Kolumne "Das ist schön":Street Art im Inneren

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Der Künstler Christian Awe in seinem Berliner Atelier. (Foto: Stefan Haehnel)

Der Maler Christian Awe, international bekannt für gigantische Fassadenwerke, hat einen hochmodernen, riesigen Working-Space in München mit Kunst versehen. Am Tegernsee zeigt er kleinere Arbeiten für den Hausgebrauch.

Von Susanne Hermanski

Als Christian Awe ein kleiner Junge ist, will er nur eins: Fußballspielen. Die Sportkaderschmieden der DDR haben sein Talent entdeckt, er ist in der Jugendauswahl, der Weg gebahnt. Dann fällt die Mauer, und das Kadersystem stürzt mit ihr ein. Da ist Christian elf Jahre alt. "Dann saßen wir da", erzählt er, "und sahen den Zügen zu". Ratlos, sehnsuchtsvoll.

Doch mit ihnen kommt auch das Neue in seine Ost-Berliner Welt: die Graffiti-Kunst. Christian ist fasziniert, guckt sich ab, was die jungen Meister da in Farbe zaubern, übt, tut es ihnen gleich, überflügelt manchen. Schließlich ergattert Awe einen Platz an der Akademie. Bei Georg Baselitz, von dem er bis dahin noch nie etwas gehört hat. Die Farbe in all ihrer Wucht, lässt ihn nie wieder los. "Für mich verkörpert sie Freiheit, Kraft und Liebe", sagt er - und besitzt offenbar viel von alledem.

Der Maler Christian Awe, hoch über der Straße angeseilt, an einer Hausfassade. (Foto: Bernd Borchardt)

Dass er eine Fassade gegenüber der Ex-Stasi-Zentrale bemalte mit einem gewaltigen orange-blauen Mural, ist bekannt. Dass er weltweit Projekte hat, wie 2021 die 220 Meter lange, drei Meter hohe Malereiinstallation an der Wolga im russischen Samara, haben weniger Leute auf dem Radar. Awe ist auch in Bayern zugange. Am spektakulärsten bislang ausgerechnet an einem Ort, der für die Öffentlichkeit nicht direkt zugänglich ist: in der "Macherei" in Berg am Laim.

In diesem neu entstandenen Kreativquartier ließ ihn das Pharma-Forschungsunternehmen MSD sein Haus (M5) im Inneren komplett mit Kunst ausgestalten. Ganze Wände hat er dafür bemalt und collagiert, aber auch einzelne kleinere Gemälde dafür hat er geschaffen. Was dabei entstanden ist, ist eine doppelte Schau: Wie "New Work" mit entsprechend flexiblen Arbeitsorten für Einzelkämpfer, Teams, Konzentration, Austausch und zum Teil spielerische Entspannung aussehen kann, wurde hier wie aus dem Bilder-Buch umgesetzt. Awes Arbeit macht das Ganze obendrein zum Gesamtkunstwerk.

Doch wer die Menschen dort bei ihren Aufgaben nicht stören will, der kann Awe hierzulande gerade auch noch im Eigenheimformat erleben. Bei einem Ausflug an den Tegernsee. Dort zeigt er, in Rottach-Egern in Räumen des Spa Resorts Bachmair-Weissach (bis 14. Juli), die Verkaufsausstellung "Ikigai". Awe ist Japan-Fan, und Ikigai der Ausdruck für ein Wohlgefühl, das die Freude am Lebendig-Sein umfasst. Mancher soll das auch beim Fußballspielen empfinden. Das ist eine andere Geschichte und die ist nicht nur schön.

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