CSD in Dachau:"Das soll keine Party werden"

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Das Gröbste ist geschafft: Vor den Mitgliedern der CSD-Organisationsgruppe, Aisha Rieckenberg, Jona Ott, Marcel Hobler und Jasmin Slivova (von links nach rechts) liegt das fertige Plakat. (Foto: Toni Heigl)

Zum ersten Mal wird es in Dachau dieses Jahr eine Demonstration zum Christopher Street Day geben. Der Umzug mit Straßenfest am 1. Juli soll vor allem ein politisches Zeichen setzen.

Von Leonard Scharfenberg, Dachau

Die Gruppe tagt auf den durchgesessenen Sofas im Kellerraum des Dachauer Jugendzentrums Freiraum. Als Tisch dienen bunt bemalte Holzwürfel. Es ist morgens, die meisten müssen gleich noch zu ihrem Job oder zur Ausbildungsstelle. "Kaffee?", fragt Marcel Hobler. Allgemeine Begeisterung. "Erst Kaffee, dann Pronomenrunde", beschließt die Runde lachend.

Viele Male hat sich das Organisationsteam schon hier getroffen und beraten. Alles begann mit einer Frage: Warum hat Dachau eigentlich keinen CSD, obwohl es noch kleinere Städte in Bayern gibt, die das hinkriegen? Eichstätt oder Traunstein zum Beispiel. Hobler hat diese Frage Anfang des Jahres im Plenum des selbstverwalteten Jugendzentrums Freiraum aufgeworfen. Jetzt, ein halbes Jahr später, ist es bald so weit: Am 1. Juli wird in Dachau das erste Mal der Christopher Street Day gefeiert.

Seit diesem ersten Plenum trifft sich das Organisationsteam regelmäßig. In den vergangenen Wochen mehrmals pro Woche. Schließlich gibt es viel zu tun. "Meistens sind wir so drei bis sechs Leute", erzählt Hobler, ausgebildeter Pflegehelfer. "Komplett unhierarchisch" sei die Gruppe organisiert. Für viele in der Runde ist es das erste Mal, dass sie sich explizit als queere Menschen politisch engagieren.

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Jona Ott ist trans, verwendet die Pronomen "they" und "them". Wie es ist, sich für keine Geschlechterkategorie zu entscheiden und als non-binäre Person zu leben - und nebenbei noch den ersten Christopher Street Day in Dachau zu planen.

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Queer ist ein Sammelbegriff, für alle Menschen, die nicht heterosexuell sind oder sich nicht ihrer sozial zugeschriebenen Geschlechtsidentität angehörig fühlen. Die queere Community in Dachau ist klein - man kennt sich. Allerdings meist aus München. Denn in Dachau selbst gibt es bis auf das Café Queer, einem Angebot für queere Jugendliche, kaum Treffpunkte. Vom Rest des Landkreises ganz zu schweigen. Viele weichen deshalb in die nächstgrößere Stadt aus, um sich zu vernetzen. Auch im Freiraum mache sich das bemerkbar, erzählt Jona Ott. Ott hatte sich schon länger im Umfeld des Jugendzentrums engagiert. "Hier gab es viele, die von sich gesagt haben: Ich bin zwar queer, aber politisch mach ich da gar nichts zu", sagt Ott. Es sei schön, dass sich das langsam ändere.

Viel Motivation haben die CSD-Organisatoren aus der Demonstration im November am sogenannten Trans Day of Remembrance, auf deutsch: Tag der Erinnerung an die Opfer von Trans*feindlichkeit, geschöpft. 50 Menschen kamen in Dachau zusammen. Die größte Kundgebung für queere Themen seit langem. Und bitter nötig, wie die Gruppe findet.

Denn es sei schon längst keine Selbstverständlichkeit mehr, dass queere Menschen ihre oft hart erkämpften Rechte nicht wieder verlören. Ott sieht das vor allem in den USA und dem Vereinigten Königreich, wo eine zunehmend queer- und vor allem transfeindliche Stimmung auszumachen sei, die sich in Gesetzen und Gewalt niederschlage. Diese Welle, das fürchten hier im Keller des Freiraums alle, könnte bald nach Deutschland schwappen.

Erste Anzeichen dafür gibt es. So wurden im vergangenen Jahr mehrere Menschen nach CSD-Paraden in Deutschland angegriffen. Ein junger trans Mann in Münster starb kurz nach einem dieser Angriffe. Und in München tobte in den vergangenen Wochen eine Diskussion um eine Kinderbuchlesung von Drag-Performern in der Stadtbibliothek, gegen die Freie Wähler und CSU kräftig Stimmung machten und dabei auch nicht vor queerfeindlichen Mythen zurückschreckten. Für Ott ist deshalb klar: Der geplante CSD soll "nicht nur eine Party werden". Ott wünscht sich besonders, dass auch viele Menschen kommen, die nicht betroffen sind. Alle seien willkommen, sagt Ott. "Nur Rechte nicht", ergänzt Hobler schnell.

Die Illustrationen auf dem Plakat sind von einem queeren Dachauer Künstler. (Foto: Freiraum e.V.)

Die demokratischen Parteien seien aber herzlich eingeladen, nur Wahlkampfstände seien nicht erwünscht. Stattdessen gebe es beim geplanten Straßenfest am Max-Mannheimer-Platz einen Diskussionsstand, an dem alle miteinander ins Gespräch kommen sollen und darüber diskutieren, was man für queere Menschen in Stadt und Landkreis verbessern kann. Jasmin Slivova, auch Teil des Orgateams, fällt da so einiges ein. Momentan arbeitet Slivova gemeinsam mit anderen aus dem Umfeld des CSD an einem Forderungskatalog für die Lokalpolitik. Ein erster einfacher Schritt sei es, alle Anreden in der Kommunikation der Stadt mit ihren Bürgern geschlechtsneutral zu gestalten.

Aus Sicht des Dachauer Oberbürgermeisters Florian Hartmann (SPD) sei die Stadt hier schon sehr aktiv. Er verweist neben Café Queer und Freiraum auch auf die Stadtbücherei, die zu jedem Pride-Monat passende Inhalte zusammenstelle. Außerdem könnten neue queere Projekte jederzeit Zuschüsse beantragen. Leider finde er keine Zeit, selbst vor Ort zu sein, so Hartmann, den CSD begrüße er aber sehr. Und auch im Freiraum-Keller heißt es: "Bei der Organisation waren alle Stellen in der Stadt wirklich sehr hilfsbereit."

Die Gruppe um Ott und Hobler rechnet mit mindestens 150 Teilnehmern bei der Demonstration. Wie viele es tatsächlich werden, sei "megaschwer einzuschätzen". Schließlich ist es das erste Mal.

Noch während die Gruppe ihren Kaffee trinkt, vibriert Otts Handy: Die Mail vom Ordnungsamt mit den Vorgaben. Die schwierigsten Hürden sind genommen. "Es wird klappen", sagt Ott und setzt sich wieder hin.

Der CSD beginnt am Samstag, 1. Juli, 13 Uhr, am Rathausplatz und zieht anschließend durch die Stadt zum Max-Mannheimer-Platz. Angekommen am Max-Mannheimer-Platz stößt die Demo zum Straßenfest, auf dem auch queere Künstler ausstellen. Am Abend wird ab 19 Uhr im Freiraum gefeiert. Mehr Informationen gibt es auf dem Instagramkanal der Veranstalter : instagram.com/csd.dachau/

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