Maxvorstadt:Das Arri ist jetzt ein Luxus-Kino

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So sieht das neue Arri-Kino in der Türkenstraße von innen aus. (Foto: Florian Peljak)
  • Das vor einem Jahr geschlossene Arri-Kino in der Türkenstraße eröffnet wieder - als "Astor Film Lounge im Arri".
  • Die Filme werden in drei Sälen mit neuester Technik aufgeführt. Auch eine der größten Leinwände Münchens kommt zum Einsatz.

Von Josef Grübl

Das Haus-im-Haus-Prinzip ist nicht nur bei ökologisch denkenden Bauherren oder den Planern von Maisonettewohnungen beliebt, sondern neuerdings auch bei Kinobetreibern in Schwabing. Dort, genauer gesagt an der Türkenstraße, eröffnet jetzt wieder das vor einem Jahr geschlossene und seitdem komplett entkernte und runderneuerte Arri Kino. Von außen hat sich nicht viel verändert, im Inneren jedoch ist das Traditionskino kaum wiederzuerkennen.

"Astor Film Lounge im Arri" heißt das Kino jetzt, statt einem Filmsaal wie bisher gibt es nun gleich drei sowie ein großes Foyer samt Bar. Der größte Kinosaal ist in einer umgebauten Produktionshalle untergebracht: Wo man früher Fernsehsendungen wie "Die Anstalt" aufzeichnete, werden jetzt Filme aufgeführt - mit neuester Technik auf einer der größten Leinwände Münchens.

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Auch die beiden anderen Säle sind komplett neu: Einer ist im alten Arri-Kinosaal untergebracht, der andere wurde neu als eine Art Clubkino mit Büchern an der Wand errichtet. Gemütlich soll es in allen drei Sälen werden: Die Zuschauer nehmen in breiten Ledersesseln Platz, es gibt elektrisch ausfahrbare Fußteile und reichlich Reihenabstand, niemand soll sich bedrängt fühlen. Das hat seinen Preis: Die Umbaukosten beliefen sich insgesamt auf zehn Millionen Euro - Abriss und Neubau wären vermutlich günstiger gewesen.

"Die Außenmauern sind stehen geblieben, innen haben wir aber bis zu 1,20 Meter dicke Wände eingezogen", erklärt der neue Kinobetreiber Hans-Joachim Flebbe zwei Wochen vor der Eröffnung in einem Schwabinger Café. Den Treffpunkt hat er vorgeschlagen, das Kino ist zu diesem Zeitpunkt noch eine Baustelle, es wird erst in letzter Minute fertig werden. Die Sache mit den dicken Mauern habe neben den Brandschutzauflagen vor allem akustische Gründe: Wegen der bis zu 80 000 Watt starken Soundanlagen müsse man besser schallisolieren, sagt Flebbe.

Der gebürtige Niedersachse ist einer der profiliertesten Kinounternehmer der Republik. In den Siebzigerjahren betrieb er in Schwabing Filmkunstkinos wie das Studio Isabella oder das (längst geschlossene) Türkendolch. Ende der Achtzigerjahre gründete er mit Geschäftspartnern die Cinemaxx-Gruppe und löste damit den Multiplex-Boom aus.

Die ersten dieser Popcorn-Hochburgen entstanden in Hannover und Essen, 1993 folgte das "Maxx" am Münchner Isartor. Insgesamt eröffnete Flebbe 40 dieser Kinos in ganz Deutschland, später expandierte er auch international. Die Firma ging an die Börse und holte sich neue Partner an Bord, es gab Streit und wirtschaftliche Probleme - was dazu führte, dass Flebbe sein Unternehmen 2008 verließ.

"Danach wollte ich ein Kino machen, in das ich selber gerne gehen würde", erzählt der Mittsechziger bei einem Cappuccino. All das, was ihn bisher immer genervt habe - die langen Warteschlangen an der Kasse, das Anstehen für Getränke und Popcorn, die endlosen Werbeblöcke vor dem Film - sollte es bei ihm nicht mehr geben. So eröffnete er im Dezember 2008 am Berliner Kurfürstendamm die erste Astor Film Lounge in einem renovierten und technisch aufgerüsteten Traditionskino mit Online-Reservierung, Garderobendienst, Begrüßungscocktail und Bedienservice am Platz.

Das Konzept ging trotz der höheren Eintrittspreise auf, Flebbe eröffnete weitere Astor-Kinos in deutschen Großstädten und übernahm den Berliner Zoo Palast. Auch in München ist Flebbe vertreten: In der Astor Cinema Lounge im Bayerischen Hof wird das Konzept bereits im Kleinen umgesetzt - mit Erfolg, wie er betont.

Doch Flebbe ist nicht der Einzige, der in diesem Segment tätig ist: 2012 baute die Kinopolis-Gruppe den Gloria Palast am Stachus um und bietet dort einen beinahe identischen Premiumservice an. Gegen diesen Konkurrenten und die vielen alteingesessenen Schwabinger Filmtheater wird sich Flebbe behaupten müssen. Er zielt mit seiner Strategie auf eine ältere Zielgruppe und Zuschauer, die nicht auf jeden Euro schauen müssen - wovon es in München ja genug gibt. Die Kartenpreise in der "Astor Film Lounge im Arri" bewegen sich zwischen 9,50 und 15 Euro.

Der Unternehmer Hans-Joachim Flebbe gründete die Cinemaxx-Gruppe und löste damit den Multiplex-Boom aus. (Foto: Florian Peljak)

Auf dem Spielplan soll "gehobener Mainstream" stehen, also nicht unbedingt die lautesten Effektspektakel aus Hollywood, aber durchaus US-Filme. Daneben sollen viele deutsche und europäische Produktionen gezeigt werden. Die Zuschauer sollen ihr altes Arri zumindest am Programm wiedererkennen, für die Filmauswahl ist weiterhin der bisherige Kinobetreiber Christoph Ott zuständig. Es wird Filmreihen und Matineen geben, Opern- und Ballettübertragungen, auch 70-mm-Klassiker wie Stanley Kubricks "2001: Odyssee im Weltraum" können auf einem eigens installierten Projektor aufgeführt werden. Premieren und Firmenfeiern sind geplant, auch das Filmfest München soll hier nächstes Jahr zu Gast sein.

Flebbe weiß, dass er viel bieten muss - das Publikum ist verwöhnt und die Konkurrenz durch Streamingdienste wie Netflix oder Amazon Prime hart. Ist es wirklich eine gute Idee, im Jahr 2018 so viel Geld in ein Kino zu stecken? Das Jahr ist noch nicht zu Ende, die Filmförderungsanstalt (FFA) rechnet erst Anfang 2019 ab, doch schon jetzt ist die Bilanz der Kinobetreiber verheerend: Der lange Sommer, die Fußball-WM und der Mangel an Blockbustern wie "James Bond" oder "Fack ju Göhte" haben Spuren hinterlassen. Ein Besucherrückgang von 20 Prozent ist zu erwarten, womöglich wird sogar erstmals bundesweit die 100-Millionen-Zuschauergrenze unterschritten.

Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass die Branche von 200 Millionen Besuchern pro Jahr träumte: Um die Jahrtausendwende, als die Deutschen in Kinohits wie "Harry Potter" oder "Der Schuh des Manitu" strömten, hätte es fast geklappt, doch seitdem geht es kontinuierlich bergab. Im internationalen Vergleich steht Deutschland ohnehin schlecht da: Während die Zuschauerzahlen in Ländern wie Russland oder Polen steigen und beispielsweise die Franzosen durchschnittlich mehr als dreimal pro Jahr ins Kino gehen, nimmt dieser Wert hierzulande stetig ab. Im vergangenen Jahr lag er laut den FFA-Zahlen bei gerade einmal 1,48. Der Deutsche geht statistisch also nur anderthalbmal pro Jahr ins Kino

Doch genau daran knüpft Flebbe mit seinem Astor-Konzept an: Er will den Kinobesuch wieder zum Erlebnis machen, zu einer Alternative zu langen Netflix-Nächten und anderen Kultur- und Freizeitangeboten. Ab diesem Freitag ist sein Kino für das Publikum geöffnet. In der Startwoche stehen der Freddie-Mercury-Film "Bohemian Rhapsody", der Thriller "Widows" und die deutsche Komödie "100 Dinge" auf dem Programm. Ob das Ganze dann vor vollem Haus stattfindet, liegt in der Hand der Zuschauer.

© SZ vom 06.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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