Streiks bei der Bahn:Corona-Krise? Ist doch den Lokführern egal

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Reisende warten auf dem Bahnsteig auf dem Berliner Hauptbahnhof. (Foto: dpa)

Die GDL will mit einem Streik ihre Macht ausbauen. Sie trägt das auf dem Rücken von Millionen Bahnfahrern und Steuerzahlern aus, die der Bahn durch die Krise helfen. Was für ein schäbiger Plan.

Kommentar von Alexander Hagelüken

Die Lokführer wollen es also wirklich tun. Ihre Gewerkschaft, die GDL, hatte die Tarifverhandlungen mit der Bahn schon vor Wochen für gescheitert erklärt. Nun sprechen sich 95 Prozent der Mitglieder für Streiks aus, die bereits an diesem Dienstagabend beginnen sollen. Es wird ein Streik zum Schaden des ganzen Landes.

Millionen Berufspendler, Dienstreisende und Urlauber dürfen sich jetzt auf Verspätungen freuen - oder Verbindungen, die ganz ausfallen. Jeden Tag fahren in der Bundesrepublik mehr als 1000 Fern- und mehr als 20 000 Nahverkehrszüge. Im letzten großen GDL-Streik vor sechs Jahren fielen zwei Drittel der Fernzüge und ein Großteil der regionalen Fahrten aus. Da kann sich jeder die Folgen des Streiks jetzt ausmalen, der "gemessen an der Stimmung in der Belegschaft gar nicht lange genug dauern" kann, wie GDL-Chef Claus Weselsky gewohnt aggressiv formuliert. Das werden alle Bahnfahrer als nervig empfinden. Und jene, die die Bahn nach einer Corona-Pause wiederentdecken, könnte es nachhaltig abschrecken.

Natürlich ist ein Streik legitim. Aber die GDL überzieht total

Das ist noch kein Argument gegen Streiks. Beschäftigte haben das Recht, ihre Forderungen per Arbeitskampf durchzusetzen. Sie handeln grundsätzlich legal, wenn sie Kunden und Unternehmern demonstrieren, was ihre Arbeit wert ist - in dem sie sie eben für eine Weile nicht erbringen. Ob so ein Streik auch legitim ist, hängt aber von seinen Zielen ab. Und da zeigt sich: Die GDL überzieht total.

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Wie geht's der Deutschen Bahn? Sie dürfte dieses Jahr durch die Corona-Pandemie zwei Milliarden Euro Verlust machen - nach sechs Milliarden im Vorjahr. In dieser Situation kämpft keine verantwortungsvolle Gewerkschaft für jedes Zehntelprozent mehr Lohn. Schon gar nicht mit einem Streik, der die Bahn beim zurückliegenden Mal zehn Millionen Euro kostete - pro Tag. Die andere Eisenbahn-Gewerkschaft, die EVG, hat eine Nullrunde für dieses Jahr und 1,5 Prozent mehr Lohn für 2022 vereinbart, wofür die Bahn auf Kündigungen verzichtet. Das ist ein verantwortungsvoller Abschluss.

Der EVG-Konkurrent GDL ignoriert Verantwortung, weil es ihm um Expansion geht. In Wahrheit liegen die Forderungen gar nicht so weit von dem entfernt, was die Bahn bietet. Das Unternehmen würde die geforderten 3,2 Prozent mehr Lohn akzeptieren, wenn die Erhöhungen später kommen und der Tarifvertrag über gut drei Jahre läuft. GDL-Chef Weselsky aber beharrt auf seinen Forderungen, notfalls per Streik. Denn er möchte dem Rivalen EVG durch einen hohen Lohnabschluss Mitglieder abjagen, ungeachtet der wirtschaftlichen Lage. Corona? Egal.

Weselsky will mit einem hohen Abschluss Mitglieder gewinnen

Weselsky nutzt die Tatsache aus, dass Lokführer mehr Macht haben als die meisten anderen Arbeitnehmer. Wie Piloten können sie per Streik den Alltag von Millionen Bürgern durcheinanderbringen, weshalb ein Arbeitgeber bald einknickt. Bauarbeiter oder Fabrikwerker verfügen über weniger Erpressungspotenzial, ein durchaus unfairer Unterschied. Die Bundesregierung wollte die Macht von Spartengewerkschaften wie der GDL durch das Tarifeinheitsgesetz reduzieren. In einem Betrieb soll nur noch der Tarifvertrag der Gewerkschaft gelten, die dort mehr Mitglieder hat. Das ist in den meisten Einzelbetrieben der Bahn die EVG, nicht die GDL.

Weselsky will einen spektakulären Lohnabschluss, um Mitglieder herüberzuziehen und den Status der GDL zu sichern. Er kämpft das auf dem Rücken der Bahnfahrer und der Steuerzahler aus, die wegen der Pandemie mehrere Milliarden Euro in die Bahn pumpen - ein schäbiger Plan.

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