Was da am Mittwoch auf der Bühne des Studio 2 im BR-Funkhaus stand, sieht man sonst höchstens im Instrumentenmuseum: Allein mehr als 40 oft nur für Fachleute identifizierbare Flöten, Klarinetten und Saxofone kamen bei der Uraufführung von Steffen Schorns "Camille Claudel - An Inner Opera" zum Einsatz. Und genau so außergewöhnlich wie die Instrumentierung wurde dann auch das Projekt, das eine lange Vorgeschichte hat.
Noch als Student in Köln sah Schorn Ende der Achtzigerjahre den Film "Camille Claudel" mit Isabelle Adjani in der Titelrolle der genialen Bildhauerin, die seinerzeit an den gesellschaftlichen Geschlechter-Stereotypen zerbrach und ihre letzten 30 Jahre in der Psychatrie verbrachte. Er war so erschüttert, dass er sofort eine Komposition zu Papier brachte. Die ihm aber selbst so verstörend vorkam, dass er sie liegen ließ. Als er jetzt, schon lange Professor in Nürnberg, während des Lockdowns seine Prioritäten sortierte, befand er, dass er dieses Werk noch beenden müsse. Aus dem ursprünglich für sieben Trompeten geschriebenen Grundmotiv wurde ein abendfüllendes Ensemble-Werk für Flügel, Tuba und Harfe sozusagen als "Rhythmusgruppe" und sechs Holzbläser, besetzt mit Spitzenkönnern wie Rebecca Trescher, Anton Mangold, Lars Andreas Haug oder Michael Heupel. Und zusätzlich für das vielleicht bemerkenswerteste Instrument: die Stimme der norwegischen Sängerin Ruth Wilhelmine Meyer mit ihren rekordverdächtigen sieben Oktaven, ihren Hauch- und Klicklauten und ihrer Bandbreite vom Muezzinrufer bis zur Schiffssirene.
Fast schon eine Überfülle von Klangmöglichkeiten also, aus denen Schorn ein komplexes, modular rund um Notenfragmente arrangiertes Geflecht voller Spiegelungen des Lebens wie der Werke von Camille Claudel machte. "Starker Tobak", wie Schorn eingangs zu Recht bemerkte. Klänge, in die man sich erst einhören und fallen lassen musste, die einen dann aber unausweichlich in ihren Bann zogen.