Die Pandemie. Verheerende Feuer. Überschwemmungen. Die Klimakrise. Da kann man schon mal eine apokalyptische Stimmung kriegen, wie sie David Bowie in "Five Years" beschreibt. Darin heißt es, dass die Erde "wirklich sterben" würde. In fünf Jahren sei alles vorbei. Geschrieben hat die britische Popikone den Song vor 50 Jahren und erschienen ist er am 16. Juni 1972 auf dem legendären Album "The Rise and Fall of Ziggy Stardust and the Spiders from Mars". Das Tröstliche dabei: Im Song "Starman" wird mit Ziggy Stardust ein Erlöser angekündigt. Ein außerirdischer Rockstar, der der Menschheit Liebe und Frieden bringen will. Nur wird der am Ende leider an seinem ausschweifenden Lebensstil scheitern und nach einer letzten Versöhnungsgeste wird ihn der Bühnentod ereilen.
Reinhard Kleist hat in seinem Comic "Starman - David Bowie's Ziggy Stardust Years", den er am 19. Januar in Münchner Literaturhaus präsentiert, beides dargestellt. Die apokalyptische Stimmung in "Five Years" und das letzte Konzert von Ziggy Stardust, das es nicht nur auf dem Album, sondern auch tatsächlich gab. Am 3. Juli 1973 war es, als Bowie in der Rolle des Ziggy im Hammersmith Odeon in London dem überraschten Publikum mitteilte, dass dies ihre letzte Show sei. Und dabei hatten ihn das Album und die Tour doch zum Erfolg geführt. Im Comic sieht man Bowie/Ziggy danach in einer verregneten Seitenstraße. Er reißt Tourplakate von der Wand, zündet seine Garderobe an und verschwindet.
Kleist zeigt David und Ziggy als gespaltene Persönlichkeiten
Warum Bowie, der am 8. Januar 75 Jahre alt geworden wäre, mit Ziggy Schluss machte? Damit Ziggy, der laut Kleist "einen kalten, rücksichtslosen Teil der Persönlichkeit Bowies" darstellte und ihm "im Rock Business nach ganz oben" half, ihn nicht auffrisst. Und tatsächlich hatte der am 10. Januar 2016 verstorbene Musiker damals Angst, dass man ihn nur noch mit dieser Rolle identifiziert. Aber Kleist geht in seiner Interpretation weiter. Er erzählt, wie Bowie als David Jones in einem Londoner Vorort aufwuchs, und davon, dass sein Bruder Terry schizophren war. Und er stellt die Geschichte von David und Ziggy wie die Aufspaltung in zwei Persönlichkeiten dar. Die Tour zum Album bildet dabei die Rahmenhandlung, die Vorgeschichte wird in Rückblenden erzählt. Hinzu kommt die Illustration einzelner Songs als dritte Ebene.
Die Tour ist in kräftigen Farben, die Rückblenden sind in warmem Sepia und die Songs in einer überdrehten Farbästhetik dargestellt. Und wer Kleists großartige Comics über Johnny Cash oder Nick Cave und deren eindringliche Schwarzweiß-Ästhetik kennt, dürfte sich wundern. In der Tat hat sich der Berliner Zeichner an die knallige Farbwelt von Ziggy auch nicht alleine gewagt, sondern sich den Koloristen und Grafiker Thomas Gilke zur Seite geholt. Gemeinsam haben sie ein visuell eindrückliches und atmosphärisch dichtes Comic-Porträt von Bowie geschaffen, das aber zugegeben nicht das erste ist.
David Bowie wird auch mit einer Briefmarke und Packsets geehrt
So hat etwa der US-Zeichner Mike Allred 2020 in " Bowie. Sternenstaub, Strahlenkanonen und Tagträume" ebenfalls die erste Phase von Bowies Karriere erzählt, mit Ziggys "Tod" als Dreh- und Angelpunkt. Es gibt darin viele Anekdoten, noch mehr Fakten, wie bei Kleist treten Stars wie Lou Reed oder Warhol auf. Nur fehlt die psychologische Tiefe, um die sich Kleist in "Starman" bemüht. In diesem Bowie-Jahr (der 75. Geburtstag und 50 Jahre "Ziggy Stardust") dürften jedenfalls noch einige weitere Devotionalien auf uns zukommen. Wie das "verlorene" Album "Toy" von 2001, das posthum am 7. Januar erscheint. Eine Bowie- Sonderbriefmarke kam am 3. Januar heraus und ebenfalls vom 7. Januar an sind 5000 Bowie-DHL-Packsets erhältlich.
Von Reinhard Kleist sind neben dem Comic auch ein Bowie-Buch- und Terminkalender erschienen sowie eine Luxusausgabe von "Starman" mit handsigniertem Druck. Wobei ansonsten bei ihm nicht das Jubiläumsjahr den Anstoß gab, sondern angeblich ein Ratschlag von Nick Cave. Mit "Low - David Bowie's Berlin Years" ist auch schon eine Fortsetzung in Arbeit, in der man unter anderem erfahren wird, wer der Erzähler in beiden Comics ist. In "Starman" wird das nämlich bis zum Ende nicht verraten.
Reinhard Kleist: Starman - David Bowie's Ziggy Stardust Years, Carlsen Verlag 2021, 176 S.; Gespräch und Lesung am 19. Jan. um 20 Uhr im Literaturhaus (live und digital), www.literaturhaus-muenchen.de