kann resümiert werden, dass weder durch die geplanten Ausbauprojekte des Bundesverkehrswegeplans noch des Staatsstraßenausbauplans eine spürbare Entlastung der Straßeninfrastruktur im Landkreis Dachau zu erwarten ist. Regional betrachtet bleiben die Hauptverkehrsrouten - insbesondere zu den klassischen Stoßzeiten - stark ausgelastet." Trotzdem rät Rückert dazu, einzelne Maßnahmen wie etwa Umfahrungen der Gemeinden Röhrmoos oder Petershausen umzusetzen, um "Möglichkeiten zur Entlastung des lokalen Verkehrsaufkommens" zu bieten und die "innerörtliche Aufenthaltsqualität" zu verbessern.

Weiter empfiehlt Rückert eine Straße im Korridor zwischen Dachau, Markt Indersdorf, Röhrmoos und Hebertshausen. Hierfür nimmt der Gutachter an, dass bis 2030 die bereits geplanten Maßnahmen hinsichtlich des Ausbaus der A 92 samt Anschlussstelle Oberschleißheim sowie den vierstreifigen Ausbau der B 471 von der Anschlussstelle Oberschleißheim in Richtung Dachau fertiggestellt werden. In diesem Fall setzte der Gutachter voraus, dass die Ostumfahrung der Stadt Dachau samt der Südumfahrung Hebertshausen sowie die Nordumfahrung gebaut sind.

Zudem haben Rückert und sein Team die möglichen Auswirkungen eines Ausbaus der Nord-Süd-Achse von Markt Indersdorf über Straßbach, Großinzemoos, Arzbach und Prittlbach bis zum nördlichen Beginn der Ostumfahrung Dachau geprüft - in einer der beiden möglichen Szenarien auch ohne die geplante Südumfahrung in Hebertshausen. Durch ebendiese Verbindung könnte zwar laut den Gutachtern eine gewisse Entlastung der Achsen westlich der Staatsstraße 2050 sowie östlich durch Ampermoching beziehungsweise Hebertshausen erzielt werden. Die Umsetzung der möglichen Verbindung vom nördlichen Ende der Ostumfahrung der Großen Kreisstadt Dachau bis nach Markt Indersdorf stellt sich aus Sicht der Kreisverwaltung allerdings als schwierig dar.

Dem Landkreis selbst fehlt die Zuständigkeit, so dass die Kommunen vor Ort die Planungen anstoßen und vorantreiben müssten. "Der Wille bezüglich der politischen Umsetzbarkeit vor Ort ist jedoch fraglich", heißt es dazu in der Beschlussvorlage. Die Gemeinde Röhrmoos habe aufgrund der zu erwartenden erheblichen Verkehrszunahmen in Sigmertshausen sowie Arzbach bereits ihre Ablehnung signalisiert. Gleichzeitig scheint ein derartiges Infrastrukturprojekt aufgrund der coronabedingten Haushaltssituation nicht "vermittelbar und durchsetzbar", so dass die Kreisverwaltung zum jetzigen Zeitpunkt vorschlägt, diese Idee nicht weiter zu vertiefen.

"Der Straßenverkehr wird nicht weniger werden. Die Frage bleibt, wie kann man ihn verträglicher gestalten", fasste Rückert abschließend die Ergebnisse für die Neugestaltung von Ortsdurchfahrten zusammen. Wichtig sei, dass es sich dabei immer nur um Einzelfalllösung handeln könne und für das Gelingen vor allem die Kommunikation mit den Bürgern beziehungsweise aller Verkehrsteilnehmer untereinander unabdingbar sei. Erreichen könne man eine Verbesserung durch maximal 800 Meter lange Abschnitte mit sehr niedriger Geschwindigkeit und Fußgängerwegen, die zwar als solche erkennbar, aber nicht durch einen enormen Höhenunterschied von der Fahrbahn abgegrenzt seien. Landrat Stefan Löwl (CSU) verwies auf seine baden-württembergische Heimat, wo das vielerorts längst gängige Praxis ist.

Franz Obesser (CSU), Bürgermeister von Markt Indersdorf, sagte, bereits vor 40 Jahren habe man erstmals über eine Umfahrung von Markt Indersdorf diskutiert - bislang ohne Ergebnis. Sein Appell laute daher: "Pack ma's an." Es dürften nicht weitere Jahrzehnte zu Lasten der Bevölkerung vergehen. Löwl ergänzte hierzu noch, dass tatsächlich seit der Umfahrung bei Pfaffenhofen an der Glonn im Jahre 1990 keine überregionale Straße mehr gebaut worden sei. Der Dachauer Oberbürgermeister der Florian Hartmann (SPD) interessierte sich dafür, mit welchen Kosten die Maßnahmen verbunden sind und gab zu bedenken, dass wenn der Landkreis in der Verantwortung sei, dieser aufgrund der finanziellen Belastung etwa durch die beiden geplanten Gymnasien nicht "großartig mit Investitionen einsteigen" könne. Wenn der Freistaat verantwortlich sei, müsse man damit rechnen, dass noch einmal 30, 40 Jahre vergehen könnten. Rückert sagte, zu den Kosten könne er nichts sagen, hierfür müsse zunächst eine Machbarkeitsstudie durchgeführt werden, eventuell mit dem Freistaat zusammen. Landrat Löwl prognostizierte, dass die Planungszeit zehn Jahre dauern werde, aber gerade weil es so lange dauere, dürfe man keine Zeit verschwenden. Schlussendlich stimmten alle Kreisräte dafür, die Konzepte weiter auszuarbeiten.

Florian Haas, im Landratsamt zuständig für Kreisentwicklung, stellte im Anschluss die Ergebnisse des interkommunalen Verkehrskonzepts vor, das 2018 von insgesamt 30 Kommunen unter finanzieller Unterstützung des Freistaats in Auftrag gegeben wurde. Auch hier sei man zu dem Ergebnis gekommen: "Straßenbau löst unsere Probleme nicht." Aus vier möglichen Szenarien für ein interkommunales Verkehrskonzept haben die Beteiligten sich für das vierte Szenario entschieden, den "Offensiven Umweltverbund". Hierbei soll vor allem weiter in den ÖPNV, aber auch in Radwege investiert werden und möglicherweise sogar Mauten zum Einsatz kommen. Damit, so das Ergebnis, könne der Autoverkehr um sieben Prozent reduziert und dafür der Verkehr mit öffentlichen Nahverkehrsmitteln sowie dem Fahrrad um vier beziehungsweise drei Prozent gesteigert werden. Löwl sagte, ihn hätten diese Zahlen "erschreckt", weil sie zeigten, dass das Verkehrsaufkommen am Ende doch signifikant nicht weniger werde. Eine Pilotprojekte, wie die Busverdichtung in Altomünster sollen erste Aufschlüsse über die tatsächliche Umsetzbarkeit des Konzepts geben.

Wichtig, so Haas, sei die "Verstetigung" der Zusammenarbeit. Um diese voranzutreiben wurde eine Steuerungsgruppe geschaffen. Hier werde gemeinsam mit dem Planungsverband (PV) München die Umsetzung der Pilotprojekte vertieft und an der weiteren Verbesserung der Vernetzung gearbeitet. Das koste allerdings auch Geld. Für einen "adäquaten Handlungsspielraum" müssen die drei beteiligten Landkreise sowie die Landeshauptstadt München jeweils 25 000 Euro einplanen. Sowohl die Landeshauptstadt als auch die Landkreise Freising und München haben hierzu bereits die Zustimmung in den jeweiligen Gremien eingeholt. Auch die Kreisräte gaben für den Zeitraum von maximal drei Jahren ihre Zustimmung.

Löwl sagte, er begrüße die Zusammenarbeit sehr, denn zuvor habe jede Gemeinde "mehr oder weniger rücksichtslos" für sich geplant, nun gebe es die Möglichkeit, für gemeinsame Gutachten und Planungen. Karlsfelds Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) nannte die geplante Verlängerung der Trambahnlinie 20 in den Landkreis als gutes Beispiel für interkommunale Zusammenarbeit. Allerdings gab er zu bedenken: "Irgendwann müssen wir das alles auch mal umsetzen."

© SZ vom 29.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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