Festival:Rocken im Hocken

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Let there be Rock: 1000 Zuschauer beim Augsburger Festival "Sommer am Kiez". (Foto: Arno Loeb)

Bands wie "Eisbrecher" und "Dritte Wahl" eröffnen das Augsburger Festival "Sommer am Kiez". Fans und Musiker sind trotz musikalisch harten Klängen selig nach über einem Jahr Konzertpause.

Von Dirk Wagner, Augsburg

Das jährliche Sommerfest des Gastronomen Stefan "Bob" Meitinger ist längst ein Höhepunkt im Augsburger Rockkalender. Normalerweise findet dieses auf dem Helmut-Haller-Platz vor 1000 Zuschauern statt. Doch coronabedingt wurde Bobs fünftes "Sommer Am Kiez", nachdem es vergangenes Jahr ausgefallen war, heuer auf das Gelände des alten Augsburger Gaswerks verlegt. Hier nämlich, im Schatten des 84 Meter hohen Gaskessels, ist ausreichend Platz, um viele Zuschauer auch auf Biertischen verteilt vor einer Bühne zu platzieren. Denn unter 1000 zahlenden Zuschauern rechne sich das Programm nicht, betont Meitinger. Darum hatte er anfangs auch frech gepokert und für seine Konzerte schon bis zu 1000 Eintrittskarten vorverkauft, als dafür wegen der Pandemie noch gerade mal die Hälfte genehmigt waren.

Rockfans nach einem Jahr Konzertpause zum Sitzenbleiben bewegen? Keine leichte Aufgabe

"Zur Not hätten die Bands zwei Konzerte am Abend spielen müssen", erklärt Meitinger. Wenn eine Band dazu nicht bereit gewesen wäre, hätte man das Konzert immer noch absagen können. Doch dazu kam es gar nicht erst. Pünktlich zum Beginn des sechswöchigen Festivals respektive der sechs Festival-Wochenenden am Gaswerk, wurde die hohe Zuschauerzahl gestattet, die nun am ersten Wochenende die Konzerte der Punkband Dritte Wahl am Freitag und am Samstag, sowie das Konzert der Rockband Eisbrecher am Sonntag hätte sitzend genießen sollen. Mit derselben Logik könnte man wahrscheinlich auch eine Katze bitten, der Maus nicht hinterher zu jagen, die gerade an ihr vorbeihuscht. Denn natürlich erhoben sich die Rockfans mit den ersten Live-Klängen, die für viele Zuschauer immerhin auch eine fast einjährige Konzertpause brachen. Einige stiegen sogar der besseren Sicht wegen auf die Bänke. Doch prompt eilten Ordner herbei, um genau das zu unterbinden. Allerdings gelang ihnen das mit einer Lässigkeit, die selbst rockpreis-verdächtig ist. Mitunter duldeten sie aber auch einen Rollstuhlfahrer samt seiner Freunde fernab der Tische, weil er von dort einen besseren Blick auf das Bühnengeschehen hatte. Tatsächlich wurde gerade solche Freundlichkeit des Security-Personals mit einer ebenso freundlichen Einsicht der Zuschauer belohnt, die darum also ein herrlich entspanntes Rockfestival gemeinsam genießen konnten.

Eines, bei dem sie übrigens am Sonntag von dem aus Augsburg stammenden Eisbrecher-Sänger Alexander Wesselsky persönlich am Eingang begrüßt wurden. Hier posierte Wesselsky in Lederhose für gemeinsame Fotos mit seinen Fans, bevor er dann noch vor Konzertbeginn mit seiner Entourage die 392 Stufen zum Dach des Gasbehälters hinauf und wieder herab stieg. Sportlicher hat sich selten eine Band auf ein Konzert eingestimmt. Musikalisch war sie ohnehin gerüstet. Schließlich hätte sie ohne die Pandemie im vergangenen Jahr ihre erste Europa-Tournee spielen sollen. Stattdessen beglückte sie die Fans mit einem Coveralbum, auf dem unter anderem der Spider Murphy Gang-Hit "Skandal im Sperrbezirk" mit neuer deutsche Härte geimpft wurde, und mit dem neuen Album "Liebe Macht Monster". Mit "FAKK", "Nein, Danke" und "Im Guten Im Bösen" fanden aber gerade mal drei neue Songs in die mit alten Hits gespickte Setliste von Eisbrecher, die mal vollmundig von sich behaupteten, dass nur Rammstein über ihnen thronen würde. Ähnlich wie Rammstein mischen Eisbrecher eine harte Rockmusik mit elektronischen Klängen, und ähnlich wie Rammstein wissen Eisbrecher ihren Sound auf der Bühne auch visuell zu inszenieren. Da trägt man auch auf einer Sommerbühne mal Polar-taugliche Anoraks und Mützen, um eine gefühlte "Eiszeit" zu besingen. Weil es gar so schön war, wurden die Fans am Ende noch mit einer akustischen Lagerfeuer-Version des Michael Holm-Schlagers "Tränen lügen nicht" enthärtet. Das weitere Programm des Festivals mit Whiskey Foundation (24. Juli), Knorkator (30. Juli) und anderen steht im Internet unter sommeramkiez.de/lineup.

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