Corona-Pandemie:Vertrauen in den Impfstoff ist wichtiger als Schnelligkeit

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Der beste, der am schnellsten zugelassene Impfstoff nützt nichts, wenn die Menschen ihn ausschlagen. Diese Gefahr ist in Deutschland real. (Foto: imago images/Eibner)

In Großbritannien sind bereits 300 000 Menschen geimpft. Und in der EU? Gibt es noch nicht einmal die Zulassung für das Biontech-Vakzin. Das kann man peinlich nennen - oder gewissenhaft und transparent.

Kommentar von Berit Uhlmann

Als die Europäische Arzneimittelagentur EMA am Montag den ersten Impfstoff gegen Covid-19 in der EU zur Zulassung empfohlen hat, waren in Großbritannien bereits 300 000 Menschen geimpft. Im Königreich wird das Vakzin des Mainzer Unternehmens Biontech und seines Partners Pfizer schon seit etwa zwei Wochen verabreicht. Eine Notfallzulassung machte es möglich. Das klingt nach einem großen Nachteil für die EU. Man könnte es sogar für peinlich halten, vor allem für Deutschland, wo der Impfstoff maßgeblich entwickelt worden ist.

Und doch ist offen, ob ein schneller Start auch auf lange Sicht von Vorteil ist. Die Impfung von Milliarden Menschen auf dieser Welt ist kein Sprint, sondern ein Marathon, bei dem es auf viele Faktoren ankommt: auf die Verfügbarkeit von genügend Dosen, die Logistik, die Organisation von Impfzentren - und ganz besonders auf das Vertrauen der Menschen. Das gilt umso mehr bei einem Impfstoff, der in Rekord-Tempo marktreif wurde.

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Das Vorgehen der Briten war holprig und undurchsichtig

In dieser Hinsicht war das Vorgehen der britischen Arzneimittelbehörde eher bedenklich. Am Tag der Zulassung gab es zunächst nur eine dürre Pressemitteilung, die wenig mehr als die Einführung des Präparats verkündete. Es war anfangs nicht einmal klar, für wen genau der Impfstoff zugelassen war. Es gab keine detaillierten Studiendaten, keine ausführliche Analyse und Bewertung der Ergebnisse, keine Beschreibung des Zulassungsprozesses oder genaue Angaben, wie es denn weitergehen würde. Auch eine Priorisierung, wer den Impfstoff zuerst bekommen sollte, hatte die britische Regierung noch nicht ausgearbeitet.

Das muss nicht zwangsläufig heißen, dass die Zulassung in London schlampig vonstattenging. Und schon gar nicht, dass der Impfstoff mangelhaft ist. Dagegen sprechen die bisher bekannt gewordenen Studienergebnisse und die ersten Erfahrungen aus Ländern, die bereits impfen. Doch das Vorgehen der Briten wirkte holprig, überhastet und undurchsichtig.

Die EMA liefert auch gleich einen Beipackzettel mit

Im Vergleich dazu bot das Prozedere der EMA - obgleich auch sie sehr viel schneller agierte als üblich - mehr Klarheit und Transparenz. Mit dem Urteil ihres Expertengremiums kündigte die Behörde die Veröffentlichung aller Daten zum Nutzen-Risiko-Profil des Impfstoffs sowie künftiger Erkenntnisse an. Sie lieferte zudem detaillierte Anweisungen zum Umgang mit dem Vakzin, inklusive einer Packungsbeilage. Die EMA stellte einen Plan zur Sicherheitsüberwachung vor, es soll unter anderem regelmäßige Kontrollen der Vakzine und unabhängige Überwachungsstudien geben. Sie lieferte auch einen rechtlichen Rahmen für die Hersteller und Verbraucher, in dem auch Haftungsfragen geklärt werden.

Verlässlichkeit und Transparenz sind der Schlüssel zum Vertrauen der Menschen. Der beste, der am schnellsten zugelassene Impfstoff nützt nichts, wenn die Menschen ihn ausschlagen. Diese Gefahr ist in Deutschland real: Zuletzt erklärte jeder Zweite, den Schutz aus der Spritze zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu wollen. Das ist ein bedenkliches Signal. Gerade angesichts dieses Zögerns und der noch immer offenen Fragen über das Vakzin ist ein gründliches, valides und nachvollziehbares Verfahren so wichtig. Dabei darf es nicht nur um die aktuelle Pandemie gehen. Gegen mehr als 30 Krankheiten werden weltweit Impfstoffe eingesetzt. Wenn Hast, unklare Vorgänge oder vermeidbare Fehler bei der Zulassung das Vertrauen in diese Präventionsmaßnahme erschüttern, könnte die globale Gesundheit noch auf Jahrzehnte darunter leiden.

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