Berg am Laim:Ein Ortskern verödet

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Die lokale Wirtschaft in Berg am Laim liegt darnieder. Zwischennutzungen sollen helfen, sie zu beleben.

Von Lea Kramer, Berg am Laim

Eine Weile wurden aus dem kleinen garagenähnlichen Bau am Marktplatz von Berg am Laim Blumen verkauft. Seit das Geschäft aufgegeben wurde, stand das Häusl leer. Mittlerweile ist es renoviert, eine Eisdiele ist eingezogen. So kommt es, dass nun häufiger Menschen am Grünen Markt anzutreffen sind. Damit auch der Rest des alten Ortskerns lebendiger wird, will das städtische Wirtschaftsreferat ein Konzept erarbeiten - und auf Gewerbetreibende zugehen.

Neben dem Stadtteilladen an der Baumkirchner Straße hat es im vergangenen Jahr einen Wechsel gegeben. Auf dem Gehsteig stehen nun nicht mehr die Kleiderständer mit günstigen Klamotten, die die Friseurin dort bislang zusätzlich zum Föhnen, Waschen, Schneiden und Legen verkauft hat. Ein neuer Coiffeur hat das Geschäft übernommen. Und es schon wieder aufgegeben. Im August zieht er nach Garching um. In derselben Straße die Commerzbank. An ihrer Tür hing unlängst noch ein Schild: "Diese Filiale ist geschlossen." Mit ihrem Service sei die Bank aber weiter "in Ihrer Nähe" für ihre Kunden da. Die neue Adresse: Ostbahnhof.

Ein Stück weiter um die Ecke an der Kreillerstraße, gleich neben einem anderen Friseurgeschäft, hat der Shishaladen zugemacht. Dort ist jetzt ein Kosmetikstudio. Auf der Straßenseite gegenüber mit Blick auf die städtischen Kita und die Grundschule im alten Rossmann sind die Schaufenster ebenfalls leer. Vor ein paar Wochen sind die Fronten ausgetauscht worden, helle Ledersofas wurden ins Gebäude hineingewuchtet. Genauso wie nebenan. Da ist im Gegensatz zum Eckhaus bereits ein Laden eingezogen. Die alte Parfümerie ist nun ein Friseurgeschäft. Wer einmal um den Block geht, bemerkt noch mehr leer stehende Erdgeschosse. Ein einstöckiger Behelfsbau mit dem Plakat eines Immobilienentwicklers an der Wand verfällt. Die Apotheke nebenan sieht fast so aus, als wäre sie in der Sommerpause. In Wirklichkeit ist sie geschlossen.

Viele Autos, wenige Kunden: An der Ecke Kreiller- und Baumkirchner Straße haben es Einzelhändler schwer. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Der Rundgang bestätigt das Gefühl: Im Berg am Laimer Zentrum tut sich was und dann eben auch wieder nicht. Als große Schneise durchtrennt die Kreillerstraße, die schließlich zur Wasserburger Landstraße wird, die historische Mitte in zwei Hälften. Entstanden ist sie in einer Zeit, als die Prämisse der modernen Stadtplanung eine "autogerechte" war. In Berg am Laim hat sie ein Viertel zerschnitten und lähmt noch heute die Belebung der lokalen Wirtschaft. Wer kann schon gut am schmalen Gehsteig genüsslich einen Kaffee trinken und entspannen, während auf einer vierspurigen Straße der Pendlerverkehr vorbeirauscht?

Damit nicht dauernd Läden öffnen, nur um kurz danach wieder zu schließen, wünscht sich der Bezirksausschuss (BA) Berg am Laim ein planvolles Vorgehen und Hilfe aus dem Wirtschaftsreferat. Bei einem runden Tisch mit ortsansässigen Gewerbetreibenden soll erörtert werden, wie die Händler unterstützt werden können. Darüber hinaus haben CSU und FDP gemeinsam angeregt, dass ein Konzept erstellt wird, damit den Gewerbetreibenden Geld aus dem Programm "Bildung, Wirtschaft, Arbeit im Quartier" (BIWAQ) zugutekommt.

Das Bundesprogramm fördert mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds die lokale Wirtschaft in benachteiligten Stadtvierteln. Es ist als Ergänzung zu den Stadterneuerungsmaßnahmen "Soziale Stadt", mittlerweile "Sozialer Zusammenhalt", gedacht, durch die seit 1976 mehrere Viertel aufgewertet worden sind. Das Sanierungsgebiet Innsbrucker Ring/Baumkirchner Straße in Ramersdorf und Berg am Laim ist seit 2005 Teil dieses Förderprogramms.

Zwischen 2015 und 2018 hat das Referat für Arbeit und Wirtschaft (RAW) nach eigenen Angaben ein sogenanntes Einzelhandelsentwicklungskonzept (EHEK) für die Geschäftszentren von Berg am Laim, Ramersdorf und Giesing erstellt. Alle Viertel seien gut mit Supermärkten ausgestattet, kleine Läden fehlten aber weitgehend. "Zur Stabilisierung der lokalen Ökonomie in den drei Zentren beinhalten die EHEK daher im Kern die Empfehlung einer alternativen Positionierung durch den Aufbau einer quartiersspezifischen Markenidentität", konstatiert das Referat.

Auch der öffentliche Bücherschrank und der Maibaum am Grünen Markt reißen's nicht raus: Im alten Ortskern von Berg am Laim gibt es wenig Leben. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Für Berg am Laim haben die Untersuchungen ergeben, dass gezielt neues Gewerbe angesiedelt werden müsste, um das Gebiet attraktiver zu machen. Das Wirtschaftsreferat bietet außerdem den bereits ansässigen Händlern Weiterbildungen und Beratung bei Digitalisierung und Ladengestaltung an. Die weihnachtliche Schaufensterbemalung, an manchen Fronten noch immer zu sehen, ist ebenfalls im Rahmen des BIWAQ-Programms initiiert worden. Darüber hinaus gebe es einen Hörspaziergang durch den Ortskern. In Zukunft sollen zudem ein Einkaufsführer für Berg am Laim erstellt sowie eine Gewerbesprechstunde eingeführt werden, heißt es aus dem Wirtschaftsreferat.

Trotz dieser Bemühungen gibt das Wirtschaftsreferat aber zu, dass sich Leerstände damit kaum verhindern lassen. Im Herbst soll deshalb eine "groß angelegte Zwischennutzungsoffensive" starten. Drei Monate lange werden leere Flächen unterschiedlich bespielt, um das Geschäftszentrum lebendiger zu machen. "Das sollen kleine Handwerksbetriebe, Künstler oder Kreativschaffende sein, die in die leeren Räume einziehen", sagt Tina Zoch, die das Projekt in Berg am Laim für die Münchner Gesellschaft für Stadterneuerung mbH (MGS) betreut. Im Viertel gebe es noch viele Freiräume und Lücken zu füllen, das müsse man noch stärker ins Bewusstsein rücken. Solche Pop-up-Lösungen seien eine gute Möglichkeit für Gewerbetreibende, einen neuen Standort auszuprobieren.

In Berg am Laim will die MGS versuchen, Hemmschwellen aus der Wirtschaft, aber auch vonseiten der Vermieter durch kreative Lösungen und "Mehrfachnutzungen" abzubauen. So könne es sein, dass morgens in einem Laden etwas verkauft und abends dort Yogastunden angeboten werden. Damit möglichst viele Akteure im Viertel mitmachen, soll ein runder Tisch stattfinden, vielleicht noch im August.

© SZ vom 19.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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