Asylbewerber in München:Flüchtlinge für eine bessere Stadt

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"Bellevue di Monaco" plant Willkommenszentrum für Flüchtlinge in München, 2015

Die Initiative "Bellevue di Monaco" möchte in den städtischen Anwesen Müllerstrasse 2-6 ein Willkommenszentrum für junge Flüchtlinge einrichten.

(Foto: Stephan Rumpf)

12 000 Flüchtlinge soll bald in München leben - sie unterzubringen, das ist Management des Mangels. Doch in der Stadt wächst die Solidarität und es bilden sich ungewöhnliche Allianzen.

Von Bernd Kastner

An der Wand über dem Oberbürgermeister erscheint das Wort "Notfallplanung". Kleine blaue Häuschen sind zu sehen und große braune, sie haben rote Dächer und sind durch Pfeile verbunden. Dann noch ein großer Bau und: "Notunterbringung". Stadtrat, Vollversammlung diese Woche, TOP 5: Unterbringung von Flüchtlingen. Als Brigitte Meier, die Sozialreferentin, zu sprechen beginnt, steht über ihr: "Dringender Handlungsbedarf". Sie redet, klickt Zahlen herbei, zum Beispiel die 12 342, dann das Wort "Container". Doch kaum ein Stadtrat hört zu, es gibt Wichtigeres. Zeitung lesen, E-Mails checken, mit dem Nachbarn schwätzen.

Dabei wäre es wert, der Sozialreferentin von der SPD zuzuhören. Es werden die Konturen eines Konzepts erkennbar. Gut 12 000 Flüchtlinge muss München am Ende des Jahres beherbergen, das sagt die aktuelle Prognose; die braunen Häuschen symbolisieren Container, in denen bald bis zu 500 Menschen leben sollen. Es werden in diesem Jahr so viele Flüchtlinge nach München kommen, wie seit 20 Jahren nicht. Doch aller Not-Rhetorik zum Trotz, die Stimmung in der Stadt ist eine ganz andere als in den Neunzigern.

Die vielen Geflohenen verändern Gesicht und Gefühl von München. Bürogebäude verwandeln sich in Heime, auf Kiesbrachen wachsen Containerdörfer. Syrische oder somalische Kinder werden in Schulen so fremd oder vertraut sein wie sonstige Zuagroaste. Viele Betriebe warten sehnlich darauf, dass junge Flüchtlinge einen sicheren Aufenthaltsstatus bekommen. Sie gelten als ehrgeizig, innerhalb weniger Monate sprechen viele von ihnen gut deutsch. München hat die Chance, zur Stadt der Solidarität zu werden, und sich damit selbst etwas Gutes zu tun.

München lernt das Improvisieren

Es bilden sich gerade ganz neue Allianzen: Die CSU-geprägte Handwerkskammer buhlt um mehr öffentliches Geld für die Förderung junger Flüchtlinge. Im Projekt "Bellevue di Monaco" arbeiten Asyl-Kämpfer mit Kulturgrößen und Jugendhilfeexperten an einem Leuchtturm der Integration inmitten der Stadt. Der Gründer der Schlau-Schule für Flüchtlinge, der kreative wie streitbare Michael Stenger, lobt den CSU-Kultusminister Ludwig Spaenle für das Sprachkursangebot.

München lernt auch das Improvisieren. In der Bayernkaserne engagiert sich ein Mitarbeiter des zuletzt so kritisierten Kommunalreferats auch nach Feierabend. Er sollte eigentlich den Abriss managen, stattdessen hat er nach und nach ein Asyldorf mit bemerkenswerter Infrastruktur aufgebaut. Und im Bezirksausschuss Freimann vermittelt ein CSU-Mann zwischen Anwohnern und Flüchtlingen, wenn es mal Ärger gibt.

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