Banksy-Werke im MUCA:Zeit der Ruhestörer

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Im MUCA beginnt, kurz vor dem Lockdown, die Ausstellung "Ikonen der Urban Art". 25 Werke von Banksy sind hier zu sehen, außerdem die unheimlichen Schattenmänner von Richard Hambleton

Von Jürgen Moises

Gemütlich nachts am Tresen sitzen. Als Edward Hopper im Jahr 1942 sein berühmtes Gemälde "Nighthawks" schuf, war das noch möglich. Zumindest in Amerika, wo die nächtliche Szenerie mit den vier "Nachtschwärmern" in einem Diner angesiedelt ist. Heutzutage müsste auf alle Fälle der Barkeeper eine Maske tragen, und das dürfte die "Gemütlichkeit" doch etwas schmälern. Aber auch etwas anderes könnte diese stören. Wie etwa ein englischer Hooligan, der in britischen Flaggen-Shorts und mit einer Bierdose in der Hand einen Stuhl gegen die Fensterscheibe knallt. Genau selbiger ist auf dem Gemälde "Are You Using That Chair?" von Banksy zu sehen. Auch Donald Trump könnte man sich alternativ als Ruhestörer gut vorstellen. Oder eine stachlige Kugel namens Covid-19.

Aber es ist eben ein Hooligan, der hier provozierend in der nachgemalten Szenerie aus "Nighthawks" steht. Weil 2005 ebenfalls noch andere Zeiten waren. Aus diesem Jahr stammt die gut vier Meter breite Edward-Hopper-Hommage oder Persiflage, die in der neuen Ausstellung "Ikonen der Urban Art" im Museum Of Urban And Contemporary Art (MUCA) zu sehen ist. Zuvor war sie laut den Museumsleitern und auch Besitzern des Gemäldes Stephanie und Christian Utz nur ein einziges Mal ausgestellt. Und zwar in der Banksy-Ausstellung "Crude Oils" 2005 in einem Londoner Laden, woher auch das Gemälde "Show Me The Monet" stammt. Genau: Jene Monet-Interpretation von Banksy mit den Einkaufswägen im Wasser, auf deren ironische Aufforderung im Titel ein Sammler vor ein paar Tagen bei einer Auktion mit umgerechnet 8,6 Millionen Euro antwortete.

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Insgesamt 20 "Crude Oils" waren damals in London zu sehen, ergänzt durch 200 lebende Ratten. Ein typischer Banksy-Gag. Nach dem hochpreisigen Verkauf von "Show Me The Monet" könnte es gut sein, dass auch alle anderen Werke aus der damaligen Schau im Preis steigen. Und tatsächlich wurden Christian Utz auch wohl schon vor der Auktion zweistellige Millionenbeträge für "Are You Using That Chair?" geboten. Aber: Er will die Werke zusammenhalten, das heißt die mehr als 50 Originale und Unikate von Banksy sowie die rund 50 signierten Editionen, die das MUCA in der eigenen Sammlung hat. In "Ikonen der Urban Art" sind nun 25 Originale davon zu sehen, die laut Utz aus allen wichtigen, offiziellen Banksy-Ausstellungen der vergangenen Jahre stammen.

Dazu gehören etwa: Das Gemälde "Bacchus At The Seaside" (2009), eine Aneignung eines Gemäldes von Guido Reni mit Kopf-Durchsteck-Löchern statt Gesichtern; die Büste "Bullet Hole Bust" aus dem selben Jahr, eine David-Variante mit aufgemalter Kopfschusswunde; oder die Statue "Ariel", eine "verzerrte" Fassung der berühmten Disney-Nixe. Zu den kleinen Formaten zählen gedruckte Motive wie der "Flower Thrower" oder "Girl And Balloon". Laut Christian Utz sind alle Arbeiten von Banksy "authentifiziert", was ein durchaus wichtiges Thema ist. Auch angesichts der "Sensations-Schau" "The Mystery Of Banksy", die demnächst im Münchner Isarforum Halt macht und laut bisherigen Rezensionen nur "billige Reproduktionen" bietet. Für 16 Euro Eintritt.

Aber es gibt hier ja nicht nur Banksy, sondern auch sehenswerte Werke von neun anderen wichtigen Urban-Art-Künstlern. Wie etwa Os Gêmeos, Shepard Fairey, Barry McGee und vor allem: Richard Hambleton, dem vor drei Jahren verstorbenen "Godfather of Street Art". Ihm ist mit "Der vergessene Schattenmann" sogar eine eigene Ausstellung im Keller gewidmet. Mit seinen unheimlichen "Schattenmännern", die er gerne in dunklen Gassen malte oder sprühte, wurde Hambleton in den Achtzigern berühmt. Dann zog er sich zurück, was mit dem Tod seiner Freunde Keith Haring und Jean-Michel Basquiat zu tun hatte, mit Drogenproblemen, aber auch seinem Misstrauen gegenüber dem Kunstmarkt.

Im Jahr 2010 wurde er wiederentdeckt. Und im MUCA werden nun rund 60 Arbeiten aus verschiedenen Schaffensphasen gezeigt, wie etwa seine "Cowboys" oder "Beautiful Paintings". Ein Teil davon stammt aus eigener Sammlung, ein Großteil von einer New Yorker Sammlerin, die genauso wie Hambletons Schwester bei der Eröffnung eigentlich dabei sein sollte. Wegen Corona ging das aber nicht. Und wie es aussieht, wird nun auch diese für Street-Art-Fans sehr lohnenswerte Hambleton-Schau für einen Monat in der Corona-Versenkung verschwinden. Aber dieses Wochenende ist sie noch zu sehen. Und danach kann man, so Corona will, den "Godfather" im Dezember dann für sich entdecken.

Ikonen der Urban Art / Richard Hambleton - der vergessene Schattenmann , Freitag, 30. Oktober, bis 30. Juni, Museum of Urban and Contemporary Art, Hotterstraße 12

© SZ vom 30.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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