Vokal-Jazz:Sturm und Drang

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2021 hagelte es für Alma Naidu Preise: Erst gewann sie den 3. Preis beim Kurt Maas Jazz Award, dann den BMW Young Artist Jazz Award und den Kunstförderpreis des Freistaats Bayern. (Foto: Tom Schneider)

Sängerin Alma Naidu bespielt ihre "Summer Week" in der Unterfahrt in fünf verschiedenen Konstellationen.

Von Oliver Hochkeppel, München

Dass eine der großen Hoffnungen des deutschen Jazzgesangs aus München kommt, ist für Szenekenner keine Neuigkeit mehr. Die 26-jährige Alma Naidu hat sich zuletzt unübersehbar ins Rampenlicht gesungen. 2019 darf man als Jahr ihres Durchbruchs ansetzen. Nicht nur bekam sie am Staatstheater Augsburg eine Hauptrolle im Musical "Jesus Christ Superstar" und in der Unterfahrt ihren ersten eigenen Termin, entscheidend wurde ihre Reise zur Jazzwoche Burghausen. Da sang Naidu erst eindrucksvoll das "Sacred Concert" von Duke Ellington, danach stieg sie im Jazzkeller in die Session ein. Und die Sessionband bestand aus Star-Schlagzeuger Wolfgang Haffner mit seinem ebenfalls noch blutjungen Tastenwunderkind Simon Oslender und dem Bassisten Jean-Philipp Wadle. Haffner war so verzaubert von Naidu und ihrer Stimme, dass er sie vom Fleck weg für seine kommenden Projekte engagierte. So war Naidu auf dem 2020 erschienenen Haffner-Album "Kind of Tango" wie auch bei der anschließenden Tour mit von der Partie.

Das verschaffte ihr selbst im Corona-Jahr eine mächtige Stream-Präsenz, 2021 wurde sie Mitglied der der Jazzrausch Bigband, und es hagelte Preise: Erst gewann sie den 3. Preis (gegen härteste Instrumentalisten-Konkurrenz) beim Kurt Maas Jazz Award, dann den BMW Young Artist Jazz Award und den Kunstförderpreis des Freistaats Bayern. Heuer erschien ihr Debüt-Album "Alma" beim wie sie selbst aufstrebenden Kölner "Leopard"-Label. Das schaffte es auf Platz sechs der Jazz-Charts und bekam glänzende Kritiken, selbst vom Rolling Stone-Magazin. Die Aufmerksamkeit verwundert nicht, bilden doch Haffner, Oslender und der Kölner Top-Bassist Claus Fischer die Rhythmusgruppe, und bei einigen Songs stoßen Star-Posaunist Nils Landgren und Sting-Gitarrist Dominic Miller als Gäste dazu.

Naidus Dynamik reicht vom fast Gehauchten bis zum phonstarken Ausbruch

Mindestens so eindrucksvoll aber sind Naidus Kompositionen: feiner, variabler Songwriter-Jazz mit nicht alltäglichen Texten und hörbarer Liebe zur Filmmusik. "Alma" unterstreicht damit, dass der beste Pop aktuell oft in der Jazzabteilung zu finden ist. Was natürlich nicht zuletzt an Naidus herausragender, klassisch wie im Jazz ausgebildeten Stimme liegt. Als "zartelegisch, wunderschön klar und absolut intonationssicher" hat Jazzthing sie beschrieben, dazu kommt die Dynamik, über die Naidu verfügt, vom fast Gehauchten bis zum phonstarken Ausbruch. Schließlich schafft es Naidu dank ihrer Ausstrahlung direkt ins Herz und ins Gemüt des Hörers.

Man fragt sich, wie sie all dies in so kurzer Zeit geschafft hat, denn nebenbei hatte sie ja auch noch ihr Studium an der Münchner Musikhochschule zu absolvieren, samt einem von Brexit und Corona stark behinderten Gastjahr an der Royal Academy of Music in London, wo sie bei der großartige Norma Winstone lernen durfte. Aber voller Tatendrang, Elan und Ehrgeiz war Naidu schon immer. Dass sich das auf die Musik richtete, wurde ihr mitgegeben. Ihr Vater ist Dirigent, ihre Mutter die Opernsängerin Ann-Katrin Naidu, die über 80 Bühnenrollen am Gärtnerplatztheater gespielt hat, das Alma dementsprechend auch ihren "Kindheitsort" nennt. Mit Musik wuchs sie also auf, lernte Klavier, Geige und Gitarre, Ballett und Tanz, bekam eine klassische und eine Musical-Gesangsausbildung. Rebellierte auch mal gegen den elterlichen Weg, wie sich das gehört, wollte Astronomin werden und begann ein Studium der Kommunikationswissenschaften und der Psychologie. Um dann aber eben doch wieder zur Musik zurückzufinden. Und beim Jazz zu landen, in den all ihre vielen Begabungen und Erfahrungen am besten einfließen können.

Mit Tim Allhoff begleitet Naidu einer der erfolgreichsten und populärsten deutschen Jazzpianisten, der sich zuletzt in Richtung Klassik-Crossover bewegt hat. (Foto: Studio Maximilian König)

Angesichts ihres Fleißes nimmt es nicht Wunder, dass Naidu sich auch bei ihrer ersten "Summer Week" in der Unterfahrt mehr Arbeit macht als andere: Die fünf Abende bestreitet sie in fünf unterschiedlichen Konstellationen und mit fünf unterschiedlichen Programmen. Zum Einstieg am Dienstag tritt sie solo am Flügel auf, die Songs ihres Albums werden da im Mittelpunkt stehen. Der Mittwoch steht unter dem Motto "Vocal Night" - Naidu lädt drei Kolleginnen und Kollegen zu einem bunten A-Cappella-Mix: Die Österreicherin Veronika Morscher, die man außer von eigenen Alben und vom BuJazzo vor allem als Mitglied des grandiosen Quartetts Of Cabbages And Kings kennt; den ebenfalls multistilistischen und -instrumentalistischen Florian Stiersdorfer, der unter anderem mit Andreas Dombert als The Music Makers unterwegs ist; und den Kommilitonen Maximilian Höcherl, der mit seiner Stimme wie seinem Charisma ebenfalls zu den großen Hoffnungen zählt.

Naidus angestammte Band mit Lukas Häfner an der Gitarre, Lisa Wulff am Bass und Simon Bräumer am Schlagzeug kommt am Donnerstag an die Reihe. Die opulenteste Besetzung steht am Freitag bei "Voices & Strings" auf der Bühne: Neben der Rhythmusgruppe mit Wulff und Marco Duffner am Schlagzeug sind ein Streichertrio mit Valérie Siegrist, Barbara Grohar und Sofía Rodríguez sowie noch einmal Stierstorfer und Morscher als Backing-Vokalisten im Einsatz. Für das Finale am Samstag wählte Naidu schließlich die klassische Duo-Formation Gesang und Klavier. Mit Tim Allhoff begleitet sie einer der erfolgreichsten und populärsten deutschen Jazzpianisten, der sich zuletzt in Richtung Klassik-Crossover bewegt hat. Sehr, sehr spannend das alles. Eigentlich müsste man zu allen fünf Konzerten in die Unterfahrt gehen.

Alma Naidu, Di., 30. Aug., bis Sa., 3. Sept., 20.30 Uhr, Unterfahrt, Einsteinstr. 42, Tel. 448 27 94

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