Corona-Pandemie:Kriminelle missbrauchen die Angst vor dem Virus

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  • Kriminelle nutzen die Corona-Krise, um online wie offline Profit zu schlagen.
  • Manche geben sich als Corona-Tester aus, um sich Zutritt zu Wohnungen zu verschaffen, andere versuchen, im Internet mit Schadsoftwares private Daten abzugreifen.
  • Die Polizei warnt vor Internetseiten, die vermeintliche Informationen zur Corona-Krise versprechen - und vor einer allzu sorglosen Nutzung des Internets.

Von Martin Bernstein, München

Die Abzocke skrupelloser Telefon- und Internetbetrüger hört auch in Zeiten der Corona-Krise nicht auf. Im Gegenteil: Manche Kriminelle nutzen die Angst vor dem Virus sogar gezielt aus. Zum Beispiel die Enkeltrickbetrüger. Aktuell warnt die Polizei vor Anrufern, die sich als nahe Angehörige ausgeben ("Rate mal, wer dran ist?") und behaupten, infiziert zu sein. Nun lägen sie in einem Krankenhaus, sagen sie am Telefon, und bräuchten dringend Geld, weil die Medikamente, die sie retten könnten, so teuer seien.

Dann bitten sie ihre Opfer um Geldbeträge oder Wertsachen, die sie von einem angeblichen Freund abholen lassen würden. Opfer sind in der Regel ältere Menschen, die in diesen Tagen durch die Covid-19-Pandemie ohnehin stark verunsichert und in großer Sorge sind. Das bayerische Landeskriminalamt und die Münchner Polizei warnen deshalb: "Nicht zahlen! 110 wählen und Polizei verständigen!" Außerdem solle man ältere Angehörige und Bekannte auf die neuen Masche aufmerksam machen.

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Auch am Computer registrieren Polizeibehörden eine neue Welle von Versuchen, durch manipulierte Webseiten oder Mail-Anhänge an Kontodaten oder Passwörter von Opfern zu kommen. Die europäische Polizeibehörde Europol nennt Beispiele: dubiose Seiten, die etwa "breaking news" oder sicheren Schutz vor Ansteckungen versprechen, oder Angebote, in denen wegen Hamsterkäufen "nahezu ausverkaufte" Artikel feilgeboten werden. Oft werden die Opfer aufgefordert, Seiten oder Anhänge zu öffnen mit Sätzen wie: "Was Sie unbedingt über das Virus wissen sollten" oder "Gehören Sie zu einer Risikogruppe?"

"Cyberkriminelle missbrauchen die Angst vor dem Coronavirus", warnte am Mittwoch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. "Die Kriminellen nutzen das Informationsbedürfnis der Bevölkerung schamlos aus, um daraus Profit zu schlagen." So beobachte die Polizei laut Herrmann einen Anstieg der Verbreitung von E-Mails mit gefährlichen Anhängen im Namen von Gesundheitsämtern oder der Weltgesundheitsorganisation WHO. Aktuell sind auch Phishing-Mails im Namen von Mobilfunkbetreibern im Umlauf. Das Lockangebot richtet sich an die vielen Menschen, die derzeit zu Hause bleiben müssen, und verspricht unbegrenzten Internetzugang, freien Zugang zu allen TV-Kanälen, unbegrenzte Anrufe. Im Hintergrund lauert jedoch bereits die Schadsoftware.

"In gefälschten E-Mails der angeblichen Behörde oder Institution, aber auch zum Beispiel versteckt in vermeintlichen Angeboten für Atemschutzmasken werden potenziell schadhafte Anhänge in den Formaten .docx oder .exe versteckt. Beim Anklicken können dann Daten ausgespäht oder sogar der Computer verschlüsselt werden", warnt Innenminister Herrmann.

Der Rat der Polizei: "Seien Sie skeptisch!"

Auch wenn dem Polizeipräsidium München derartige Versuche aktuell noch nicht angezeigt wurden: Dass auch Münchnerinnen und Münchnern in der aktuellen Krise Opfer der Internetbetrüger werden, ist mehr als wahrscheinlich. Denn die Cyber-Kriminalität ist eine Wachstumsbranche für Verbrecher, auch in München. Einen Anstieg um 9,1 Prozent verzeichnete das Polizeipräsidium laut seiner jüngst in Auszügen veröffentlichten Kriminalstatistik.

Demnach registrierten die Experten vergangenes Jahr 6685 Fälle, darunter 1497, bei denen die Verbrecher - zum Beispiel mit einer Erpressung - auch zum Erfolg kamen. In 56,1 Prozent der Fälle saßen die Täter nach Erkenntnissen der Münchner Ermittler nicht im Inland. Einen deutschen Tatort erkannte die Polizei in knapp 3000 Fällen.

Im Bereich der Spam- und Phishing-Mails, die auch momentan eine große Rolle spielen, sei von einem sehr großen Dunkelfeld auszugehen. Empfänger löschten derartige Mails oft einfach, ohne die Polizei zu informieren. Prinzipiell sei das Löschen schon richtig, heißt es aus dem Präsidium. Auf keinen Fall sollte man verdächtige Links anklicken oder Anhänge öffnen. Wichtig wäre aber auch, die Polizei über derartige Versuche zu informieren.

Nicht nur in der Corona-Krise empfiehlt die Polizei deshalb: Abstand halten - auch in den sozialen Netzwerken. Ein gesundes Misstrauen sei einem allzu sorglosen Umgang mit den neuen Medien allemal vorzuziehen, sagte Polizeipräsident Hubertus Andrä auf seiner aus Gründen des Gesundheitsschutzes nur auf Twitter und per Telefon durchgeführten Pressekonferenz.

Doch nicht nur in der virtuellen Welt nutzen Betrüger die Angst vor dem Coronavirus aus. Auch das Gesundheitsreferat warnt: Es sei bereits vorgekommen, dass sich Personen an Haustüren fälschlich als Mitarbeiter des Gesundheitsamtes oder von Rettungsdiensten ausgegeben und sich nach Corona-Testergebnissen oder Testterminen erkundigt hätten, um sich so Zutritt zu den Wohnungen zu verschaffen. Gesundheitsreferentin Stephanie Jacobs wies deshalb explizit darauf hin, dass die Beschäftigten der Gesundheitsbehörden nie unangemeldet Hausbesuche wegen des Coronavirus machen. Tests würden immer zuvor telefonisch vereinbart. "Wenn sich bei Ihnen an der Tür dennoch jemand ohne vorherige Terminvereinbarung als Mitarbeiter des Gesundheitsamtes ausgibt: Seien Sie skeptisch, lassen Sie niemanden in Ihre Wohnung, beantworten Sie keine Fragen und rufen Sie im Notfall die Polizei", rät Jacobs.

© SZ vom 20.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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