Kommunalwahl in Schwabing-Freimann:Erfolg durch Hartnäckigkeit

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Viertelpolitik mit Weitblick: Werner Lederer-Piloty auf seinem Schwabinger Balkon, im Hintergrund das Maximiliansgymnasium. (Foto: Florian Peljak)

Werner Lederer-Piloty (SPD), der scheidende Chef des Bezirksausschusses, hat weder Parteifreunde wie Christian Ude noch die Stadtverwaltung je geschont. Doch hat er auch aus Gegnern Mitstreiter gemacht

Interview von Stefan Mühleisen

Der scheidende Vorsitzende empfängt in einer Schwabinger Altbauwohnung. Werner Lederer-Piloty lebt dort seit 1976 mit seiner Frau Petra Piloty; beide sind Architekten, beide seit den Neunzigerjahren für die SPD im Bezirksausschuss (BA) Schwabing-Freimann. Der 76-Jährige amtiert seit 1998 als BA-Chef - doch zur Wahl im März 2020 gibt er den Vorsitz ab und tritt zurück auf Listenplatz zwölf. Ein Gespräch über Erfolge und Misserfolge, sein angespanntes Verhältnis zu Altoberbürgermeister Christian Ude - und was er seiner Nachfolgerin oder seinem Nachfolger ans Herz legt.

Herr Lederer-Piloty, Sie zählen zu den dienstältesten Bezirksausschuss-Vorsitzenden. Haben Sie alles erreicht, was Sie wollten?

Werner Lederer-Piloty: Vieles, aber nicht alles. Das wichtigste waren mir städtebauliche Aufgabenstellungen. Und die Liste des Erreichten ist relativ umfangreich. So sind in Schwabing viele Plätze auf Drängen des Bezirksausschusses neu gestaltet worden.

Was sehen Sie als Ihren größten Erfolg?

Wahrscheinlich das Baugebiet Bayernkaserne. Die Stadtverwaltung hatte ursprünglich mit der Hälfte der Bewohner geplant, zwischen 7000 bis 8000. Der Bezirksausschuss hat gesagt: Warum nicht das Doppelte? Wir sind der Überzeugung, es braucht keine weitere schnucklige, gemäßigt hohe Stadtrandsiedlung.

Man kann wohl sagen: Das Bayernkasernenquartier vollendet das, was Sie mit der Perspektive Freimann vor 20 Jahren nicht erreicht haben: eine "neue urbane Mitte" für den Stadtteil.

Genau. Mit deutlicher Mehrheit haben sich die Freimanner von einer Schlafstadt verabschiedet. Es wird ein europaweit beispielhaftes Stadtquartier. Ohne den Bezirksausschuss würde dort so etwas wie die Messestadt Riem entstehen.

(Foto: oh)

Die Perspektive Freimann galt ihrerseits damals als beispielhaft für bürgerschaftlich getragene Stadtentwicklung. Doch viele Ziele sind versandet. Ist das ihr größter Misserfolg?

Ein Misserfolg, der aber dennoch positiv in die Zukunft wirkte und letztlich zum Erfolg wurde. Es sollte damals eine Entwicklungsagentur gegründet werden, eine Schaltstelle für die Umsetzung der Pläne. Doch die fiel im Stadtrat durch. Man fürchtete wohl, dass andere Stadtbezirke das auch wollen. Jammerschade, aber: Jetzt wird eine solche Agentur für die Bayernkaserne gegründet. Zudem hat die Perspektiven-Werkstatt die Haltung der Freimanner verändert. Freimann war früher ein vernachlässigter Stadtteil, mit Autobahn, Klärwerk, Müllberg. Die Freimanner sagten: Bloß nicht noch mehr davon. Mit dem Perspektiven-Prozess sind aus Gegnern Mitmacher geworden. Das trägt bis heute.

Ihr Gremium und Sie selbst sind bekannt dafür, über Jahre bei Plänen und Projekten nachzubohren, manche würden wohl sagen: der Stadtverwaltung auf den Wecker zu gehen. Ist das Ihr Vermächtnis: Erfolg durch Hartnäckigkeit?

Ich sehe die Verwaltung im Grunde nicht als Feind, sondern als Partner. Es gibt viele tüchtige Mitarbeiter in der Verwaltung, auch wenn sie oft gescholten wird wegen ihrer Langatmigkeit. Es kommt auf den Ton an. Hartnäckigkeit gehört dazu, aber es darf nicht bösartig sein. Mit vernünftigen Vorschlägen erreicht man einiges. Aber man braucht einen langen Atem.

Wie war Ihr Kontakt zu den Oberbürgermeistern? Sowohl Christian Ude als auch Dieter Reiter sind Ihre Parteifreunde.

Christian Ude hat sich für den Oberschwabinger gehalten; das Verhältnis war nicht spannungsfrei. Bei aller Wertschätzung: Er ist bisweilen ein Zauderer, zum Beispiel bei der Perspektive Freimann. Wir wollten ihn als Schirmherr. Eine Mitarbeiterin sagte damals, sie könne ihn ja nicht zum Jagen tragen. Für ihn sprang dann Prinz Charles ein. Beispiel Neugestaltung des Wedekindplatzes: Ich habe ihn über Jahre hin angebaggert und bekam immer zu hören: Wir haben kein Geld. Doch bei der Eröffnung des umgestalteten Platzes sagte er, ein Traum sei für ihn in Erfüllung gegangen. Das hätte er 15 Jahre früher auch haben können.

Und das Verhältnis zu Dieter Reiter, interessiert er sich für Schwabinger und Freimanner Belange?

Nicht mehr als für andere Stadtteile, denke ich. Das Verhältnis ist entspannt. Und er ist ein Pragmatiker. Als durch den Umbau der Haimhauser-Schule die Kinder keinen Pausenhof mehr hatten, lehnte die Verwaltung unseren Vorschlag ab, auf der Gohrenwiese ein Segment abzuzirkeln. Nachdem ich Dieter Reiter darauf angesprochen hatte, stand nach zwei Wochen ein Zaun.

Als pragmatisch kann man auch das Klima im Bezirksausschuss bezeichnen.

Mein Vorgänger Axel Berg hat den Bezirksausschuss durchaus als politisches Podium genutzt; er wollte ja in den Bundestag. Ich bin ein Teamplayer. Wenn wir gegenüber Stadtrat und Verwaltung etwas erreichen wollen, können wir nicht mit knappen Mehrheiten ankommen; wir brauchen die Wucht des gesamten BA. Ich weiß von BA-Mitgliedern aus anderen Stadtbezirken, dass oft um des Kaisers Bart gezankt wird. Das gab es bei uns kaum. Abgesehen von der ein oder anderen verbalen Spitze.

Verbale Spitzen hörte man von Ihnen oft. Zuletzt haben Sie dem Planungsreferat "Totalversagen" in der Causa Parkstadt Schwabing vorgeworfen.

Es kann nicht sein, dass sich die Stadtbaurätin bei einem Projekt dieser Größenordnung nachweislich aus allen Gesprächen ausklinkt - und dann Krokodilstränen weint. Ziel muss es jetzt sein, dass in den Erdgeschosszonen Geschäfte des täglichen Bedarfs entstehen. Wir müssen mit den bescheidenen Möglichkeiten des Bezirksausschusses versuchen, zu retten was zu retten ist. Man kann zu der ganzen Sache frei nach Karl Kraus sagen: München bleibt München, und das ist die fürchterlichste aller Drohungen.

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Von Stefan Mühleisen

Als Drohung empfinden viele auch den Plan einer Tram durch den Englischen Garten. Das Projekt dürfte in den nächsten sechs Jahren Baureife erlangen.

Zu entscheiden haben wir da nichts. Es dürfte quer durch die Parteien unterschiedliche Auffassungen herrschen. Das Pendel wird wohl pro Tram ausschlagen. Doch ich bin nicht sicher, ob es den Stadtwerken gelingt, die verkehrliche Notwendigkeit nachzuweisen. Ich bin optimistisch, dass die Planung in sich zusammenbricht.

Seit Sie BA-Chef sind, fordert Ihr Gremium einen Bürgersaal für Schwabing. Kommt der denn in der nächsten Amtsperiode?

Das glaube ich nicht. Aber der Bedarf ist himmelschreiend. Wir müssen auf den Gemeindesaal in der Erlöserkirche ausweichen; doch der ist nicht neutral. Es gibt den Vorschlag eines Architekten, auf dem Parkplatz an der Münchner Freiheit auf Stelzen einen Bürgersaal plus Wohnungen zu bauen. Das sollte man ernsthaft weiterverfolgen. Das werde ich meiner Nachfolgerin oder meinem Nachfolger ans Herz legen.

Warum machen Sie es nicht selbst, anders gesagt: Warum hören Sie auf?

Man soll gehen, wenn es noch einige bedauern. Und nicht, wenn man vom Hof gejagt wird. Es reicht jetzt. Ich übe meinen Beruf noch sehr gerne aus. Darauf möchte ich mich konzentrieren. Und mehr lesen.

© SZ vom 21.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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