Geflüchtete im Landkreis:Und jeden Monat kommen weitere 100 Menschen

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Wohnen ist etwas anderes: Die Container-Unterkunft für Geflüchtete befindet sich am Ortsrand von Haimhausen. (Foto: Toni Heigl)

Die Unterbringung der Geflüchteten bleibt eine Herausforderung für den Landkreis, bei der Integration stößt man längst an seine Grenzen: Viele ehrenamtliche Helfer haben sich in den vergangenen Jahren zurückgezogen.

Von Jonas Junack, Maxim Nägele und Alexandra Vettori, Dachau

Im Januar hatte Landrat Stefan Löwl (CSU) zu einem "Runden Tisch zum Thema Asyl" eingeladen, um auf die drohende Überforderung der örtlichen Integrationsfähigkeit hinzuweisen. Die grauen Container, die in Haimhausen zur provisorischen Unterbringung von Geflüchteten aufgestellt wurden, standen damals bereits. Ein gutes halbes Jahr ist seitdem vergangen, die Container stehen immer noch und Zahl der Menschen, die im Landkreis ankommen ist seitdem nicht zurückgegangen.

Aktuell wohnen nach Angaben des Landratsamtes 1685 Menschen in den Flüchtlingsunterkünften, davon 386 aus der Ukraine. Deren Zahl ist insgesamt größer, weil viele privat untergebracht sind. Nach wie vor werden dem Landkreis Dachau in 14-tägigem Rhythmus 50 Neuankömmlinge zugewiesen. Die Kreisbehörde ist kontinuierlich dabei, weitere Unterkünfte aufzutun und das durchaus mit Erfolg: Das Zelt, das im Mai für den Notfall in Markt Indersdorf aufgestellt worden ist, musste nie besetzt werden. Ende November wird es wieder abgebaut, dann wird es zu kalt für eine Zeltunterbringung. Joachim Jacob, Vorsitzender vom Verband der ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer, schätzt, dass die Unterbringung bis Ende Oktober gesichert ist. Was danach passiere, sei unklar.

600 neue Betten bis Jahresende

Wie Landratsamtssprecherin Sina Török erklärt, sei es das Ziel, noch in diesem Jahr zusätzlich 600 Betten zu schaffen, man sei auch "auf einem guten Weg, dieses zu erreichen". 250 Betten stehen in Containern in Schönbrunn, im ehemaligen Seniorenheim Esterhofen und in Einfamilienhäusern und Wohnungen. Weitere 300 Betten entstehen in Container-Anlagen und angemieteten Wohnräumen in Markt Indersdorf, Dachau, Vierkirchen, Altomünster und Hilgertshausen-Tandern. Die große Herausforderung im Landkreis ist momentan weniger die Unterbringung der Flüchtlinge als deren Integration. Diese Aufgabe bleibt vor allem an den Kommunen und Helferkreisen hängen.

Ein Großteil der Probleme, die dabei auftreten, seien nicht neu, sagt Stephan Dünnwald vom bayerischen Flüchtlingsrat. Auch aus dem Landkreis Dachau registriere er, dass Kommunen an ihre Grenzen kommen. Die Gründe dafür seien aber nicht neu: Wo es ohnehin an Wohnraum, Kita-Plätzen und Lehrkräften fehle, erschwere dies natürlich auch die Versorgung von Menschen, die hier Schutz suchen, sagt Dünnwald. Wenn sich die Kommunen beschweren, sei manchmal auch ein wenig Kalkül dabei. "Die Kommunen, die sich am meisten wehren, werden oft ausgelassen", sagt Dünnwald zur Verteilungsfrage. Das Resultat ist eine unproportionale Belastung der Kommunen. Wenn es darum geht, wer wie viele Menschen aufnimmt, setzen sich die Konflikte, die auch zwischen den EU-Staaten ausgetragen werden, in den Landkreisen fort.

Die Kürzungen machen "fassungslos"

Im Landkreis Dachau kommen in regelmäßigen Abständen Vertreter der Helferkreise, der Caritas sowie von Landratsamt und Kreistag zusammen, um über die kommunale Migrationsstrategie zu diskutieren. Solch ein Format habe unter den Landkreisen Seltenheitswert und sei durchaus positiv, sagt Joachim Jacob. Aber einige gesetzliche Rahmenbedingungen führten weiterhin zu großen Problemen, da könne auch ein solches Gremium im Landkreis wenig machen: Da ist etwa die Wohnsitzauflage, die besagt, dass Menschen, die geduldet werden oder sich im laufenden Asylprozess befinden, keine Wohnung anmieten dürfen. Dies führe zu "verstopften" Unterkünften, sagt Stephan Dünnwald. Dann gibt es das Arbeitsverbot. "Wir bezahlen Menschen, die arbeiten wollen, für das Nichtstun", ergänzt Joachim Jacob. Beim bayerischen Flüchtlingsrat und den ehrenamtlichen Helfern ist man sich sicher: Hier müsste die Gesetzgebung geändert werden.

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Auch im Landkreis Dachau heißt es, man sei von den Geflüchtetenzahlen überfordert. Dabei ist es die Sparpolitik, die das Fass zum Überlaufen bringt, nicht die Schutzsuchenden.

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Doch aus dem Berliner Finanzministerium kommen andere Signale. Im Bundeshaushalt für das kommende Jahr sind Kürzungen eingeplant, die auch die Migrationsberatung betreffen. Der Betrag soll von 81,5 Millionen auf 57,5 Millionen Euro sinken. Das sieht man nicht nur im Dachauer Landratsamt mit Besorgnis. Ihn mache die Aussicht auf Einsparungen zum jetzigen Zeitpunkt "fassungslos", sagt Joachim Jacob von den ehrenamtlichen Helfern. Er verstehe die Politik nicht mehr. Eigentlich brauche es mehr Geld in den Kommunen, nicht weniger. Da viele ehrenamtliche Helfer weggebrochen sind, bleibt derzeit viel Arbeit an den Hauptamtlichen hängen, doch jede dieser Stellen muss finanziert werden.

Der Helferkreis ist kein Kreis mehr

Peter Johannsen-Klug ist seit fast acht Jahren beim Arbeitskreis Asyl Dachau tätig, ein langer Zeitraum, in dem sich viel verändert hat bei der Flüchtlingshilfe. Nach der "Motivationswelle" 2015 ist die Anzahl an Freiwilligen stetig gesunken, wie Johannsen-Klug erzählt. Von den insgesamt 200 Helfern, die der Arbeitskreis mal hatte, seien noch 40 übrig. Der Arbeitskreis in Dachau könne sich mittlerweile nur noch punktuell um die Probleme der Geflüchteten kümmern. Bei der Hausaufgabenbetreuung der Kinder gebe es noch zehn freiwillige Helfer, es sei ein "glücklicher Umstand", dass noch so viel Hilfe angeboten werde. Die meisten Helfer im Arbeitskreis seien Rentner oder Menschen im Vorruhestand, mit mehr Zeit, aber oft weniger Kapazitäten. Die Ehrenamtlichen könnten nicht mehr so viel auffangen, das müssten Hauptamtliche machen, sagt Johannsen-Klug. "Die müssen aber was aushalten können."

Noch dünner ist die Personaldecke im Helferkreis Röhrmoos. Madeleine Wienforth ist von 40 Helfern, die es 2014 mal waren, die Einzige, die noch regelmäßig zu den Flüchtlingsunterkünften in Schönbrunn fährt und sich um die 45 Bewohner kümmert. "Der Helferkreis ist kein Kreis mehr, nur ein Minimum an Hilfe." Trotz einzelner Erfolgsgeschichten sei die Arbeit seit Jahren mit großem Frust verbunden. Die Mittel, die man schon habe, so Wienforth, müsse man viel gezielter und effektiver investieren. 2014 waren provisorische Container für die Geflüchteten aufgestellt worden, bei denen wenig Strom, undichte Fenster und eine schlechte Wasserversorgung dauerhaft für Probleme gesorgt hätten. Erst im Juni dieses Jahres kamen neue Container nach Schönbrunn, aufgrund fehlender Einrichtung und Strom seien die aber immer noch nicht bewohnbar.

Die meisten Helferkreise sind seit 2013 aktiv. Das seien fast zehn Jahre, in denen die Freiwilligen älter geworden sind und das Engagement nachgelassen habe, so Peter Barth, der seit mehr als zehn Jahren als Asylhelfer in Hebertshausen tätig ist. Es werde sich viel auf die freiwilligen Helfer verlassen, man müsse hauptamtliche Arbeiter und die Gemeinden noch mehr in die notwendige Arbeit involvieren. Das Umfeld sei schwieriger geworden, nicht nur wegen den schwindenden Plätzen in Ausbildungs- und Integrationsklassen, sondern auch weil die gesellschaftliche Einstellung sich verändert habe. Barth findet, dass die Politik nur noch Probleme aufzeigt, niemand denke mehr an ein "Wir schaffen das" von Angela Merkel.

Er glaubt, dass die Probleme der Migration bestehen bleiben werden, auch mit höheren Grenzen oder Kürzungen von Geldern, man müsse stattdessen eine erfolgreiche Integration voranbringen. Peter Barth plädiert für eine neue Interpretation von Merkels Ausspruch: "Wir müssen es schaffen, wir werden und können das schaffen."

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