Nick Carter, seit Mitte der Neunzigerjahre so etwas wie das coole Nesthäkchen der Backstreet Boys, kann es offenbar selbst kaum begreifen. "Schaut euch nur diese Halle an! Ausverkauft! Von den Backstreet Boys!", ruft er und löst damit erneut jenen schmerzhaft hochfrequenten Kreischorkan aus, mit dem hier jedes spitzbübische Grinsen, jede flehentliche Phrasierung, jede gelungene Choreografie quittiert wird.
Ausgebuffte Koketterie ist das natürlich, was Carter da betreibt. Und doch liegt ebenjener auch ein wahrer Kern zugrunde. Denn herrje, wer hätte gedacht, dass dieses 1993 zusammengecastete Quintett die sonst so kurze Boygroup-Haltbarkeitsspanne derart eindrucksvoll sprengen würde und bis heute alle paar Jahre ein Album in den Charts platziert? Tja.
Nick Carter:Der Comeback-Street-Boy
Mit zwölf Jahren wurde Nick Carter auf den Popstar-Strich geschickt, dann folgte der Absturz. Jetzt ist er 31 und startet schon zum zweiten Mal eine Solo-Karriere.
In der Olympiahalle zeigt sich die ganze Cleverness, mit der die Fünf ihre gut geölte Erfolgsmaschinerie am Laufen halten. So präsentiert man die Songs des neuen Albums "DNA" meist nur in Form einminütiger Mini-Versionen. Das stellt zwar keinen großen Verlust dar, wirkt aber im Fall der funky Disco-Pastiche "Passionate" etwas lieblos abgehandelt.
Kreischorkan zum Abschluss
Doch klar, hier geht's natürlich ums Zelebrieren der Hits, die auf überdimensionierten Leinwänden per Trailer angebahnt werden und spätestens nach der kollektiven Zuwiderhandlung des primär weiblichen Ü30-Publikums zu "Get Down (You're The One For Me)" bei dem alle aufstehen, stramm Richtung Herzschmelze führen.
"Show Me The Meaning Of Being Lonely" und "Incomplete"? Büßen auch vor einem wolkenverhangenen Himmel und einem rosa Wasserfall nichts von ihrem Soul ein. "Quit Playing Games With My Heart"? Wirkt vor dem Hintergrund quietschbunter Kirchenfenster fast wie ein Keuschheitsgelübde. Und als die fünf zum aufgepimpten Beat von "Everybody (Backstreet's Back)" aus dem Boden der Bühne gefahren kommen und den finalen Party-Part mit der Ur-Single "We've Got It Goin' On" befeuern, breitet sich im weiten Rund ein Glückszustand aus, den so wohl nur noch wenige Pop-Acts heraufbeschworen bekommen. Dann erklingt, Ehrensache, "I Want It That Way", und der hochfrequente Kreischorkan lässt noch mal die Ohren klingeln. Genau so wollten sie's.