Ausstellung:Stofflicher Austausch

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Die Münchner Künstlerin Susanne Pittroff stellt im Probensaal des Gasteig HP8 ihr deutsch-polnisches Kunstprojekt "Tuchfühlung - stay in touch" vor.

Von Jürgen Moises, München

Mit jemandem auf Tuchfühlung zu gehen, heißt, dass man sich einem anderen Menschen annähert. Das kann auf einer privaten oder beruflichen, aber auch auf einer politischen oder wirtschaftlichen Ebene passieren. Ihren Ursprung hat die Redewendung in der Soldatensprache, weil Soldaten beim Antreten "Tuch an Tuch", also ganz nahe beieinander stehen. Unter Corona gilt genau das heute als Gefahr, was den Kontakt und Austausch unter Menschen und das heißt auch unter Künstlern merklich erschwert hat. Das musste auch Susanne Pittroff erkennen, als wegen des ersten Corona-Lockdowns ein geplantes Kunstprojekt in Brandenburg ausfiel. Völlig aufgeben wollte die Münchner Künstlerin das Projekt und die zugehörigen Kontakte aber nicht. Und deshalb startete sie von München aus ein daran anknüpfendes Mailart-Projekt.

Das heißt: Sie schickte an 28 andere, aus Deutschland und mehrheitlich aus Polen stammende Künstler mit der Post jeweils ein weißes Laken, das sie in einem Versandgeschäft für Hotelleriebedarf bestellt hatte. Verbunden mit der Bitte, dass sie das fabrikneue Baumwolltuch im Format 1,5 x 2 Meter (be-)nutzen und danach an sie zurücksenden. Was dabei herausgekommen ist, kann man sich nun unter dem Titel "Tuchfühlung - stay in touch" am 17. Dezember im Probensaal des Hauses C im Gasteig HP8 in München ansehen. Dort werden die zurückgesandten Tücher "präsentiert, gelüftet, drapiert, geordnet, sortiert, auf Tische gelegt, übereinandergestapelt". Außerdem werden Filme gezeigt, die während der Aktion entstanden sind, und das im Icon-Verlag veröffentlichte Buch zum Projekt wird vorgestellt.

Darin gibt es Texte, welche die Aktion kunsttheoretisch einordnen. Und man sieht, was die Künstler mit dem Tuch gemacht haben. So hat etwa Paweł Matyszewski das Laken zur Gartenarbeit mitgenommen, es als Malunterlage benutzt oder zwischen Pinien aufgespannt. Die dabei entstandenen natürlichen und künstlerischen Spuren sind nun alle darauf sichtbar. Justyna Balisz-Schmelz hat den Stoff beschriftet und teilweise angezündet, Basia Bańda hat ihn als Tischtuch benutzt, darauf gegessen und gemalt. Patrycja Cembrzyńska hat auf dem Stoff gezeichnet und einen längeren Text dazu verfasst, in dem sie über Zeichnung, Draperie und Materie philosophiert.

Diana Lelonek hat das Tuch zu einer Party in ihrer Lieblingsbar in Warschau mitgenommen. Piotr C. Kowalski hat es mit Waldbeeren bemalt, Urszula Kluz-Knopek hat es zum Yoga benutzt und ihre Hühner darauf laufen lassen. Und Izabela Chamczyk hat eine malerische Performance damit ausgeführt und diese gefilmt. Nahezu alle haben das Tuch auf eine sehr intime Weise in ihr Leben integriert. Man bekommt durch die Stoffe, Bilder und Texte einen Einblick in ihren Alltag und in bisher unbekannte Orte. Das gilt ähnlich auch für den Chorprobenraum, der als Arbeitsraum sonst nur für die Musiker zugänglich ist und laut Susanne Pittroff nun den idealen Ausstellungsort darstellt.

Susanne Pittroff: Tuchfühlung - stay in touch, Ausstellung mit Filmbeiträgen, Gesprächen und Buchvorstellung, Fr. 17. Dez., 16 bis 22 Uhr, Gasteig HP8, Haus C, Hans-Preißinger-Straße 8

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