Mitten in Dachau:Männer, die auf Socken starren

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Bernhard Seidenath und Stefan Löwl zeigen Bein und Socke mit Skifahrern und lustigen Gespenstern. (Foto: Bernhard Seidenath)

Der Landtagsabgeordnete Bernhard Seidenath postet neuerdings häufiger Bilder seiner bunten Socken und er ist nicht der Einzige. Wer das für pure Gaudi hält, verkennt den politischen Stellenwert der Socke in der CSU.

Glosse von Gregor Schiegl, Dachau

Es gab eine Zeit, und es ist gar nicht so lange her, als das Vereinigte Königreich von einer Frau regiert wurde. Elisabeth II. tat sich zeitlebens durch größte Zurückhaltung hervor; weder postete sie Fotos ihrer Frühstücksflocken noch erteilte sie Regierungschefs ungefragt Ratschläge. Für ihren Hut galt das nicht. Als vor fünf Jahren die Verhandlungen zum Brexit begannen, trug die greise Königin eine dunkelblaue Kopfbedeckung mit goldenen Knöpfen. Viele fühlten sich von dem Anblick stark an eine EU-Flagge erinnert. In den Medien war gleich vom "Anti-Brexit-Hut" die Rede.

Nun wüsste man zu gerne, was dem Dachauer CSU-Landtagsabgeordneten Bernhard Seidenath durch den Kopf ging, als er sich am anderen Ende des Leibes modisch ausstaffierte, nämlich an den Füßen. Neuerdings präsentiert er in seinem Whatsapp-Status immer wieder Fotos von Socken, die seine Waden zieren. Ein Schnappschuss zeigt ihn neben seinem Parteifreund Landrat Stefan Löwl, beide Männer starren auf ihre schwarzen Socken. Nicht ohne Stolz konstatiert der Landtagsabgeordnete einen "ähnlichen Sockengeschmack", die Union zeigt sich untenrum geschlossen.

Ungewöhnlich sind die Details: Um die Knöchel des Landrats fahren Skifahrer Slalom, auf dem Rist des Landtagsabgeordneten flattern grinsende Gespenster. Und wie das oft so ist, wenn jemand von einer Idee richtig von den Socken ist, kann man auf Whatsapp in Echtzeit zusehen, wie die Sache eskaliert. Schon sieht man Seidenath mit türkisen Strümpfen mit Spielwürfeln im eleganten Herrenschuh, Löwl hält mit bunten Kaffeetassen auf spinatgrünen Socken dagegen. Der englische Autor Samuel Johnson nannte die Sprache einmal "die Kleidung der Gedanken", doch umgekehrt gilt auch: Die Kleidung ist manchmal die Sprache der Gedanken. Gerade in der CSU, in der die Sockenkampagne mittlerweile schon als immaterielles bayerischer Kulturerbe gilt, ist die Socke stets politisch.

Keine Grundschulkinder. Ehrlich. (Foto: Bernhard Seidenath)

Festhalten kann man, dass die CSU in Teilen heute schon bunter und diverser ist, als man es ihr oft zugestehen will, zumindest unterhalb des Hosensaums. Löwls Socken stehen für prallen Hedonismus zwischen Pistengaudi und fair gehandeltem Bio-Café. Seidenath aber muss sich in diesem Jahr einer schwierigen Landtagswahl stellen, und der diplomierte Küchenpsychologe versteht den ernsten Hintergrund seiner lustigen Sockenmotive. Aus der rechten Ecke grinsen die Gespenster der völkischen AfD, und der Wähler, der früher immer sein Kreuz bei der CSU gemacht hat, ist so unberechenbar geworden, dass er aus einer Laune heraus auch einfach mal eine andere Partei wählt. Das soll aber keinesfalls insinuieren, der Dachauer Abgeordnete bekäme jetzt kalte Füße. Wo er doch so viele schöne Socken hat.

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