Kommunalwahl in Hadern:Paukenschläge und Schlussstriche

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Was Nachverdichtung bewirkt, wird an der Heiglhofstraße 17 deutlich. Ein Einfamilienhaus samt Garten (linkes Bild) wich einem Mehrspänner. (Foto: Google Earth)

Spannend geht's in diesem Bezirksausschuss vor allem bei Personalien zu. Der langjährige Vorsitzende Johann Stadler (CSU), der Ärger wegen einer Baustelle hatte, kandidiert nicht mehr, und SPD-Sprecher Gerhard Fries zieht sich aus Altersgründen zurück

Von Berthold Neff

Eine besondere Affinität zu den Grünen kann man Johann Stadler, dem CSU-Stadtrat und Vorsitzenden des Bezirksausschusses (BA) Hadern, sicher nicht nachsagen. Umso verwunderlicher ist es deshalb, dass er es drei Mal schaffte, mit Hilfe der Öko-Partei an die Spitze des Stadtviertel-Gremiums gewählt zu werden. Das war 1996 so und auch 2008. Zuletzt allerdings, 2014, sah es gar nicht so aus, als würden die Grünen erneut Schützenhilfe für einen Schwarzen leisten. SPD und Grüne verfügten über ebenso viele Stimmen wie die CSU, und Rot-Grün hatte sich offenbar rechtzeitig die Unterstützung der FDP-Vertreterin Lydia Ulke-Foag für die erforderliche Mehrheit gesichert.

Umso größer war dann die Überraschung, als sich Stadler mit zwölf zu elf Stimmen gegen Irmgard Hofmann (SPD) durchsetzte. Von wo die entscheidende Stimme kam, machte die CSU anschließend deutlich: Sie schlug die Grüne Anke Wittmann als Stellvertreterin vor und stimmte geschlossen für die damals 67-Jährige, die den geballten Zorn ihrer Fraktion auf sich zog und später folgerichtig den Grünen den Rücken kehrte.

So spannend wie bei den konstituierenden Sitzungen 2008 und 2014 geht es im Bezirksausschuss Hadern eher nicht zu. Das liegt zum einen daran, dass in dem Viertel im Westen keine wirklich großen Projekte anstehen, wenn man mal von dem sich ständig verändernden Klinikum Großhadern absieht. Wohnungsbau im großen Stil ist mangels geeigneter Flächen kaum mehr möglich. Von den 922 Hektar des 20. Stadtbezirks entfallen allein 170 auf den Waldfriedhof, Münchens größten Friedhof. Neuer Wohnraum, zum Beispiel an der Ludlstraße an der Grenze zum Nachbarn Laim, kann deshalb nur entstehen, wenn man bestehende, nicht mehr zu sanierende Quartiere abreißt - oder aber im großen Stil aufstockt.

Genau diese Nachverdichtung hatte in dieser Amtsperiode im Gremium zur Folge, dass die Emotionen hochschlugen. Empörte Bürger kamen in die Sitzung und baten die BA-Mitglieder eindringlich, etwas zu tun, damit sie auf der Baustelle Stiftsbogen 152-166 nicht um ihr Leben fürchten müssen. Wieder stand Stadler im Mittelpunkt, aber anders, als ihm lieb sein konnte. Grüne und SPD forderten im Juni 2018 seinen Rücktritt.

Was war da passiert? Stadler hatte, als die Bürger wegen der unhaltbaren Zustände auf der Baustelle protestierten, einfach verschwiegen, dass seine Frau zu einem Viertel an dem Bauprojekt (Aufstockung und Neubau) beteiligt ist und sein Bruder als Architekt für die Planung verantwortlich zeichnet. Im Januar 2018, als die Mieter sich erstmals beschwerten und Details zu dem Projekt forderten, verwies er sie schmallippig auf die Lokalbaukommission. Als durch Presseberichte herauskam, was er verschwiegen hatte, sagte er erst recht nichts und gab die Sitzungsleitung bei diesem Punkt an seinen Stellvertreter Franz Alscher (CSU) ab. Einen Rücktritt lehnte Stadler damals ab.

Der Paukenschlag folgt geraume Zeit später: Erst erklärte Stadler seinen Verzicht auf eine erneute Stadtrats-Kandidatur; nun ist klar, dass der 65-Jährige auch seine 1987 gestartete Karriere im Bezirksausschuss beendet. Mit den Querelen mit der Baustelle Stiftsbogen und der Kritik an ihm habe sein Schritt nichts zu tun, sagt Stadler: "Ich habe schon vor fünf Jahren gesagt, dass ich aufhören werde." Das bezog sich zwar auf den Stadtrat, aber nun zieht er halt einen doppelten Schlussstrich.

Matthias Stadler, sein Sohn, soll ihn in beiden Positionen beerben. Der 28 Jahre alte Immobilienkaufmann und Betriebswirt arbeitet derzeit in einer Haderner Hausverwaltung. Er sieht den Verkehr als großes Problem im Viertel an und will sich bemühen, die Mobilität durch ein umfassendes Verkehrskonzept in die richtigen Bahnen zu lenken. Die künftige CSU-Fraktion sieht er dafür gut gerüstet: "Wir stellen ein gutes, ausgewogenes Team."

In Sachen Stiftsbogen-Baustelle war aber auch Stadler junior nicht ungeschoren davongekommen. Er hatte drei Mal im BA an Abstimmungen über dieses Projekt teilgenommen, sei also "insoweit seiner Mitteilungspflicht nicht nachgekommen", wie es aus dem städtischen Direktorium hieß, das die Aufsicht über die Bezirksausschüsse innehat. Er werde deshalb ein "entsprechendes Schreiben" erhalten, "um ihn über seine Mitteilungspflicht als BA-Mitglied zu informieren".

(Foto: SZ)

Federn lassen musste in dieser Amtsperiode auch die SPD. Im März 2018 trat Ulrich Schlösser aus der SPD aus, verließ die Fraktion und trat ein Jahr später der Linkspartei bei, für die er nun im BA sitzt. Der 56 Jahre alte Projektingenieur, der vor seinem Umzug nach München Vorsitzender der SPD Geretsried gewesen war, versteht seinen Schritt als Protest gegen die erneute große Koalition".

Veränderungen stehen der SPD auch sonst ins Haus. Der Fraktionssprecher Gerhard Fries, 73 Jahre alt, zieht sich nach mehr als 40 Jahren BA-Arbeit zurück. Obwohl die SPD bundes- und landesweit nicht gerade im Aufwind ist, hofft er auf ein gutes Ergebnis: "Auf kommunaler Ebene sieht es immer anders aus, und schließlich hat der Wahlkampf noch gar nicht ernsthaft begonnen." In seine Fußstapfen soll die 37 Jahre alte Schulerzieherin Isabella Fiorentino-Wall treten. Seit Jahresbeginn sitzt sie als Nachrückerin für die SPD im Stadtrat und kandidiert, wie auch Matthias Stadler bei der CSU, mit guten Chancen auf beiden Ebenen. Die Grünen-Fraktion schrumpfte durch den Weggang von Anke Wittmann vom Quartett zum Trio, angeführt von der Sprachheiltherapeutin Renate Unterberg. Sie war einst, 2011, von der CSU zu den Grünen gewechselt und lieferte sich seitdem immer wieder zum Teil bissige Scharmützel mit ihren früheren Fraktionskollegen - was einige von ihnen gelegentlich auch mit Genuss provozierten.

Was passiert, wenn Bürger auf die Politik treffen, konnte man bei den Sitzungen im Nebenraum der Gaststätte Mehlfehlds am Haderner Stern immer wieder vortrefflich studieren. Neben den Mietern vom Stiftsbogen erschienen regelmäßig auch jene Anwohner des Klinikums, die sich als "Bürgerinitiative Großhadern" vehement gegen die Neubauten auf dem Klinik-Gelände wehren - vor allem dagegen, dass die Rettungshubschauber künftig auf dem Dach eines dieser Neubauten landen und starten sollen, noch näher an ihren Häusern als bisher.

In sehr kritischem, ja forderndem Ton legten die Aktivisten den BA-Mitgliedern nahe, gefälligst gegen diese Pläne zu stimmen. Als Wortführerin im BA-Plenum agierte zuletzt vor allem die Anwohnerin Claudia Hartmann. Was die Richterin bei ihren wortreichen Auftritten nicht sagte: Sie kandidiert auf Platz 3 der neugegründeten, wachstumskritischen "München-Liste" für den Stadtrat - ist also nicht nur Bürgerin, sondern politische Konkurrenz.

Die Spitzenkandidaten (soweit bekannt): CSU: 1. Matthias Stadler, 2. Birgit Hainz, 3. Peter Winklmeier. SPD: 1. Isabella Fiorentino-Wall, 2. Robert Köster, 3. Irmgard Hofmann. Grüne: 1. Renate Unterberg, 2. Harald Schmitt, 3. Catherine Lodge. FDP: 1. Robert Klein, 2. Wilhelm Scharf, 3. Maximilian Wiegand. FW/ÖDP: 1.-3. Joel Schön.

© SZ vom 25.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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