SPD:"Geiselhaft"

In Gaza das Schicksal von 138 Menschen, in Deutschland eine abgedroschene Metapher.

Von Detlef Esslinger

Immer noch befinden sich 138 aus Israel entführte Menschen in der Gewalt der Hamas - aber um deren Geiselhaft geht es hier nicht. Neben der in Gaza gibt es nämlich auch noch die bei der FDP; jedenfalls wenn man den Juso-Vorsitzenden Philipp Türmer wörtlich nimmt. In der Debatte um den Bundeshaushalt 2024 sagte Türmer vor dem SPD-Parteitag, die Sozialdemokraten dürften sich nicht länger "von der FDP in Geiselhaft nehmen lassen". Woraus sich die Frage ergibt: Hält Türmer solch eine Gleichsetzung für angemessen? Worauf sich die Antwort aufdrängt: Höchstwahrscheinlich war sie ihm gar nicht bewusst; er griff halt zur erstbesten Metapher, die gerade herumlag. Die Lehre daraus ist, mal wieder: Vorsicht vor Metaphern. Die meisten sind entweder abgedroschen oder schief, in der Regel sogar beides. Die Geiselhaft befindet sich da in schlechter Gesellschaft mit der Spitze des Eisbergs, dem Erdrutschsieg oder der Nacht-und-Nebel-Aktion (die es in Deutschland von 1941 an auf Befehl Hitlers gab und seit Kriegsende zum Glück nie wieder). Metaphern verraten oft mehr über den Sender als über den Adressaten, in diesem Fall den Juso-Chef: Der denkt hoffentlich nicht so schlampig, wie er formuliert.

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