Dachau:"Da reicht kein Falke, das müsste schon fast ein Adler sein"

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Die Krähen bevölkern Bäume an verschiedenen Orten in Dachau und bauen dort ihre Nester in die Äste. (Foto: Toni Heigl)

Die Saatkrähen-Population in Dachau wächst seit Jahren an - ihr Lärm und Schmutz sorgt bei vielen Einwohnern für Ärger. Doch die Stadt ist bislang machtlos gegen die geschützten Vögel.

Von Thomas Radlmaier, Dachau

Dachau ist machtlos gegen einen Vogel. Seit Jahren versucht die Stadt, die Zahl der Saatkrähen in Dachau durch Vergrämungsmaßnahmen zu verringern. Doch sie findet kein Mittel gegen die Tiere, die in Kolonien Bäume bevölkern und nach Meinungen vieler Einwohner zu viel Lärm und Dreck verursachen. Jetzt brachte Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) als Ultima Ratio die gezielte Jagd auf Saatkrähen in Spiel: "Ohne drastischere Maßnahmen - und das bedeutet den Abschuss der Vögel - wird nichts passieren", sagte Hartmann in der Sitzung des Umwelt- und Verkehrsausschusses.

Die Saatkrähen rufen seit Jahren Unmut in Dachau hervor. An fast 20 Orten in der Stadt sind sie inzwischen heimisch und bauen ihre Nester in die Bäume. Die Zahl der Brutpaare ist nach Angaben der Stadtverwaltung seit 2016 von 202 auf 519 angestiegen. Stadtrat Wolfgang Moll (Wir) spricht von einer "Krähenplage", die "unerträgliche Ausmaße" annehme. Die Population sei enorm gewachsen, sagte Moll, der neben Lärm- auch auf "Hygieneprobleme" hinwies, welche die Krähen verursachen würden. "In diesem Sommer war es besonders krass."

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"Was ist dem Gesetzgeber wichtiger: Mensch oder Tier?"

Seit fünf Jahren versucht die Stadt, die Größe der Saatkrähen-Kolonien zu verringern. Doch ist sie dabei an Genehmigungen und Auflagen gebunden. Die Saatkrähe ist in Deutschland streng geschützt. Ein Abschuss ist anders etwa als bei der Rabenkrähe verboten. Will eine Kommune die Tiere vertreiben, muss sie entsprechende Maßnahmen bei der Regierung von Oberbayern beantragen.

Die Höhere Naturschutzbehörde verbietet, die bestehenden Kolonien im Bereich des Bahnhofes und entlang der Schleißheimer Straße anzutasten. Die Stadt darf die Vögel nur südlich des Geh- und Radweges entlang der Schleißheimer Straße und im Bereich des Kinderspielplatzes am Bahnhof vergrämen. Sie ließ in den dortigen Bäumen etwa Nester entfernen, aber nur wenn in diesen keine Eier lagen. Außerdem wurden die Bäume entastet, um den Krähen den Bau neuer Nester zu erschweren. 37 000 Euro hat die Stadt seit 2017 dafür ausgegeben. Doch bisher half dies wenig, ganz im Gegenteil. Die Tiere bauten ihre Nester nach wenigen Tagen und trotz weniger Äste einfach neu oder wichen einfach an andere Standorte aus, wodurch neue Kolonien und damit neue Konflikte entstanden.

Auch andere Städte haben ähnliche Sorgen

Eigentlich sind Wiesen das natürliche Habitat von Saatkrähen. Fehlen diese, suchen sich die Vögel andere Lebensräume, wo sie Nahrung finden. Daher siedeln sich Saatkrähen gerne in der Nähe des Menschen an. Unter anderem machen weggeworfene Essensreste den urbanen Bereich für die Tiere attraktiv. Um das Nahrungsangebot für die Saatkrähen zu verringern, hat die Stadt Dachau betroffene Straßenzüge und Grünanlagen in der Vergangenheit häufiger gereinigt und dort die Abfalleimer öfter geleert.

Nicht nur Dachau, auch andere Städte haben mit den Saatkrähen zu kämpfen. Im Erdinger Stadtpark etwa nisten mehr als 1000 Brutpaare, es handelt sich um eine der größten Kolonien in Bayern. Hartmann sagte, er habe das Thema auf die Tagesordnung des nächsten Städtetages setzen lassen. Seiner Meinung nach helfe letztlich nur die Bejagung der Vögel. Der Gesetzgeber müsse sich überlegen: "Was ist ihm wichtiger: Mensch oder Tier?"

Die Verwaltung schlug den Stadträten im Umwelt- und Verkehrsausschuss vor, für die kommenden Jahre wieder 45 000 Euro für die Vergrämung der Saatkrähen einzuplanen, davon allein 30 000 Euro für den Einsatz von Greifvögeln durch einen Falkner. Gleichwohl wies Hartmann darauf hin, dass es schwierig sei, Falkner zu finden, die ihre Vögel auf die Saatkrähen hetzen wollen. "Teilweise habe die Falkner Angst um ihre Vögel", so Hartmann. Auch Andreas Tischer von der Abteilung Stadtgrün meinte, um es mit den Saatkrähe aufzunehmen, reiche kein Falke. "Das müsste schon fast ein Adler sein." Auf Anregung von Peter Strauch (CSU) einigten sich die Stadträte, erst einmal einen Falkner einzuladen, um diesen nach seiner Einschätzung zu fragen. Anschließend will man weitere Maßnahmen beschließen.

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