Coronavirus in München:Die Zahlen machen Hoffnung

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Corona-Krise im Stadtrat: Bei ihrer Sitzung am Mittwoch haben die Politiker deutlich mehr Abstand als sonst gehalten. (Foto: Stephan Rumpf)
  • Die Zahl der Coronavirus-Neuinfektionen ist in München seit Anfang der Woche spürbar zurückgegangen.
  • Die Münchner Gesundheitsreferentin Stephanie Jacobs spricht von "einem großen Erfolg".
  • Sie fürchtet dennoch, dass die Zahl der Todesfälle steigt. Denn das Virus sei inzwischen in 17 Alten- und Pflegeheimen aufgetreten.

Von Heiner Effern

Im Kampf gegen das Coronavirus gibt es von der Stadt zwar keine Entwarnung, doch erstmals seit Beginn der Krise liegen auch Zahlen vor, die Mut machen. Das gilt vor allem für die Neuinfektionen. Die gingen seit Anfang der Woche so spürbar zurück, dass Gesundheitsreferentin Stephanie Jacobs nicht von einem statistischen Aussetzer ausgeht, sondern von "einem großen Erfolg" spricht.

"Die Ausgangsbeschränkungen zeigen vollumfänglich Wirkung", sagte sie in einem Lagebericht für den Stadtrat. Trotzdem fürchtet Jacobs, dass die Zahl der Todesfälle in München steigen könnte. Denn das Virus sei mittlerweile bereits in 17 Alten- und Pflegeheimen festgestellt worden. Die mehr als 50 Münchner Krankenhäuser sind aber gut gerüstet: Die Hälfte der kurzfristig verfügbaren 892 Beatmungsplätze ist noch verfügbar.

Die Stadt verschickt jeden Nachmittag eine Mitteilung, wie viele Neuinfektionen sie in den vergangenen 24 Stunden verzeichnet hat. Die Vergleichszahlen jeweils zum Tag der Vorwoche zeigen, dass sich die Größenordnung deutlich verringert hat. Am Mittwoch zählte die Stadt 119 (Vorwoche 227), am Dienstag 90 (198) und am Montag 152 (245) Neuinfektionen. Am 16. März verdoppelte sich die Zahl der Angesteckten noch innerhalb von drei Tagen, am 6. April stieg der Zeitraum bereits auf zehn Tage. Das Einstellen des Schulbetriebs alleine hätte keine vergleichbare Wirkung gehabt, sagte Jacobs.

Das Gesicht der Krise habe sich verändert, so Jacobs, es werde deutlich älter. Zu Beginn stammten viele Infizierte aus Familien, die das Virus vom Skiurlaub in den Faschingsferien mitgebracht hätten. Diese hätten meist gute körperliche Voraussetzungen gehabt, weshalb auch die Rate der Todesfälle in der Stadt noch so niedrig sei.

Mittlerweile sei das Virus aber viel stärker in "vulnerablen", also anfälligen Gruppen angekommen, erklärte Jacobs. Damit meint sie vorbelastete und alte Münchner. In den 17 Alten- und Pflegeheimen, wo es Infizierte gibt, müssten nun sehr strikt und schnell alle Bewohner getestet und die Gesunden von den Infizierten getrennt werden. Beispiel dafür könnte die Helios-Klinik in Pasing sein, in der ebenfalls das Virus kursierte. Dort wurden 1000 Tests in kürzester Zeit durchgeführt, 100 seien positiv ausgefallen.

Auch wenn das Krankenhaus gesperrt werden musste, einen Engpass für die Versorgung in München bedeutete dies nicht. Der Chef der Branddirektion und Leiter des städtischen Krisenstabs, Wolfgang Schäuble, erläuterte dem Stadtrat, München sei "nicht schlecht aufgestellt, um nicht das Wort gut zu gebrauchen".

Das zeigt ein Blick auf die Intensivbetten mit der Möglichkeit zur künstlichen Beatmung. 892 konnte die Stadt mit Stand Montag bereitstellen. Davon waren 267 von Patienten belegt, die andere Erkrankungen aufwiesen. 167 Betten wurden für Menschen mit dem Coronavirus benötigt. Frei und sofort belegbar waren 142 Plätze, weitere 316 wären kurzfristig verfügbar gewesen.

Doch nicht überall läuft es so zufriedenstellend, auch das machte Gesundheitsreferentin Jacobs klar. Sorgen machen der Stadt weiter der Materialnachschub, die Testsituation und die Kooperation mit den niedergelassenen Ärzten sowie deren kassenärztlichem Verband (KVB). Wenn Ministerpräsident Markus Söder (CSU) persönlich zum Flughafen eile, um eine Frachtmaschine mit Material "wie einen Staatsgast" zu empfangen, sage das alles über den akuten Materialmangel, sagte Krisenstableiter Schäuble. "Die Hälfte aller Wünsche bleibt unerfüllt."

Großen Verbesserungsbedarf sieht das Gesundheitsreferat auch bei den Tests. Dort rumpelt es noch ordentlich, gerade im Zusammenspiel zwischen niedergelassenen Ärzten, der KVB, den Laboren und den Gesundheitsämtern. Diesen müssen alle positiven Tests gemeldet werden, doch viel zu oft kommt dort nur ein Name an, wenn man Glück hat, steht auch noch der Hausarzt auf dem Papier. Auf jeder Meldung müsse künftig auch eine Telefonnummer und eine E-Mailadresse stehen, fordert Jacobs. Ihre Mitarbeiter müssten oft mühsam die Kontaktdaten suchen, was besonders bei der KVB schwierig sei. "Dort erreicht man oft niemand." Voraussetzung für eine Lockerung der Ausgangsbeschränkungen sei eine höhere Zahl von Tests, die nicht so viel Zeit in Anspruch nehmen dürften.

Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) rief die Münchner indes auf, weiter so konsequent die bestehenden Ausgangsbeschränkungen umzusetzen wie bisher. Diese seien noch immer nötig, eine seriöse Prognose über das Ende sei derzeit nicht möglich.

© SZ vom 09.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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