Biber:Auch bei Bibern herrscht Wohnungsnot

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Eine Bibermutter mit ihren Jungtieren im Schlepptau schwimmt durchs Wasser. (Foto: Harald Geiger)

Dachau gilt als "Biberlandkreis" - 600 bis 700 der Nager leben hier. Das war nicht immer so, erst seit wenigen Jahrzehnten sind die Tiere hier wieder heimisch.

Von Gabriele Blaschko und Gregor Schiegl, Dachau

Mehr als 100 Jahre lang war der Biber aus Bayern verschwunden, das letzte Exemplar im Freistaat wurde im Jahr 1867 erschossen. Inzwischen paddeln sie längst wieder durch die Amper, bauen Dämme in den Auwäldern, und sogar in Dachauer Gärten tauchen sie auf, angezogen von plätschernden Zierteichen. Sabine Schöttl, Leiterin der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) am Landratsamt, spricht vom "erfolgreichsten Ansiedlungsprojekt im Landkreis". Schätzungsweise 600 bis 700 Biber leben wieder hier.

Bis in die 1980er Jahre gab es keine Biber mehr in Bayern. Pelzjäger hatten die Tiere ausgerottet. Das extrem dichte Fell wurde früher zu Mützen und Kragen verarbeitet, ihr Drüsensekret, das sogenannte Bibergeil, fand Verwendung als natürliches Schmerzmittel. Das braucht man heute nicht mehr, der Wirkstoff wird längst künstlich hergestellt. Außerdem steht der Biber unter strengem EU-Schutz. Das findet der Vorsitzende des Bunds Naturschutz im Landkreis, Roderich Zauscher, auch richtig so, obwohl man schwerlich behaupten kann, die Tiere wären im Landkreis noch akut gefährdet.

Zu Konflikten kommt es nur vereinzelt

Als die ersten Tiere zurückkehrten und ihren natürlichen Tätigkeiten nachgingen - Nagen, Buddeln, Stauen - war die Begeisterung bei manchen Menschen schnell wieder verflogen. Landwirte ärgerten sich über unterhöhlte Böschungen, abgenagte Gehölze und Wiesen, die auf einmal unter Wasser standen. Mit dem Biber zu leben, daran musste man sich auch im Landkreis Dachau erst wieder gewöhnen. Wenn die obersten Naturschützer des Landkreises die Lage nicht zu rosig malen, funktioniert die Koexistenz weitgehend friedlich.

Wo es zu Konflikten zwischen Mensch und Biber kommt, greift das "Bibermanagement" des Landkreises. Mit den vier Säulen Beratung, Prävention, Zugriff und Ausgleich will man der Situation Herr werden. Zu dieser Lösung gehören auch sieben Biberberater, die im Dienst der Unteren Naturschutzbehörde des Landratsamts stehen. Die speziell geschulten Naturschützer arbeiten ehrenamtlich als "verlängerter Arm" der Behörde. Wenn die Tiere Wiesen unter Wasser setzen, Böschungen untergraben oder Bäume anknabbern, sind sie diejenigen, die ausrücken, um die Schäden zu begutachten, damit diese gegebenenfalls durch Mittel aus dem staatlichen Biberentschädigungsfonds ausgeglichen werden.

Oft sind die Betroffenen erst einmal recht aufgebracht, dann heißt es für die Biberberaterin "zuhören, zuhören, zuhören". Biberberaterin Barbara Karcher gibt Ratschläge, wie Eigentümer ihre Grundstücke "biberfest" machen können. Die Mittel dafür reichen vom Elektrozaun bis zum Verbissschutzmittel. "Wir beraten und klären auf", sagt sie. Rufbereitschaft hat sie rund um die Uhr.

Selten gehören auch Entnahmen zum Management

Immer wieder zeige sich, dass die tatsächlichen Schäden längst nicht so gravierend seien, wie Grundeigentümer zuerst meinten. In 80 bis 90 Prozent der Fälle ließen sich die Konflikte durch kleinere Maßnahmen lösen, so Biberberaterin Karcher. Abschüsse seien die absolute Ausnahme. Manchmal ließen sie sich aber nicht vermeiden. Wenn ein Biber eine Straße untergrabe zum Beispiel, "dann wird es gefährlich". Früher fing man die Tiere noch ein und verschickte sie in andere Länder. Doch Biber haben auch andere Regionen Europas inzwischen genug. Jäger, die speziell für diese Aufgabe ausgebildet sind, schießen sie deshalb.

Zum Bibermanagement des Landkreises gehört eine sogenannte Brennpunktkarte. Die dort eingetragenen Zonen bestimmen die zu ergreifenden Maßnahmen. Neben grünen Zonen (geeigneter Biberlebensraum) und gelben (unklar - Situation muss im Einzelfall betrachtet werden) gibt es vereinzelt auch rote Zonen. Rote Zonen bedeuten "ungeeigneter Biberlebensraum" aufgrund schlechter Bedingungen oder "erheblicher Schäden und Gefahren", wie es im Bibermanagementkonzept heißt. Dazu gehören etwa Kläranlagen, erklärt UNB-Leiterin Sabine Schöttl. Biber stören sich nicht an den Fäkalien, immer wieder nisten sich Biber ein, was aber die Funktion der Anlagen stören kann. Dann müssen die Tiere entfernt werden.

Dachau ist ein Biber-Paradies

Der Landkreis bringt ideale Bedingungen für die Biber mit: viele Fließgewässer, an denen sie ihre Burgen bauen können, landwirtschaftliche Flächen, die ihnen fast ganzjährig ein leckeres Büfett bieten. Mit Raps, Zuckerrüben und Mais, dessen Stängel inzwischen auch ein begehrter Werkstoff im Dammbau der Dachauer Biber sind. Die beste Wohngegend für sie ist das Naturschutzgebiet (europäisches Fauna-Flora-Habitat-Gebiet) zwischen Ottershausen und Haimhausen. Natürliche Feinde haben sie nicht - außer ihre eigenen Artgenossen.

Bei Revierkämpfen fügen sich Biber mit ihren scharfen Zähnen manchmal so schwere Verletzung zu, dass sie daran sterben. Gefährlich sind für sie auch Autos. Gerade jetzt sind wieder viele Jungtiere unterwegs, die auf der Suche sind nach einem freien Revier. Die gibt es eigentlich nicht mehr im Landkreis, auch bei den Bibern herrscht Wohnraummangel. Laut Barbara Karcher rücken die Tiere inzwischen schon zusammen, ihre Domänen werden kleiner, manchmal liegen zwischen zwei Biberburgen nur noch wenige hundert Meter. Damit scheinen die Tiere sich arrangiert zu haben, denn die Spuren brutaler Revierkämpfe, die für Biber auch tödlich enden können, hat sie in den vergangenen Jahren kaum noch gesehen.

"Ungemein viele positive Effekte"

Das Besondere am Biber ist, dass er sich seinen Lebensraum auch selber schafft. "Der Biber hat ungemein viele positive Effekte", sagt Roderich Zauscher vom Bund Naturschutz, "Biber sind insgesamt wertvolle Landschaftsgestalter." Sie fördern Grundwasserentstehungsräume, von denen auch andere Tiere profitieren, wie Amphibien und Schmetterlinge. Auch bei der Renaturierung des Dachauer Mooses spielen die Tiere eine entscheidende Rolle. Durch ihre Arbeit am Wasser tragen sie dazu bei, die Flächen wieder zu bewässern. "Er ist ein treuer Freund und wertvoller Verbündeter", sagt Zauscher.

Die positiven Auswirkungen des Bibers werden bereits bei den Jüngsten bekanntgemacht. Aufklärungsarbeit gibt es mittlerweile sogar schon in Grundschulen. Man wolle "über die Kinder Akzeptanz fördern", sagt Barbara Karcher. Das Bewusstsein wachse.

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:"Wir können ihn nicht mehr ausrotten"

Barbara Karcher ist Biber-Beraterin im Landkreis Dachau. Bis zu 700 der Nagetiere leben hier, ihre Burgen rücken immer näher zusammen. Bei einem Rundgang entlang der Amper zeigt Karcher zahlreiche Schäden - und ganz frische Spuren.

Von Gabriele Blaschko

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