Kultur:Sehenswerte Ausstellungen im Münchner Umland

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"Man nehme, was nicht zusammenpasst und male es fein tüftelig in altmeisterlicher Manier zusammen", sagte einst der surrealistische Maler Wolfgang Lettl, um den sich im Lettl-Museum Augsburg alles dreht (hier: "Der Überfall" von 2005). (Foto: Florian Lettl)

Wo man in einen Himmel voller Geigen, in die "Bastowerkstatt" oder die Geschichte der Barbiepuppe eintauchen kann. Sechs Ausstellungstipps.

Von Sabine Reithmaier

Nicht immer sind es die ganz großen Namen, die einen Museumsbesuch zu einem fabelhaften Erlebnis machen. Genauso reizvoll kann es sein, ungewöhnliche Privatsammlungen und Künstler kennenzulernen, die man bislang nicht kannte. Aber es schadet auch nicht, sich einmal mit der Geschichte der Barbiepuppe zu befassen oder zu erkunden, was sich hinter einer "Bastowerkstatt" verbirgt. Und wer möchte nicht endlich einmal unter einem Himmel voller Geigen zu stehen. Die Möglichkeiten dazu bieten Sonderausstellungen in bayerischen Museen.

Die Schönheit der Erde im Museum Oberschönenfeld

Die Keramikplastik "Zerborstene Granitkugel" von Jochen Rüth, zu sehen in der Ausstellung "Keramik trifft Wüstenlandschaft" im Museum Oberschönenfeld. (Foto: Judith Zacher/VG Bild-Kunst, Bonn 2024)

Die Schwäbische Galerie, Teil des Museums Oberschönenfeld in Gessertshausen, kombiniert in der Ausstellung "Keramik trifft Wüstenlandschaft" zwei interessante Künstler: den Maler Hartmut Pfeuffer (1949-2018) und den 1960 geborenen Keramikbildhauer Jochen Rüth. Die beiden kannten sich nicht, doch bei allen Unterschieden ist ihren Arbeiten doch eines gemeinsam: Sie erzählen von der Schönheit der Erde, von einsamen, stillen Orten. Den gebürtigen Aschaffenburger Pfeuffer, der seit den Neunzigerjahren in die Sahara, nach Algerien, Libyen, nach Tschad und nach Niger reiste, faszinierten die Farben der Wüsten, das flirrende Licht, der Sternenhimmel, die Weite und Einsamkeit. Sie inspirierten ihn zu seinen vielschichtigen Ölgemälden von Fels- und Dünenlandschaften. Zu seinen großformatigen Werken gesellen sich die Keramikplastiken von Jochen Rüth. Erstarrte Lavablöcke, Felsensäulen, Geoden-Steine, die so aussehen, als wären sie nicht durch Künstlerhand, sondern durch geologische Prozesse entstanden. Beeindruckend!

Keramik trifft Wüstenlandschaft: Jochen Rüth und Hartmut Pfeuffer , bis 7. April, Schwäbische Galerie im Museum Oberschönenfeld, Oberschönenfeld 4, 86459 Gessertshausen

Museum Aschenbrenner zeigt Barbies schillernde Facetten

Neben den klassischen Barbiepuppen sind im Museum Aschenbrenner Highlights wie Promi-Barbies oder Barbiepuppen in maßgeschneidertem Gewand aus der Sammlung Ilona Matzke zu sehen, etwa die Damen der Schönheitsgalerie Ludwigs I. (Foto: Museum Aschenbrenner)

Als die US-Amerikanerin Ruth Handler (1916-2002) mit ihrem Mann Elliot und Harold Matson 1945 in einer Garage die Firma "Mattel" gründete und Puppenmöbel baute, ahnte sie noch nichts vom späteren Kassenschlager der Firma. Die erste Barbie kreierte sie 1959 als junge, selbstbewusste Frau, die zweifelsfrei nicht dem damals üblichen Rollenbild einer Hausfrau und Mutter entsprach, schon weil sie fast von Anfang an ein eigenes Haus und ein Auto besaß. Begleiter Ken durfte seit 1961 nur mitfahren. Barbie, benannt nach Handlers Tochter Barbara, machte eine beispiellose Karriere, seit dem Kinofilm im Jahr 2023 ist sie sogar ein Hollywood-Star. Ihr Image als reine Modepuppe hat sie abgelegt; angepasst an den Zeitgeist bewährt sie sich längst in den unterschiedlichsten Berufen, ob als Akademikerin, Sportlerin oder Politikerin. In unterschiedli­chen Hautfarben natürlich, und inzwischen auch im Rollstuhl oder mit Prothesen. Seit Jahrzehnten scheiden sich an ihr die Geister, sie löste Debatten über Körperkult, Schönheitswahn und Feminismus aus. Eine Sonderausstellung im Museum Aschenbrenner spürt den schillernden Facetten des Lebens von Barbie nach. Neben den klassischen Puppen der Sechziger- bis Achtzigerjahre sind Highlights wie Promi-Barbies oder Barbie­puppen in maßgeschneidertem Gewand aus der Sammlung Ilona Matzke zu sehen, etwa die Damen der Schönheitsgalerie Ludwigs I.

Barbies , bis 7. April, Museum Aschenbrenner, Loisachstraße 44, 82467 Garmisch-Partenkirchen

Reise in die Unterwelt mit dem Lettl-Museum

"Memento mori" lautet der Titel der aktuellen Sonderausstellung, in der nicht nur 13 Werke Wolfgang Lettls zu sehen sind, sondern auch, angeregt von dessen Bildern, Schmuckskulpturen der Goldschmiedin Renate Knauer. (Foto: Florian Lettl/Lettl-Museum Augsburg)

Dass sich das Lettl-Museum in Augsburg, 2019 zum 100. Geburtstag seines Namensgebers eröffnet, bereits so gut in der bayerischen Museumslandschaft etabliert hat, ist Florian Lettl, dem rührigen Sohn und Nachlassverwalter des surrealistischen Malers Wolfgang Lettl (1919-2008) zu verdanken, um den sich in diesem Museum alles dreht. "Man nehme, was nicht zusammenpasst und male es fein tüftelig in altmeisterlicher Manier zusammen", notierte der Künstler einst mit der ihm eigenen Ironie das Rezept für Surrealismus. Der gebürtige Augsburger experimentierte anfangs mit verschiedenen Stilrichtungen, doch das bloß Sichtbare abzubilden, genügte ihm nicht. Er begann, kleine absurde Geschichten zu erzählen und seine Träume in Gemälde umzusetzen, seine meisterlich gemalten surrealistischen Bildwelten entstanden. "Memento mori" lautet der Titel der aktuellen Sonderausstellung, in der nicht nur 13 Werke Wolfgang Lettls, alle aus dem Jahr 2005, zu sehen sind, sondern auch, angeregt von dessen Bildern, Schmuckskulpturen der Goldschmiedin Renate Knauer. Alessandro Curiello hat die Bilder animiert und sie mit Texten versehen. Eine vergnügliche Reise in die Unterwelt.

Memento Mori, bis 17. November, Lettl-Museum für surreale Kunst, Zeuggasse 9, 86150 Augsburg

Käfer und andere Kreaturen im Staatlichen Textil- und Industriemuseum Augsburg

Von 1927 an stellte Else Stadler-Jacobs unzählige Tiere aus farbigem Bast im Pähler Ortsteil Aidenried am Ammersee her. (Foto: Bastowerkstatt)

Ein halbes Jahrhundert lang lagen sie auf dem Speicher eines Pasinger Hauses. Niemand nahm Notiz von den in Kartons verborgenen Käfern, Krokodilen, Tigern, Pinguinen und anderen großen und kleinen Tieren. Es dauerte, bis der Nachlass von Else Stadler-Jacobs auf dem Dachboden gefunden wurde. Die erfolgreiche Unternehmerin, 1899 in München geboren, hatte dort an der Kunstgewerbeschule studiert und sich von Anfang an für Tiere als künstlerisches Motiv interessiert. Von 1927 an stellte sie unzählige Tiere aus farbigem Bast im Pähler Ortsteil Aidenried am Ammersee her, gestaltete mehr als 100 heimische und exotische Tierarten. So erfolgreich, dass sie Heimarbeiterinnen beschäftigen konnte. Mitte der Fünfzigerjahre arbeiteten unter ihrer Anleitung mehr als 50 Frauen für die "Bastowerkstatt". Von dort aus wurde die Menagiere - das Spektrum reicht vom winzigen Küken bis zur Urwaldszenerie - bis in die Siebzigerjahre weltweit verkauft. Mehr als 600 Exemplare tummeln sich in der Dauerausstellung des Textil- und Industriemuseums Augsburg und warten auf Besucher.

Tiere im TIM - Kunsthandwerk aus Bast von Else Stadler-Jacobs , bis 28. Juli, Staatliches Textil- und Industriemuseum Augsburg, Provinostraße 46, 86153 Augsburg

Geigenbaumuseum Mittenwald: Die Liebe zur Geige

Aufgelockert wird die Dauerausstellung derzeit durch die Exponate einer kuriosen privaten Sammlung von Ursula Billig-Klafke, die seit Jahren alles sammelt, was mit Geigen zu tun hat. (Foto: Geigenmuseum Mittenwald)

Dass Mittenwald die Wiege des Geigenbaus in Bayern ist, hat sich inzwischen herumgesprochen. 1684 brachte Mathias Klotz das Handwerk aus Italien mit, und seither werden hier Geigen gebaut, aber auch Bratschen, Celli, Gitarren und Zithern. Von dieser Erfolgsgeschichte erzählt das Geigenbaumuseum in seiner immer sehenswerten Dauerausstellung. Aufgelockert wird die Schau derzeit durch die Exponate einer kuriosen privaten Sammlung. Ursula Billig-Klafke, Violinistin von Beruf, sammelt seit Jahren alles, was mit Geigen zu tun hat. Ihr Motiv: "die Liebe zur Form der Geige". Da trifft Plastik auf Holz, Fabrikware auf Handwerkskunst. Kitsch und Kunst vertragen sich vortrefflich, neben Meißner Porzellan geigen Pumuckl- und Diddl-Figuren. Nicht zu vergessen der begehbare "Himmel voller Geigen".

Ein Himmel voller Geigen - Die Geige zwischen Kunst und Kitsch, bis 28. April, Geigenbaumuseum Mittenwald, Ballenhausgasse 3, 82481 Mittenwald

Museum am Starnberger See würdigt Oskar Maria Graf

In fünf Kapiteln erzählt die Schau "Oskar Maria Graf. Dichter und Antifaschist vom Starnberger See" vom Leben des Schriftstellers. (Foto: Nila Thiel)

Anlässlich seines 130. Geburtstags würdigt das Museum Starnberger See Oskar Maria Graf (1894-1967) mit einer Ausstellung. In fünf Kapiteln erzählt die Schau vom Leben des Schriftstellers: Von der schwierigen Kindheit und Jugend in Berg, von seinen Anfängen als Anarchist und Schriftsteller in München, vom Exil in Wien und Brünn, das 1938 mit der Flucht nach New York endete. Dort lebte er bis zu seinem Tod, kehrte - das erzählt die fünfte Station - nur mehr als Gast nach Bayern zurück. Das Museum hat die Ausstellung ganz bewusst in diese Zeit gesetzt. Denn Graf sei "ein Mensch mit unumstößlicher Heimatliebe und ebenso unumstößlicher Festigkeit im Widerstand gegen autoritäre Hierarchien und den Faschismus" gewesen, heißt es im Einleitungstext zur Ausstellung. Empfangen werden die Besucher übrigens von dem berühmten Foto, das Stefan Moses im Jahr 1964 im Wald bei Berg von Oskar Maria Graf machte. Neben Fotos erlauben Zeitungsartikel, Briefe und andere Dokumente einen Einblick in Grafs Leben. Man kann in seinen Werken blättern, ihn in einem Filmdokument erleben und Textpassagen, eingesprochen von Schauspielern und Sprechern der Region, hören. Und kurz vor Grafs legendärer Lederhose stehen bleiben.

Oskar Maria Graf - Dichter und Antifaschist vom Starnberger See, bis 19. Mai, Museum Starnberger See. Possenhofener Straße 5, 82319 Starnberg

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