Kündigung nach Streit:Gericht sieht Vermieter "auf eine unmenschliche Ebene" herabgewürdigt

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Ein Streit im Treppenhaus eskaliert, ein Mieter beleidigt den Vermieter - und wird dafür gekündigt. Zu Recht, urteilt das Amtsgericht. Dabei ging es eigentlich nur um eine Lappalie.

Von Susi Wimmer

Gegen einen vernünftigen Tratsch im Treppenhaus hatte schon das gute Ohnsorg-Theater in der 60er-Jahren nichts einzuwenden. Wenn der Klatsch aber in einen verbalen Streit mit kleiner Tätlichkeit mündet, kann das böse Folgen haben. So kündigte ein Vermieter nach einer Beleidigung im Treppenhaus den langjährigen Mietern einer Wohnung fristlos, weil er das Vertrauensverhältnis als zerrüttet ansah. Das Amtsgericht stellte sich auf die Seite des Vermieters.

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Es war eine Lappalie, die einen riesigen Stein ins Rollen brachte: Die vier Mieter leben bereits seit 2006 in der Fünf-Zimmer-Wohnung in Oberschleißheim, wie Lutz Lauffer, Pressesprecher am Amtsgericht, mitteilte. In dem Anwesen mit mehreren Wohneinheiten regelt eine Hausordnung, dass das Abstellen von Gegenständen wie Fahrrädern oder Kinderwagen beispielsweise in der Garagenauffahrt, in den Gängen oder im Treppenhaus ohne Einwilligung des Vermieters nicht gestattet sei. Trotzdem parkten zwei Mieter ihre Radl im Eingangsbereich und behinderten so eine Familie, die mit ihrem Kinderwagen nun nicht mehr durchkam. Man klingelte bei den Mietern und bat um Abhilfe, aber die Räder blieben stehen.

"Wer bist du? Halt die Fresse!"

Im nächsten Schritt bat die Familie den Vermieter um Hilfe. Das gemeinsame Gespräch an der Wohnungstüre der Mieter eskalierte. Einer der Bewohner fuhr den Vermieter an: "Wer bist du? Halt die Fresse!" Dazu führte er seine Hand in Richtung Oberkörper des Vermieters, sodass dieser ausweichen musste. Das Gespräch war somit beendet, der Vermieter erstattete Strafanzeige und stellte den vier Mietern die fristlose Kündigung zu.

Die Kündigung sei rechtens gewesen, befand nun ein Zivilgericht. Die Zurechtweisung des Vermieters im Beisein anderer Hausbewohner stelle eine Nichtachtung und Missachtung dar, da sie den Vermieter "auf eine unmenschliche Ebene herabwürdigt". Hinzu komme noch, dass die Beleidigung von einer Tätlichkeit flankiert gewesen sei, "welche zugleich zumindest nötigenden Charakter hatte". Eine Abmahnung vor der Kündigung sei nicht notwendig gewesen. Denn durch die schwere Beleidigung sei "das für die Vertragserfüllung unerlässliche Vertrauen zerstört worden". Und auch wenn nur einer der vier Mieter ausfällig geworden war, so trifft die Kündigung alle. Die schuldhafte Pflichtverletzung nur eines Mieters gehe auch zu Lasten der anderen Mieter, urteilte das Gericht (Az: 473 C 9473/21).

Der Richter gewährte eine Räumungsfrist bis Ende Juli. Und das auch nur, weil der Gesundheitszustand des Beklagten schlecht sei und die Pandemie-Lage die Wohnungssuche erschwere. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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