Youtube:"Merkel lullt den Gegner ein"

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Für die 21-jährige Bloggerin Ischtar Isik ist das Gespräch mit Merkel das erste Interview, der 31-jährige Mirko Drotschmann arbeitet dagegen auch als Journalist. (Foto: N/A)

Ischtar Isik und Mirko Drotschmann sind zwei von vier Youtubern, die heute die Kanzlerin interviewen werden. Wie haben sie sich vorbereitet?

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Eine Stunde haben Mirko Drotschmann, Ischtar Isik, Alex Böhm (alias AlexiBexi) und Lisa Sophie (alias ItsColeslaw) heute Mittag um 13.30 Uhr Zeit, um Angela Merkel auf Youtube zu befragen. Die vier Blogger wurden von der Produktionsfirma Studio71 ausgewählt. Mirko Drotschmann, der als "MrWissen2go" Jugendlichen auf Youtube Politik erklärt, und die Beauty-Bloggerin Ischtar Isik erzählen, wie die Vorbereitungen für das Interview abgelaufen sind.

SZ: Wie schlafen Sie, seit Sie wissen, dass Sie Angela Merkel interviewen werden?

Mirko Drotschmann: Die Aufregung ist schon da. Das Herz pocht immer ein bisschen schneller, wenn ich daran denke. Aber das ist auch ganz gut. Immer wenn man aufgeregt ist, ist man auch konzentriert, und das sollten wir während des Interviews ja sein.

Wie haben Sie sich vorbereitet?

Isik: Erst einmal haben wir Themen gesammelt. Was interessiert uns selbst? Was interessiert die Community? Dann haben wir uns nach und nach die Fragen überlegt. Und jetzt üben wir einfach viel.

Drotschmann: Wichtig ist auch, dass wir Hintergrundinformationen haben zu den Themen, die wir behandeln. Außerdem haben wir zusammen mit unserer Redaktion alte Angela-Merkel-Interviews angeschaut, damit wir wissen, was uns erwartet.

Was ist Ihnen bei der Interview-Analyse aufgefallen?

Drotschmann: Was Merkel gerne macht, ist kritische Fragen mit einer ausweichenden Antwort zu beantworten, die dann auch noch häufig sehr lang ist. Das ist ja auch ein politisches Stilmittel von ihr: Merkel lullt den Gegner ein. Deswegen ist gut zuhören, glaube ich, das Wichtigste.

Isik: Genau, man muss die eigene Frage gut im Kopf behalten, wenn sie zu lange antwortet.

Der Youtuber LeFloid wurde vor zwei Jahren heftig kritisiert für sein Merkel-Interview: Er habe nicht kritisch nachgefragt, habe sich nur von der Kanzlerin benutzen lassen. Teilen Sie die Kritik?

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Isik: Ich finde, dafür, dass es sein erstes richtiges Interview war, hat er es gut gemacht.

Drotschmann: Ich fand die Kritik ein bisschen unfair. Er hatte ja vorher angekündigt, die Fragen seiner Community zu stellen und das hat er getan. Außerdem hat er es immerhin geschafft, die Kanzlerin zu interviewen, das ist etwas, was 99,9 Prozent der Journalistenkollegen niemals schaffen werden. Das ist schon eine Leistung.

Man könnte einwenden: Gerade weil es eine so seltene Gelegenheit ist, Merkel zu befragen - zumal für junge Menschen -, hätte LeFloid besonders kritisch sein müssen.

Drotschmann: Klar, aus journalistischer Sicht war da noch Luft nach oben. Aber es kommt immer auf die Erwartungshaltung an. Kaum einer seiner Zuschauer wird mit der Erwartung an dieses Interview herangegangen sein, dass jetzt die großen investigativen Fragen gestellt werden. Für seine Zielgruppe war es also sicher gut. Aber natürlich hätte man einiges besser machen können, deswegen ist das Interview für uns jetzt auch ein guter Referenzwert.

Was genau wollen Sie anders machen?

Isik: Ich bin ja keine Journalistin, deswegen ist für mich das Ziel des Interviews vor allem, meiner jungen Zielgruppe die Politik näherzubringen.

Drotschmann: Ich will schon kritisch nachfragen. Außerdem wird unser Interview live sein, das hat natürlich einen ganz eigenen Reiz, auch für Merkel, denn was sie sagt, kann hinterher nicht geschnitten werden. Und wir werden sie nicht wie LeFloid im Kanzleramt befragen, sondern in einem Studio in Berlin. Das heißt, wir sind nicht zu Gast bei Merkel, Merkel ist zu Gast bei uns.

Drei von Ihnen beschäftigen sich in Ihren Videos nicht mit Politik. Frau Isik, Sie betreiben zum Beispiel einen Beauty-Kanal. Können Sie verstehen, warum viele daran zweifeln, dass Sie Merkel inhaltlich contra geben können?

Isik: Ich kann das einerseits verstehen, andererseits sollte Politik doch für jeden da sein. Deswegen finde ich es sinnvoll, auch verschiedene Zielgruppen in so einem Interview anzusprechen.

Über welche Themen wollen Sie denn mit Merkel diskutieren?

Isik: Dazu wollen wir vorab lieber nichts sagen, sonst ist es nicht mehr spannend.

Drotschmann: Wir wissen, dass das Kanzleramt da ein bisschen die Fühler ausstreckt und guckt, was so veröffentlicht wird im Vorfeld.

Dann verraten Sie doch wenigstens, was bei Ihrer Online-Umfrage herausgekommen ist. Sie haben ja Ihre Community aufgerufen, Ihnen Themenvorschläge zu schicken.

Drotschmann: Da kamen ganz unterschiedliche Themen zusammen. Auf meinem Youtube-Kanal bekamen beispielsweise die Fragen zur Cannabis-Legalisierung die meisten Likes. Da Merkel sich in der Vergangenheit dazu immer sehr eindeutig geäußert hat, wollen wir lieber Platz für andere Fragen schaffen, deren Antworten vielleicht nicht so vorhersehbar sind.

Wie nehmen Sie den Wahlkampf bis jetzt wahr? Werden die Interessen von jungen Menschen ausreichend thematisiert?

Drotschmann: Es sind sicherlich Themengebiete dabei, die für junge Menschen relevant sind: Gerechtigkeit bei der SPD, innere Sicherheit bei der CDU. Da sind die Parteien allerdings gefragt, ihre Themen so zu vermitteln, dass sie junge Leute auch interessieren. Was stärker vorkommen sollte, ist das Thema Bildung - aber das ist eben Ländersache, das kann bei einem Bundestagswahlkampf leider keine große Rolle spielen. Ansonsten wäre der Bereich Digitales noch etwas, worauf die Parteien mehr setzen könnten - der Breitbandausbau zum Beispiel. Oder die Zukunft der Arbeit und der Mobilität, das wären auch wichtige Themen.

Wer auf Youtube Erfolg haben möchte, muss möglichst unverstellt und persönlich wirken. Was halten Sie von der Politikerin Angela Merkel - kommt sie authentisch rüber?

Isik: Was das Persönliche angeht: Jeder Mensch muss ja selbst wissen, wie viel er von seinem Privatleben preisgeben möchte. Wenn Angela Merkel nicht so viel von sich öffentlich machen will, kann ich das absolut nachvollziehen. Genau das macht sie für mich dann auch authentisch, wenn sie sagt: So bin ich nun einmal.

Drotschmann: Aber natürlich spielt Merkel auch eine Rolle. Manche Dinge macht sie, weil sie genau weiß, was die Bilder bewirken. Sie fährt in irgendwelche spießigen Urlaubsgegenden, wo möglichst auch noch Deutsch gesprochen wird, weil sie weiß, dass das bodenständig ankommt. Vielleicht würde sie viel lieber auf die Seychellen fahren, aber das passt einfach nicht zu ihrem Image. Allerdings gibt es auch Situationen, in denen sie wirklich authentisch rüberkommt - zum Beispiel, wenn sie sich beim Fußballländerspiel über ein Tor von Deutschland freut und lustig die Arme hochreißt.

Und wie sehen das Ihre Zuschauer? Herr Drotschmann, Sie haben auf Ihrem Youtube-Kanal auch Erklärvideos über Merkel und die CDU gemacht. Wie waren die Reaktionen?

Drotschmann: Die waren sehr ambivalent. Angela Merkel kommt grundsätzlich gut weg, die CDU dagegen gar nicht. Wenn ich eine Umfrage machen würde, wen die Zuschauer wählen wollen, würde die CDU vermutlich mit am schlechtesten abschneiden. Aber diese Haltung ist ja nicht nur auf die jungen Leute in Deutschland beschränkt. Die Menschen können momentan mit der Politik der CDU nicht so viel anfangen, mit Merkel jedoch schon. Außerdem haben viele meiner Zuschauer noch gar keinen anderen Kanzler erlebt und denken: Ach, das passt schon, so kann es weitergehen.

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