Münchner Kammerspiele:"Ich freue mich riesig!"

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Dramaturgin Barbara Mundel übernimmt in der Spielzeit 2020/2021 die Intendanz der Kammerspiele. (Foto: Patrick Seeger/dpa)
  • Barbara Mundel übernimmt die Intendanz der Münchner Kammerspiele.
  • Sie war bis 2017 Intendantin des Theaters Freiburg und arbeitete zuletzt als Dramaturgin bei der Ruhrtriennale.
  • Mundel war zwei Jahre lang Chefdramaturgin an den Kammerspielen.

Von Christine Dössel

Der Vorgang verdient einen Tusch: Erstmals in der Geschichte der Münchner Kammerspiele wird künftig eine Frau sie leiten. Die Dramaturgin und Theatermacherin Barbara Mundel übernimmt als Nachfolgerin von Matthias Lilienthal in der Spielzeit 2020/2021 die Intendanz des renommierten Hauses. Das bestätigte am Mittwoch der Münchner Stadtrat, der damit der Empfehlung des Kulturreferenten Hans-Georg Küppers (SPD) folgt.

Beifall verdient die Entscheidung vor allem auch, wenn man sich vor Augen hält, dass im deutschen Theater nur 22 Prozent der Intendanzen weiblich besetzt sind. Insofern ist diese Besetzung allein zwar noch kein großer Fortschritt; aber immerhin ein Schritt. Bedeutsam auch deshalb, weil es sich bei den Kammerspielen um eines der wichtigsten und schönsten Theater der Republik handelt. So ein Haus zu leiten, ist ein Traum.

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"Ich freue mich riesig!" Barbara Mundel, die gerade eine Schilddrüsenoperation hinter sich hat, sprudelt am Telefon. Es ist auch ihr Temperament, das die gebürtige Hildesheimerin trotz ihrer etwas mitgenommenen Stimmbänder so schnell und begeistert reden lässt. Sie spricht in ihrer offenen Art gleich mal das an, worüber einige nach dem Bekanntwerden ihrer Berufung sofort gemault haben: dass sie als 59-Jährige keine junge Frau mehr ist. "Stimmt", sagt Mundel, "ich bringe eine Biografie mit und werde offensiv damit umgehen."

Schon einmal war sie die erste Frau an der Spitze eines Theaters, von 1999 bis 2004 in Luzern. Sie sagt, ihr Frausein war damals noch zentrales Thema. Mit ihrem fordernden Programm war sie in der Schweiz die "gelobte, ungeliebte Fremde", wie ein Magazin titelte. Zuletzt leitete sie elf Jahre lang, bis 2017, das Theater Freiburg. Sie fiel dort als Vernetzerin und Stadtprojektmacherin auf, etablierte das Theater als "Heart of the City", als Herz der Stadt, und arbeitete an einem "Stadttheater der Zukunft". Künstlerisch hatte das Haus allerdings keine so große Ausstrahlung, jedenfalls nicht überregional.

Zu Barbara Mundels Biografie gehört ein Studium der Neueren deutschen Literatur, Kunstgeschichte und Theaterwissenschaft, unter anderem in München, wo sie von 1986 bis 1988 Regieassistentin am Bayerischen Staatsschauspiel war. Seit dieser Zeit kennt sie den Intendanten (und Königsmacher) Frank Baumbauer, bei dem sie zunächst am Theater Basel als Dramaturgin arbeitete und später, ja genau: an eben diesen Münchner Kammerspielen, die sie künftig leiten wird.

Lilienthal ist über Grabenkämpfe gestolpert

Von 2004 bis 2006 war sie Chefdramaturgin an dem Haus, kennt es also aus dem Innersten und weiß, wovon sie spricht, wenn sie sagt: "Dieses sehr spezielle Theater hat sich stets über die Schauspieler und die Sprache definiert, stand aber immer auch für Gegenwart, Avantgarde." Diesen Spagat will sie hinbekommen, ja mehr noch, sie möchte, dass das gar nicht mehr als Spagat empfunden wird: "Diese Grabenkämpfe zwischen Schauspielertheater und Performance, Literatur und Projektentwicklung finde ich total blöd."

Der amtierende Intendant Matthias Lilienthal ist über solche Grabenkämpfe gestolpert. Jedenfalls hat er mit seinem Freie-Szene-Mix aus sehr vielen Performance-, Konzert- und Diskursformaten und vergleichsweise wenig Schauspiel das Stammpublikum vergrault, keinen nachhaltigen Publikumsaustausch hinbekommen. Als CSU-Politiker drohten, seinen Vertrag nicht zu verlängern, kündigte er selber seinen Abschied an. Mundel, derzeit noch Dramaturgin bei der Ruhrtriennale, soll das Haus wieder vollkriegen und in die Zukunft führen.

Mundel kennt Lilienthal. Sie war wie er in den Neunzigerjahren Dramaturgin an Frank Castorfs Berliner Volksbühne. Im Grunde kommen beide aus derselben Schule, denken beide in dieselbe Richtung. Dass Mundel eine Frau ist - und zwar eine, der viel Empathie nachgesagt wird -, könnte den großen kleinen Unterschied machen.

© SZ vom 25.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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