Gesundheit in München:Nähen gegen die Corona-Krise

Lesezeit: 3 min

Susanne Aumüller beim Nähen der Schutzmasken. (Foto: Uli Bührlen)

Freiwillige fertigen in München Mund- und Nasenschutzmasken für das Klinikum Dritter Orden an. Gedacht sind die Stücke vor allem für Personen, die keinen direkten Patientenkontakt haben.

Von Franziska Gerlach

Die Resonanz kommt zahlreich, und sie bringt auch Herzchen, nach oben gereckte Daumen und fröhliche Smileys mit sich. Gesucht werden via Facebook Leute, die Mund- und Nasenschutz nähen. "Ich glaube, ich habe eine neue Aufgabe", kommentiert eine Nutzerin den Post. "Wird eine bestimmte Größe bevorzugt?", will eine andere wissen. Oder: "Da setze ich mich doch gerne an die Nähmaschine".

Mehrere Tausend Mal wurde der gemeinsame Aufruf der Kinderklinik des Klinikums Dritter Orden und des benachbarten Kinderhauses Atemreich, einer Pflegeeinrichtung für Kinder, die dauerhaft beatmet werden müssen, geteilt, seit der Text inklusive zweier Nähanleitungen am Sonntagvormittag veröffentlicht wurde. Ein virtuelles Lauffeuer, das sagt: Wir wollen uns einbringen in diesen Zeiten der Krise, die letztlich ja alle etwas angeht. Und wir haben verstanden, wie ernst die Lage ist.

Vielen Krankenhäusern und Arztpraxen in Deutschland gehen die Schutzmasken aus. Da ist es nur schlau, jene um Hilfe zu bitten, die wegen der Maßnahmen gegen das Coronavirus geschlossen oder zumindest weniger zu tun haben. Einige Näherinnen des Gärtnerplatztheaters haben sich zum Beispiel von Virologen Stoff empfehlen lassen und wollen in Heimarbeit Mundschutz nähen, auch die Schneiderinnen und Schneider des Residenztheaters haben bereits Schnittmuster und Nähanleitungen recherchiert. Im nächsten Schritt wolle man dem Gesundheitsministerium Unterstützung anbieten, sagt Sprecherin Ingrid Trobitz: "Die können im Prinzip jederzeit loslegen."

Andernorts rattern die Nähmaschinen auch schon seit einigen Tagen, etwa beim Unterwäschelabel Mey in Albstadt oder beim Textilunternehmen Trigema im baden-württembergischen Burladingen. Der Passauer Hemdenhersteller Eterna fertigt inzwischen jeden Tag bis zu 25 000 Gesichtsmasken für die slowakische Regierung, die damit ihre Bestände für medizinisches Personal und Patienten aufstocken will. Im Fall der Münchner Modedesignerin Pia Bolte war es allerdings der Zufall, der sie zur Mundschutzproduzentin machte. Im November war sie in Tokio, wo die Leute schon vor Ausbruch des Coronavirus gerne Mundschutz trugen, manche aus modischen Gründen, die meisten aber wohl, weil sie ihre Mitmenschen nicht anstecken wollen, wenn sie krank sind.

Inspiriert von diesen japanischen Masken, entwarf die frühere Dirndl-Designerin ein Modell in Knallfarben, ein reines Accessoire. Inzwischen hat sie ihre wiederverwendbare Maske überarbeitet, und bald soll sie in Drogerie- und Supermärkten erhältlich sein, für etwa 15 bis 20 Euro. "Die Maske hat jetzt hinten einen Schlitz, durch den der Filter täglich gewechselt werden kann", sagt Bolte. Und waschbar sei sie außerdem.

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Tragen sollen die Masken vor allem Mitarbeiter, die keinen direkten Patientenkontakt haben

Geblümt, gestreift, gepunktet? Wie der gespendete Mundschutz aussieht, ist den Initiatoren des Aufrufs am Klinikum Dritter Orden vermutlich herzlich egal. Aus drei oder vier Lagen Baumwollstoff sollen sie bestehen, und idealerweise so genäht sein, dass noch ein Vlies eingelegt werden kann. "Ein Covid-19-Abstrich wird damit aber nicht vorgenommen", sagt eine Mitarbeiterin des Hauses.

Und natürlich würde der gespendete Mundschutz noch einer "Qualitätskontrolle" durch die Abteilung für Krankhaushygiene unterzogen. Tragen sollen diese Masken im Übrigen Mitarbeiter, die "keinen direkten Patientenkontakt" hätten. Reinigungskräfte zum Beispiel, oder auch die Leute von der Essenausgabe, damit sie andere im Fall einer Infektion nicht gefährden.

Die Helfer des gemeinnützigen Vereins Münchner Freiwillige kaufen bislang vor allem für Risikopatienten und ältere Menschen ein, gehen für sie zur Apotheke. Gerne unterstütze man aber auch den Aufruf, einen Mundschutz zu nähen, sagt Mitgründer Mischa Kunz. Für Ulrike Bührlen von den Urbanauten wiederum ist ein solcher auch ein Zeichen, dass man die Situation ernst nimmt. Sie möchte sich ebenfalls an die Nähmaschine setzen, und sie überlegt, andere Münchner dazu zu animieren. Natürlich müsste noch eine entsprechende Logistik geschaffen werden. Aber Stoff und eine Nähmaschine hätten sicher viele Münchner zu Hause, und vermutlich verfügten sie momentan auch über Zeit, sich handwerklich zu betätigen.

Bührlen selbst durchkämmt abends, wenn die Kinder im Bett sind, mit ihrer Schwägerin Susanne Aumüller Youtube nach den besten Nähanleitungen. Aumüller, die sich selbst als eine "mittelprächtige Näherin" bezeichnet, hat ihr Lieblingsvideo schon gefunden. Nach diesem benötige sie für eine Maske gerade einmal 15 bis 20 Minuten. Das sei auch für Ungeübte "mehr als einfach": Vier gerade Nähte, dazu drei Falten, fertig. Und der selbst genähte Mundschutz sitze nicht nur gut, er sei auch bequem.

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© SZ vom 27.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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