Neuhausen:Das Sehmobil bleibt in der Garage

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Im Umgang mit den besonderen Bedürfnissen Blinder und Sehbehinderter - hier ein Geländer mit Brailleschrift - ist man im Blindeninstitut sehr erfahren. (Foto: Florian Peljak)

Weil das Bundessozialministerium Richtlinien ändert, droht einem wichtigen Beratungsangebot des Blindeninstituts das Aus. Die drei Mitarbeiter bemühen sich um alternative Fördermittel - ansonsten ist zum Jahresende Schluss.

Von Ellen Draxel

Am Blindeninstitut gibt es eine besondere Expertise. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an der Romanstraße 12 kennen die Bedürfnisse von Menschen mit Sehbeeinträchtigungen, aber nicht nur das: Das Haus in Neuhausen ist auch - ein Alleinstellungsmerkmal in München - spezialisiert auf die Unterstützung von Menschen mit Mehrfachbehinderungen. Besonders bei Kindern. Wer in den vergangenen fünf Jahren Hilfe beim Ausfüllen eines Antrags auf Blindengeld benötigte, Fragen zu Hilfsmitteln hatte oder einen Rat brauchte, wie sich der Alltag besser meistern lässt, konnte sich an die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) am Institut wenden. Und bekam dort kostenlose Unterstützung.

Für viele extrem belastete Familien war diese Stelle der rettende Anker. Doch von Januar an ist damit Schluss. Das Bundessozialministerium, das die Förderung der Beratung 2018 ins Leben rief, hat die Richtlinien geändert. Mit Beendigung der Projektphase sollen nun nur noch Selbsthilfeorganisationen Geld erhalten. "Fünf Jahre lang haben wir eine gute Arbeit geleistet, und jetzt kippen wir aus der Förderung", sagt Petra Rösl. Die Psychologin leitet den Bereich Sehen und Orthoptik beim Blindeninstitut, sie weiß, wie wichtig das Angebot für viele Menschen ist.

Allein im vergangenen Jahr bekam ihr Team rund 900 Beratungsanfragen, häufig haben Rösl und ihre Kollegen und Kolleginnen dann die Betroffenen zu Hause besucht. Nicht nur in München, sondern im gesamten südbayerischen Raum. Mit dem sogenannten Sehmobil, einem Fahrzeug, ausgestattet mit Hilfsmitteln zur mobilen Beratung, und mit Fachleuten, die an Ort und Stelle Diagnostik und Beratung anbieten. "Die aufsuchende Beratung ist bei uns das Besondere, das bietet sonst niemand."

Im Umland sind noch nicht alle Finanzmittel vergeben

Denn Menschen mit komplexen Beeinträchtigungen, die Probleme haben, sich zu artikulieren, sind meist nicht in der Lage, sich in Selbsthilfegruppen zu engagieren, dessen ist sich die Fachfrau bewusst. "Wir hingegen können auch mit Menschen kommunizieren, die nicht sprechen können." Fallen nun Ende des Jahres die drei bisher bezahlten Vollzeitstellen weg, gibt es für dieses Klientel keine Anlaufstelle mehr.

Test am Bildschirmlesegerät: Im Blindeninstitut ist viel Expertise vorhanden. (Foto: Privat)

Doch beim Blindeninstitut geben sie nicht so schnell auf. "Wir bemühen uns um eine Weiterfinanzierung", sagt Rösl. Für München gibt es zwar keine freien Stellen mehr, aber im Umland sind noch nicht alle Finanzmittel vergeben. "Und um die bewerben wir uns jetzt." Eine Situierung der Teilhabeberatungsstelle etwa in Dachau wäre zwar nicht ideal, zumal die Einrichtung in Neuhausen-Nymphenburg sehr gut vernetzt ist. "Aber zumindest würden wir so als Ansprechpartner erhalten bleiben."

Auch beim Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg bedauert man den Entfall der Beratungsstelle. Die Lokalpolitiker würden das Angebot gerne im Viertel erhalten wissen und haben deshalb in ihrer jüngsten Sitzung einen Antrag gestellt - mit der Bitte an die Stadt, wenigstens eine Vollzeitstelle künftig zu finanzieren. Behielte man die Summe bei, die zuvor das Bundessozialministerium bezahlt hat, wären das rund 70 400 Euro. "Wenn das klappen würde", meint Rösl, "wäre das grandios".

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