Energiekrise:Es hilft alles nichts

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Welch unrühmliche Rolle Saudi-Arabien in Jemen oder im Fall Khashoggi gespielt hat, ist fast schon wieder vergessen: Bundeskanzler Olaf Scholz bei seiner Ankunft in Dschidda. (Foto: Andreas Rinke/Reuters)

Saudi-Arabien, Katar und die Emirate: Kanzler Olaf Scholz besucht nicht gerade die feinsten Partner. Aber wozu sich etwas vormachen: Die drei Staaten sitzen am längeren Hebel, denn Deutschland wird noch lange auf fossile Energie angewiesen sein.

Kommentar von Paul-Anton Krüger

Die Besuche in drei Golf-Staaten gehören sicher nicht in die Kategorie politische Traumreise für Olaf Scholz. Es ist die Realität des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, die den Ausflug zu den Öl- und Gasmonarchen geradezu erzwingt. Der Bundeskanzler muss um fast jeden Preis verhindern, dass im Winter die Energieversorgung in Deutschland kollabiert. Und wenn er den sozialen Frieden wahren und nicht die SPD aus der Regierung in den Absturz führen will, muss er auch zusehen, dass die Preise für Strom und Wärme nicht die Gesellschaft zerreißen oder ganze Industriezweige ruinieren ebenso wie die vielen kleinen und mittleren Betriebe, die jetzt in Existenznot geraten.

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Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar gehören zu jenen Produzenten, die ihre Förderung in relativ kurzer Zeit steigern können. Davon gibt es wenige auf der Welt, schon gar nicht unter Staaten, welche die Werte der westlichen Demokratien uneingeschränkt teilen. Auch am Golf handelt Scholz quasi in enger Abstimmung mit den Alliierten: US-Präsident Joe Biden, der Saudi-Arabien zum "Paria, der sie sind" machen wollte, hat Kronprinz Mohammed bin Salman ebenso mit einer Aufwartung rehabilitiert wie Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, der - anders als Berlin - nie die Waffenlieferungen eingestellt hat.

Trotz Glitzerfassaden ein knallharter Überwachungsstaat

Es ist kaum zu erwarten, dass Mohammed bin Salman sich beeindruckt zeigt von Mahnungen, die Menschenrechte auch in seinem Reich zu achten. Er kann darüber hinweggehen, wenn ihm der Mord an Jamal Khashoggi vorgehalten wird, solange er dank der Rohstoffe, die quasi Familienbesitz sind, wieder hofiert wird. Im Krieg in Jemen gilt Saudi-Arabien inzwischen nicht ganz zu Unrecht als der konstruktivere Akteur als die von Iran unterstützten Huthis, die das Land als Faustpfand behandeln. Und dass er um ein Haar Katar überfallen hätte, ist fast schon vergessen.

Die Emirate sind Vorreiter des Modells der autoritären Stabilität, das sie Ägypten übergestülpt haben und auch in Libyen zu etablieren versuchten, und trotz Glitzerfassaden ein knallharter Überwachungsstaat. Katar ist aus dem Boykott der Nachbarn gestärkt hervorgegangen, gelangte durch den Abzug des Westens aus Afghanistan wieder in die Rolle als unverzichtbarer Vermittler, der Kontakte zu allen Seiten hält. Dohas Umgang mit den Arbeitern, die Infrastruktur und Stadien gebaut haben, gerät unbenommen mancher Verbesserungen der Rechtslage mit der Fußballweltmeisterschaft wieder in den Fokus.

Wasserstoff weist den fossilen Dinosauriern einen Weg in die Zukunft

Es sind nicht die feinsten Partner, die Deutschland am Golf findet - sich ergänzende Interessen bestimmen die Beziehungen. Offiziell liegt der Fokus denn auch auf dem Aufbau einer Partnerschaft für Wasserstoff, der in den Golfstaaten dank der Sonne und mit deutscher Technologie zuhauf produziert werden könnte. Tatsächlich weist Wasserstoff den fossilen Dinosauriern einen Weg in die Zukunft. Und Deutschland wird noch für Jahrzehnte auf Energieimporte angewiesen bleiben, selbst wenn die erneuerbaren Energien so schnell wie möglich ausgebaut und Einsparpotenziale ausgeschöpft werden, wenn Fracking erlaubt und die Laufzeit der Atomkraftwerke verlängert würde. Neue Infrastruktur zur Verschiffung von Gas, die später einmal für Wasserstoff genutzt werden kann, ist aber nur mit langfristig angelegten Investitionen und Liefervereinbarungen zu sichern. Da haben die Golfstaaten den Hebel in der Hand.

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