Wer wegen der hohen Inflation noch nicht alarmiert war, der sollte es spätestens seit Dienstag sein. In Deutschland sind die Preise im August um 7,9 Prozent gestiegen, gemessen am August 2021. Im Juli und Juni war die Inflationsrate wegen des Neun-Euro-Tickets und des Tankrabatts noch leicht gefallen. So mancher Verantwortliche in der Politik schien das zum Anlass zu nehmen, sich über den Sommer zurückzulehnen. Doch nun zeigt sich, wie ernst die Lage ist.
Ein Anstieg der Inflationsrate von 7,5 auf 7,9 Prozent innerhalb eines Monats wirkt auf den ersten Blick nicht dramatisch. Doch er ist es, wenn man bedenkt, dass die Werte aus elf von zwölf Monaten schon vorher feststanden. Bei der Berechnung der neuen Inflationsrate fiel nur der August 2021 weg, und der August 2022 kam hinzu. Wenn allein dieser Monat einen Unterschied von 0,4 Prozentpunkten ausmacht, ist das ein Zeichen, wie sehr die Inflation im Sommer an Fahrt aufgenommen hat. Die Preissteigerung wird mehr und mehr zu einem Phänomen, das sich selbst nährt. Und die richtigen Preistreiber stehen erst noch bevor, wenn im September Neun-Euro-Ticket sowie Tankrabatt auslaufen und im Oktober die Gasumlage kommt. Nach Schätzungen wird die Inflationsrate Ende des Jahres gegen zehn Prozent gehen.
Eine zweistellige Inflationsrate ist von großer symbolischer Bedeutung, sie schürt Ängste bei den Menschen und kann das Problem weiter verschärfen. Die Europäische Zentralbank hat das Problem nun erkannt, nachdem sie es lange Zeit unterschätzte. In der Politik ist es offenbar noch nicht angekommen, wenn man sich das Gezerre der drei Koalitionsparteien auf ihrer Klausur ansieht. Sie sollten sich bewusst sein, dass jetzt schnelle, möglichst direkte Hilfen gefragt sind, besonders für Ärmere und Geringverdiener, die am meisten unter den hohen Preisen leiden. Oder das Land wird sehr bald erleben, wie viel sozialen Sprengstoff die Inflation birgt.