Münchner Comicfestival:Bilder einer Stadt

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Nachdenklich stimmt Barbara Yelins Flüchtlingsszene am Mittelmeer. (Foto: Yelin)

Die Münchner Szene ist beim Comicfestival stark vertreten, Besucher können Künstler treffen. Doch was ist mit der öffentlichen Anerkennung?

Von Sabine Buchwald

In einer Stadt, die sich seit fast 30 Jahren ein mehrtägiges Comicevent leistet, kann es um die Kultur gezeichneter Bilderwelten nicht so schlecht stehen. München ist zwar nicht Brüssel, wo sich die Schlümpfe, Tim und Struppi und unzählige andere Helden mehr auf Hauswänden tummeln. Vielleicht aber ist es nur eine Frage kurzer Zeit, dass auch hier Stadtführer Touren von einer bemalten Fassade zur nächsten anbieten können. Motive ortsansässiger Zeichnern gäbe es. Allein der Wunsch danach müsste lauter werden.

Ein Beispiel, wie großformatige Comickunst den öffentlichen Raum bereichert, ist derzeit auf der Kunstinsel am Lenbachplatz zu sehen. Zum Festival hat Barbara Yelin zwei Arbeiten für die Billboards dort erstellt. Vom Verkehr umtost ist auf der einen Seite eine idyllische Szene an einem Badesee zu sehen, wie eine Mutter ihr Kind auf dem Arm hält. Die Rückseite zeigt eine Szene, in der ein Kind aus dem Meer geholt wird. Hier geht es ums Überleben, nicht um Spaß.

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In ihrem Kurzcomic "Es passiert" visualisiert die Münchnerin den krassen Gegensatz von Migranten, die ihr Leben riskieren, während das privilegierte Westeuropa dabei zusieht. Zu lesen ist die Geschichte im Internet auf der Seite des Festivals, für das Yelin sie auf zwei Bilder verdichtet hat. Mehr von ihr gibt es in einer Ausstellung im Jüdischen Museum. Dort begegnet man der Schauspielerin Channa Maron, die 1933 nach Palästina floh. Yelin hat sich in ihrem Buch "Vor allem eins: Dir selbst sei treu" mit ihr auseinandergesetzt.

Nur vom Zeichnen können viele Künstler nicht leben

Das Motto des Titels gilt für sie wie für viele Münchner Comickünstler, die als Illustratoren oder in anderen Jobs arbeiten. Für Frank Schmolke etwa, der seine Erlebnisse als Taxifahrer in "Nachts im Paradies" (Edition Moderne) zu Papier gebracht hat. Lieber würden sie sich wohl ausschließlich aufs Zeichnen konzentrieren. Stipendien für Langzeitprojekte, die Bereitschaft des Publikums, die aufwendigen Bücher zu kaufen und nicht zuletzt bezahlbare Arbeitsräume wären hilfreich. In München hat sich durch gezielte Förderung der Tanz als Kunstform etabliert. Ähnliches könnte man sich auch für den Comic in all seinen Ausprägungen denken.

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(Foto: Cross Cult)

Farbenstark und actionreich ist...

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(Foto: Cross Cult)

...die Serie "Gung Ho" von Eckartsberg und Kummant.

Es gibt das alle zwei Jahre stattfindende Festival, das durch viel Eigenleistung der Organisatoren Heiner Lünstedt und Rainer Schneider funktioniert. Womöglich würde die eine oder andere Comicwand das Stadtbild und auch die Sehgewohnheiten positiv beeinflussen. Warum nicht Küken-und-Maus-Sequenzen von Gunter Hansen und Steffen Haas an einem Biergarten? Oder den kernigen "Trachtman" an einer Brandmauer? Erfunden hat den Muskelprotz in Lederhosen Christopher Kloiber (Plem Plem Productions) als Gegenentwurf zu amerikanischen Superhelden.

Sabrina Schmatz' Nachkriegs-Lovestory vereint Fakten mit Herz. (Foto: Schmatz)

Auch Szenen aus "Hector Umbra" von Uli Oesterle könnten ein Pilgerort für Fans werden. Oesterle weiß auf spannende Weise, das geschleckte München in teils düsterer Manier zu einen gespenstisch schönen Fantasieort mit Realitätsbezug zu verwandeln. Er gehört zu den leisen Stars der Münchner Szene, dessen Bücher in vielen Sprachen übersetzt, das Image der Stadt nach außen mitprägen. Gespannt erwartet wird sein neues Werk "Vatermilch" (Carlsen), das seine Kindheit und das Verhältnis zu seinem Vater beleuchtet. Es wird wohl nicht vor 2020 erscheinen.

Münchner Comicserien auch im Ausland erfolgreich

Ebenfalls rechtzeitig zum Festival fertig geworden ist der vierte Teil der auf fünf Bände angelegten Serie "Gung Ho" von Benjamin von Eckartsberg und Thomas von Kummant (Cross Cult). Aufs Neue begleitet man in einem utopischen Campszenario Teenager auf ihrem Weg zum Erwachsenwerden, leidet mit ihnen in Kämpfen gegen falsche Freunde und brutale Erzieher. In der französischsprachigen Comicwelt wurde die Endzeit-Serie made in Munich bereits mehrmals ausgezeichnet.

Positiver angelegt sind die Geschichten von Sabrina Schmatz, die ins Nachkriegs-München führen, als US-amerikanische Soldaten in die zerbombte Stadt kommen. Weil sie "schwierige Settings" für die Entwicklung ihrer Charaktere mag, hat sie die mit Bleistift gezeichnete Liebesgeschichte zwischen Konstanze und Daniel in diese Zeit gelegt. Ihr gehe es vor allem um Zwischenmenschliches. Schmatz alias Iruka, kommt aus der Mangaszene und ist eigentlich Autodidaktin. Sie zeichnet mit viel Disziplin abends nach ihrem Bürojob. Sie wird Band fünf ihrer Reihe "München 1945" (Schwarzer Turm) präsentieren. Und auch sie wird wie alle anderen Münchner auf dem Festival anzutreffen sein, mit Wunsch nach Austausch und um neue Leser zu gewinnen.

© SZ vom 18.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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