USA:Zuerst schießen, dann fragen

Eine Spezialeinheit der Polizei während einer Demonstration gegen Rassismus und Polizeigewalt in Atlanta. (Foto: REUTERS)

Neben den sozialen Problemen trägt auch die umfassende Bewaffnung der Amerikaner Schuld daran, wenn Zusammentreffen von Polizisten und Bürgern tödlich enden.

Kommentar von Hubert Wetzel, Washington

Es ist offensichtlich, dass die Vereinigten Staaten ein Polizeiproblem haben. Auf den Streifenwagen amerikanischer Polizisten steht zwar das Motto "to protect and to serve". Aber sehr viele Polizeibeamte in den USA sehen sich weniger als Freunde und Helfer der Bürger, die sie beschützen und denen sie dienen sollen.

Sie sehen sich, wie zur Zeit des Wilden Westens, als "the law" - als "das Gesetz". Und manche sehen sich auch als Soldaten, die einen "Krieg" gegen Kriminalität oder Drogen führen, die aber de facto die eigene Bevölkerung bekämpfen.

Wenn sich dieses martialische Selbstbild mit Rassismus mischt, mit Brutalität, schlechter Ausbildung, Angst, Korpsgeist und Straflosigkeit, dann entstehen lebensgefährliche Situationen. Hunderte Amerikaner, schwarze und weiße, bezahlen das jedes Jahr mit ihrem Leben - mehr als in jedem anderen westlichen Land.

Allerdings sterben in den USA auch jedes Jahr 40 bis 50 Polizisten durch Kugeln. Das ist für das Land ebenfalls ein bitteres Alleinstellungsmerkmal. Und es ist ein Hinweis, dass neben allen sozialen Problemen auch die umfassende Bewaffnung der Amerikaner Schuld daran trägt, wenn so viele Zusammentreffen von Polizisten und Bürgern tödlich enden. Zuerst schießen, dann fragen, nur um sicherzugehen - diese Einstellung entschuldigt nichts, sie erklärt aber viel.

© SZ vom 15.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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