Volksfest Dachau:Lukas der Lokomotivführer, Arielle und Dornrößchen

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Arielle und Neptun, dargestellt von Josefine und ihrer Freundin Magdalena, laufen schon zum wiederholten Mal beim Kinderfestzug mit. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Rund 500 Kinder laufen beim diesjährigen Kinderfestzug mit. Sie präsentieren, wie schon beim ersten Umzug 1953, vor allem historische Märchenfiguren und Sagengestalten.

Von Andreas Förster, Dachau

Heiß ist es an diesem Sonntagvormittag, an dem der traditionelle Kinderfestzug stattfindet. So heiß, dass das Amperpferd in seinem dicken Fleece-Kostüm schon schwitzt, bevor es überhaupt losgestapft ist. Der jungen Sabrina Seidl fällt die Aufgabe ein zweites Mal zu. Schon vor vier Jahren hat sie sich bereit erklärt, in das schwere, bunte Flusspferdkostüm zu schlüpfen und das traditionelle Maskottchen des Festzugs zu geben, das ganz hinten am Zugende mitmarschiert. "Aber ich mach's gerne", versichert die 20-Jährige Tochter von Roland Seidl, der zum Organisationsteam des Kinderfestzugs gehört und als Lukas der Lokomotivführer - stilecht ausstaffiert mit Pfeife und Schiebermütze - die Lok Emma kutschiert.

Der Kinderfestzug ist unverkennbar ein Familienfest. Große und kleine Geschwister, Mamas und Papas helfen mit und geben alles, damit das gelingt, was ursprünglich mal 1953 von Margarethe Kron ins Leben gerufen worden war. Man wollte auf eine besondere Art und Weise Lust machen auf das Dachauer Volksfest, der Ablauf ist bis heute derselbe geblieben: Die Kinder präsentieren vor allem historische Märchenfiguren und Sagengestalten, laufen entweder selbst oder und lassen sich von historischen Traktoren - unter anderem bereitgestellt vom Bulldog Club Dachau - sowie Pferdekutschen durch die pittoreske Altstadt kutschieren. Begleitet werden sie von Musikkapellen - angeführt von der Knabenkapelle Dachau -, den Kindergruppen des ASV, dem Technischen Hilfswerks und der Freiwilligen Feuerwehr, die jeweils eigene Motivwagen mitbringen. So hat die Feuerwehr einen Spritzenwagen mit Drehleiter gefertigt, von der aus die Kinder mit Wasserpistolen die Zuschauer nass spritzen.

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Manche, wie Arielle die Meerjungfrau, dargestellt von der 13-jährigen Josefine aus Dachau, sind zum vierten Mal dabei. Vor ihr sitzt Neptun in Gestalt ihrer Freundin Magdalena, ebenfalls 13. Elisabeth aus Dachau ist zum zweiten Mal dabei. Die Zwölfjährige wollte unbedingt in einer Kutsche mitfahren und sitzt nun dabei als König aus "Der gestiefelte Kater" in dem einzigen Märchenwagen, der von Pferden gezogen wird: zwei süddeutschen Kaltblütern aus Dinkelscherben bei Augsburg.

Lukas der Lokomotivführer ist Roland Seidl, der zum Organisationsteam des Kinderfestzugs gehört. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Als Dornrößchen, nicht als Dornröschen sind diese kleinen Mädchen verkleidet. (Foto: Niels P. Jørgensen)
500 Kinder in 25 Kindergruppen in allerlei aufwendigen Kostümen sind heuer mit dabei, wie diese Wikinger. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Der Großteil der beinahe 500 teilnehmenden Kinder muss den drei Kilometer langen Festzug durch die Altstadt, die Ludwig-Thoma-Straße und die Münchner Straße zu Fuß zurücklegen. Die Blumenmädchen, die neunjährige Miriam aus Hebertshausen und ihre Freundinnen, die zehnjährige Charlotte und die ebenfalls neunjährige Amrei aus Dachau, müssen dabei sogar noch einen Blumenwagen ziehen, die Augsburger Straße hoch bis zum Rathaus, wo sich die Ehrenkutsche mit dem Oberbürgermeister Florian Hartmann, seiner Frau Julia und Heidemarie Fitzthum einreiht. Die 80-Jährige hat den Kinderfestzug 1986 nach einigen Jahren des Dornröschenschlafs wieder zum Leben erweckt und seitdem mit einem engagierten Team alle zwei Jahre inszeniert. Dieses Mal liegen coronabedingt erstmals vier Jahre dazwischen.

Nach eineinhalb Stunden und einer kleinen Panne, bei der sich ein Stück Stoff in einem Reifen verfängt, um die Hinterachse eines Anhängers wickelt und den Kinderfestzug kurz ins Stocken bringt, kommt der 500 Meter lange Zug aus 25 Kindergruppen und sieben Blaskapellen, neben weiteren Kutschen wie dem schön geschmückten Spaten-Gespann mit traditioneller Holzfassladung, nahe der Volkfestwiese an. Erschöpft aber glücklich schleppen sich die Kinder den Karlsberg zur Klosterschule hoch, wo sie eine zünftige Brotzeit erwartet. In den Klassenzimmern haben sie morgens ihr Kostüm angezogen und hier dürfen sie es wieder ausziehen. Wenn Ruhe eingekehrt ist, werden ein paar Helferinnen alles einsammeln und wieder für zwei Jahre einmotten: im Haus der Erwachsenenbildung an der Thoma-Wiese - also passend ganz nah am Volksfest, wo sie auch hingehören.

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